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Dr. Dieter Heskamp

Rechtsanwalt

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OLG Naumburg - Beschluss vom 24.08.15

Zum Inhalt der Entscheidung: Eine falsche Einschätzung einer Verkehrssituation kann nicht ohne weiteres als alkoholbedingte Ausfallerscheinung gewertet werden.

 

Oberlandesgericht Naumburg

Beschluss vom 24.08.2015

2 Rv 104/15

Aus den Gründen:

I.

Das Amtsgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zur Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 45,00 Euro verurteilt und ihr die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Fahrerlaubnis von einem Jahr und zwei Monaten verhängt.

Dagegen richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt und das Verfahren beanstandet.

II.

Die Revision dringt bereits mit der Sachrüge durch, eines Eingehens auf die - das angefochtene Urteil ebenfalls mit beachtlichen Gründen beanstandende - Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihrer Zuschrift an den Senat ausgeführt:

"Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es materiell-?rechtlich unvollständig ist. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, das die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts in jeder Hinsicht auf einer rechtsfehlerfreien Grundlage beruht und andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung in diesem Bereich von rechtsfehlerhaften Erwägungen beeinflusst ist (§ 337 StPO).

1. So teilt das Amtsgericht in seinem Urteil weder mit, ob und wie sich die Angeklagte zu der Sache eingelassen hat, noch wie und mit welchen erhobenen Beweisen diese Einlassung gewürdigt worden ist. Fehlen in einem Strafurteil jedoch jegliche Angaben darüber, liegt grundsätzlich ein sachlich rechtlicher Mangel vor, der zur Aufhebung des Urteils führt, denn ein so unvollständiges und lückenhaftes Urteil ermöglicht keine Überprüfung, ob in ihm das Recht in fehlerfreier Weise angewandt worden ist [vgl. KG Berlin, Beschluss vom 09.07.1997 - (4) 1 Ss 158/97 (66/97)].

2. Auch die Feststellungen des Amtsgerichts zu der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit der Angeklagten i.S.d. § 315c StGB sind unzureichend und halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die nachträglichen Ausfallerscheinungen, die im ärztlichen Untersuchungsbericht der Ärztin W. vom 22.01.2015 festgestellt wurden (Gang der Angeklagten unsicher, plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Gehen unsicher und Finger-?Finger-?Probe unsicher) sind zwar Indizien für die relative Fahruntüchtigkeit. Auch die Feststellung des Gerichts, dass bei der Durchführung der Atemalkoholprobe die Angeklagte mehrfach nicht in der Lage gewesen sei, das Gerät lange genug zu beatmen (UA S. 5), spricht für eine alkoholbedingte körperliche Beeinträchtigung.

Allerdings hätte es für die Annahme alkoholbedingter Ausfallerscheinungen einer Gesamtwürdigung sämtlicher Tatumstände unter Einbeziehung des Unfallhergangs und von Darlegungen zu der Kausalität zwischen der festgestellten Alkoholisierung und dem Unfallereignis bedurft.

Zwar teilt das Gericht mit, dass die Angeklagte beim Abbiegevorgang in eine vorfahrtsberechtigten Straße den aus ihrer Fahrtrichtung gesehen von links kommenden Pkw des Zeugen S. K. aufgrund ihrer hohen Alkoholisierung und der damit einhergehenden Einschränkung ihrer Reaktions- und Wahrnehmungsfähigkeit übersehen habe (UA S. 3), obgleich die Straße für die Angeklagte nach links zum Tatzeitpunkt etwa 30 m frei einsehbar gewesen sei, zum Tatzeitpunkt um 7:35 Uhr Berufsverkehr geherrscht habe (UA S. 5) und es dunkel gewesen sei (UA S. 3). Allerdings stellt das Amtsgericht auch fest, dass das Übersehen eines Vorfahrtsberechtigten, der für die Angeklagte auf der vorfahrtsberechtigten Straße von links käme, einen typischen bedingten Fahrfehler darstelle (UA S. 5).

Hierbei verkennt das Gericht, dass eine falsche Einschätzung einer Verkehrssituation für sich alleine keine Ausfallerscheinung ist, die als Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit genügt. Selbst ein verkehrswidriges Fahrverhalten stellt nur dann ein Untauglichkeitsindiz dar, wenn es sich dabei um typische Fahrweisen alkoholisierter Kraftfahrer im Straßenverkehr handelt (vgl. BGH, 20.03.1959, 4 StR 306/58). Es ist jedoch allgemein bekannt und entspricht der Verkehrserfahrung, dass es auch einem nüchternen Kraftfahrer passieren kann, beim Linksabbiegen in eine bevorrechtigte Straße ein entgegenkommendes Fahrzeug zu übersehen. Bei dem Fahrfehler der Angeklagten, wie es sich im Urteil darstellt, handelt es sich daher nicht um einen der "klassischen" Ausfälle unter Alkoholeinfluss, wie etwa Schlangenlinienfahren, grundloses Abkommen von der Fahrbahn oder auffallend übervorsichtiges Fahrverhalten. Vielmehr könnte der Unfall auch durch alkoholunabhängige Unachtsamkeit, wie z. B. eine den morgendlichen Beleuchtungsverhältnissen geschuldete Fehleinschätzung der Verkehrssituation, der Entfernung sowie der Geschwindigkeit des entgegenkommenden Fahrzeugs, verursacht worden sein. Einen Erfahrungsgrundsatz, dass ein Übersehen eines Vorfahrtsberechtigten, der für die Angeklagte auf der vorfahrtsberechtigten Straße von links kam, ein typisch alkoholbedingter Fahrfehler sei (vgl. UA S. 5), besteht jedenfalls nicht. Vor diesem Hintergrund ist es daher rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht von einem nichtbestehenden Erfahrungssatz ausgeht (vgl. Meyer-?Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 337 Rn. 31 m.w.N.).

Aus den oben genannten Gründen lässt sich die Besorgnis nicht ausräumen, das Amtsgericht könne von einem fehlsamen Prüfungsansatz und einem nicht bestehenden Erfahrungssatz ausgegangen sein.

3. Auch können allein aus nachträglichen Ausfallerscheinungen noch keine Rückschlüsse auf das Bewusstsein der Angeklagten gezogen werden, dass ihre Gesamtleistungsfähigkeit so beeinträchtigt sei, dass diese den Schluss auf eine fahrlässige Verwirklichung der Straßenverkehrsgefährdung rechtfertigen.

Im vorliegenden Fall wird die Indizwirkung, die das Amtsgericht der hohen Blutalkoholkonzentration zumisst, zwar durch die Feststellungen im ärztlichen Untersuchungsbericht vom 22.01.2015 sowie den Angaben der aufnehmenden Polizeibeamtin am Unfallort bestärkt.

Allerdings ergibt sich aus dem Urteil nicht, ob und wenn ja, welche Beobachtungen der Zeuge S. K. im Hinblick auf das Verhalten der Angeklagten nach dem Verkehrsunfall bis zum Eintreffen der Polizei gemacht hat.

Solche zeugenschaftlich festgestellten Auffälligkeiten bzw. Unauffälligkeiten der Angeklagten am Unfallort könnten jedoch gleichfalls von Bedeutung sein, zumal im Urteil festgestellt wird, dass der Ablauf des Verkehrsunfalls auf den Angaben des Zeugen S. K. beruhen (UA S. 4). Ohne die Wiedergabe der Aussage des unmittelbar betroffenen geschädigten Zeugen und ihrer Würdigung kann jedoch nicht geprüft werden, ob der Tatrichter die Bedeutung der Erklärung zutreffend erkannt und bewertet hat, sodass unklar bleibt, ob den Feststellungen eine erschöpfende Würdigung des Sachverhaltes zugrunde liegt (BGH StV 1984, S. 64L; Meyer-?Goßner/Schmitt, a.a.O., § 267 Rn. 12)…"

Diesen Ausführungen tritt der Senat - mit Ausnahme des Passus, dass die mehrfachen Fehlversuche bei der Durchführung der Atemalkoholprobe für eine alkoholbedingte Beeinträchtigung sprächen - bei.

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