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OLG Saarbrücken – Beschluss vom 12.02.13

Zum Inhalt der Entscheidung: 1. Ein Absehen vom Fahrverbot aufgrund beruflicher Nachteile muss vom Tatgericht eingehend begründet werden. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Betroffenen, die mit dem Fahrverbot verbundenen Nachteile durch Maßnahmen wie z.B. die Inanspruchnahme von Urlaub, die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxis, die Heranziehung eines Angehörigen oder Angestellten als Fahrer, die vorübergehende Beschäftigung eines Aushilfsfahrers oder durch eine Kombination dieser Maßnahmen auszugleichen

2. Die Teilnahme an einem Aufbauseminar rechtfertigt für sich genommen kein Absehen vom Fahrverbot.

 

Oberlandesgericht Saarbrücken

Beschluss vom 12.02.2013

Ss (B) 14/2013 (9/13 OWi); Ss (B) 14/13 (9/13 OWi)

 

Aus den Gründen:

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des erforderlichen Abstands zu einem vorausfahrenden Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h eine Geldbuße in Höhe von 500,– Euro festgesetzt; von der Verhängung eines Fahrverbots hat es abgesehen.

Nach den Urteilsfeststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen ist dieser Vertriebsleiter im Außendienst und erzielt regelmäßige Einkünfte. Er ist mit drei Voreintragungen wegen Abstandsunterschreitung (Bußgeldbescheid vom 06.05.2008) und Geschwindigkeitsüberschreitung (Bußgeldbescheid vom 04.08.2009 sowie Entscheidung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 01.03.2011) vorbelastet, wobei mit der letztgenannten Entscheidung zugleich ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet wurde.

Das Absehen von der Verhängung des noch im Bußgeldbescheid gemäß § 4 Abs. 1 BKatV festgesetzten einmonatigen Fahrverbotes hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

„Es liegen besondere Umstände vor, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion des Fahrverbotes nicht bedarf und der nötige Warneffekt durch Verhängung einer erhöhten Geldbuße erreicht werden kann:

Das Fahrverbot würde den Betroffenen als Vertriebsleiter in seiner Erwerbstätigkeit hart treffen.

Zwar haben Umstände, wie eine hohe jährliche Fahrleistung, das besondere geschäftliche oder berufliche Angewiesensein auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, eine langjährige unfallfreie Fahrpraxis, das Fehlen von Voreintragungen im Verkehrszentralregister weder für sich noch in ihrem Zusammentreffen ein ausreichendes Gewicht, um ein Absehen von einem Regelfahrverbot rechtfertigen zu können (…). Ein Absehen von der Anordnung eines Fahrverbots bei gleichzeitiger angemessener Erhöhung der Geldbuße kommt jedoch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in Betracht, wenn das Fahrverbot für den Betroffenen Härten ganz außergewöhnlicher Art nach sich ziehen würde. Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Betroffene infolge des Fahrverbots seinen Arbeitsplatz verlieren oder als Selbstständiger in eine vergleichbare wirtschaftlich existenzbedrohende Situation geraten würde (…). Der Betroffene ist als Außendienstler besonders auf sein Fahrzeug angewiesen. Ein Fahrverbot kann er nicht durch Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kompensieren.

Die letzte Verurteilung des Betroffenen, die zu einem Fahrverbot geführt hat, lag etwas mehr als ein Jahr vor der neuerlichen Tat. Den Hinweis der Verwaltungsbehörde auf die Möglichkeit zur freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar (…) ist der Betroffene im September und Oktober 2012 nachgekommen. Gegen Erhöhung der Geldbuße auf das höchstmögliche Maß nach § 17 Abs. 1 und 2 OWiG ist die Warn- und Denkzettelfunktion des Fahrverbots hier ausnahmsweise nicht mehr erforderlich. Unter dieser Voraussetzung wird der Betroffene das Absehen vom Fahrverbot nicht als Freibrief für weitere Verstöße missverstehen (…).“

Die in der Hauptverhandlung nicht vertretene Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil mit am 23. November 2012 bei Gericht eingegangenem Telefaxschreiben vom selben Tag Rechtsbeschwerde eingelegt, nachdem ihr das gemäß § 77 b Abs. 1 S. 1, 2 HS 1 OWiG zunächst ohne Gründe abgefasste schriftliche Urteil am 21. November 2012 zugestellt worden war. Nach Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils am 14. Dezember 2012 begründete sie das Rechtsmittel mit am 2. Januar 2013 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 18. Dezember 2012. Unter Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts insoweit, als auf die Verhängung eines Fahrverbots verzichtet wurde. Sie ist der Auffassung, dass die im Urteil dargelegten Gründe ein Absehen von der Anordnung eines Fahrverbots nicht rechtfertigten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich der Rechtsbeschwerde angeschlossen.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde, die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist (vgl. hierzu Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 79 Rn. 9 m.w.N.), hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1. Einer Sachentscheidung des Senats zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht dabei zunächst nicht entgegen, dass die Zustellung der Rechtsbeschwerdeschrift an den Verteidiger des Betroffenen vorliegend nicht durch das Amtsgericht, sondern durch die Staatsanwaltschaft bewirkt wurde. Zwar ist gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 347 Abs. 1 S. 1 StPO die Zustellung der Rechtsbeschwerdeschrift an den Rechtsbeschwerdegegner, dem hierdurch das rechtliche Gehör zu der vorgebrachten Rüge gewährt wird, Sache des Gerichts, und zwar auch dann, wenn die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde eingelegt hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 347 Rn. 1; Löwe-Rosenberg-Hanack, StPO, 25. Aufl., § 347 Rn. 4). Hat in diesem – letztgenannten – Fall jedoch die Staatsanwaltschaft die Zustellung der Rechtsbeschwerdeschrift an den Betroffenen bewirkt und ist diese – wie hier – auch im Übrigen ordnungsgemäß, ist die Zustellung gleichwohl wirksam und muss von dem Gericht nicht wiederholt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Januar 2012 – Ss (B) 120/2011 [159/11] -; KMR-Momsen, § 347 Rn. 4; L-R-Hanack; a.a.O.).

2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Ausführungen des Amtsgerichts vermögen ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes nicht zu rechtfertigen.

a) Bei einer Unterschreitung des Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug um weniger als 3/10 des halben Tachowertes – wie hier – kommt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 BKatV die Anordnung eines Fahrverbotes von einem Monat wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht, soweit die Geschwindigkeit mehr als 100 km/h beträgt. Denn es ist der Tatbestand der Nummer 12.5.3 der Tabelle 2 zu Nr. 12 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der BKatV verwirklicht.

Die Erfüllung eines solchen Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines groben Pflichtverstoßes i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, so dass es regelmäßig der Anordnung eines Fahrverbotes als Denkzettel bedarf (vgl. BGHSt 38, 125 ff.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 25 StVG Rn. 19 m.w.N.). Von der Verhängung eines Regelfahrverbotes kann deshalb nur abgesehen werden, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen anzunehmen sind, die ausnahmsweise ein Abweichen von der Regelsanktion gebieten, weil ihretwegen der vom Bußgeldkatalog erfasste Normalfall gerade nicht vorliegt. Besonderheiten solcher Art können sein, neben gewöhnlichen und durchschnittlichen, namentlich entlastenden Umständen (BGHSt 38, 125; OLG Hamm VRS 92, 146; OLG Köln, VRS 87, 40; OLG Düsseldorf, VRS 92, 40; OLG Zweibrücken DAR 2003, 134, Hentschel/König/Dauer, § 25 Rn. 24 m.w.N ), auch außergewöhnliche Härten im Sinne von unverhältnismäßigen Folgeschäden, die für den Betroffenen mit einem Fahrverbot verbunden sind, so etwa das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes bzw. der wirtschaftlichen Existenz (BVerfG NJW 1994, 573; NJW 1995, 1541, DAR 1996, 196 ff.; OLG Oldenburg ZfS 1995, 34 und 275; OLG Dresden ZfS 1995, 477; OLG Düsseldorf NZV 1995, 161; OLG Hamm NZV 1995, 498 und NStZ – RR 1996, 181; OLG Brandenburg NStZ – RR 2004, 93; Senat in ständiger Rechtsprechung z.B. Beschlüsse vom 19. November 2010 – Ss (B) 111/2010 – und zuletzt vom 21. Januar 2013 – Ss (B) 90/2012 [72/12 OWi] -).

Dabei unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGHSt 38, 231, 237) und ist vom Rechtsbeschwerdegericht im Zweifel „bis zur Grenze des Vertretbaren“ zu respektieren (OLG Hamm VRS 92, 146; 95, 138). Das Rechtsbeschwerdegericht darf mithin nur eingreifen, soweit die der getroffenen Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen in sich fehlerhaft sind, der Tatrichter also von unvollständigen oder unrichtigen Erwägungen ausgegangen ist oder sonst von seinem Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. OLG Köln, ZfSch 2004, 88 ff. Rn. 18, zit. nach juris; Senatsbeschluss vom 21. Januar 2013 – Ss (B) 90/2012 [72/12 OWi] -).

b) Bei Anlegung dieses Maßstabs stellen die vom Amtsgericht angeführten Erwägungen weder für sich genommen noch in der Gesamtschau Gründe dar, die ein Absehen von dem verwirkten Regelfahrverbot rechtfertigen.

aa) Zwar ist das Amtsgericht im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass von der Verhängung eines Regelfahrverbots nur ausnahmsweise abgesehen werden kann und dass eine Härte außergewöhnlicher Art regelmäßig anzunehmen ist, wenn der Betroffene durch das Fahrverbot seinen Arbeitsplatz verlieren oder als Selbstständiger in eine vergleichbare wirtschaftlich existenzbedrohende Situation geraten würde. Dass der Betroffene bei Verhängung eines Fahrverbots eine derartige Folge zu gewärtigen hat, hat das Gericht allerdings nicht festgestellt und erscheint angesichts der Dauer des verwirkten Regelfahrverbots von (lediglich) einem Monat auch nicht naheliegend. Allein die Ausführungen in den Urteilsgründen, dass der Betroffene als Vertriebsleiter im Außendienst „besonders auf sein Fahrzeug angewiesen“ sei und ein Fahrverbot „nicht durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kompensieren“ könne, belegen eine konkret existenzbedrohende Wirkung jedenfalls nicht. Denn abgesehen davon, dass sich diesen Ausführungen schon nicht entnehmen lässt, in welchem Umfang und mit welcher Häufigkeit der Betroffene sein Fahrzeug tatsächlich beruflich nutzt, wird aus ihnen auch nicht ersichtlich, welche Folgen aus der Anordnung eines Fahrverbotes dem Betroffenen konkret drohen.

Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot bedarf indes – anders als im Fall der Verhängung eines Regelfahrverbotes – einer eingehenden, auf ausreichende Tatsachen gestützten Begründung (vgl. BGHSt 38, 125 ff.; BGH, NZV 1992, 286; OLG Hamm, NZV 2007, 258; Beschluss vom 28. November 2011 – 3 RBs 337/11, juris). Insoweit entspricht es auch ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass Angaben eines Betroffenen, es drohten bei Verhängung eines Fahrverbots berufliche und persönliche Nachteile, nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Vielmehr ist ein derartiger Vortrag vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalls auszuschließen. Zugleich wird das Rechtsbeschwerdegericht nur so in die Lage versetzt, die Rechtsanwendung, wenn auch eingeschränkt, nachzuprüfen (vgl. ständige Rspr. des Senats z.B. Beschlüsse vom 14. Dezember 2005 – 3 Ss OWi 1396/05 -, 12. Februar 2008 – 3 Ss OWi 1776/07 – und 3. Januar 2012 – Ss (B) 120/2011 [159/11] -; OLG Hamm, BA 2009, 337; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 25 StVG Rn. 26 m.w.N. aus der Rspr.).

Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf danach der positiven Feststellung und Darlegung der entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen. Grundsätzlich hat jeder Betroffene berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge des Fahrverbotes durch Maßnahmen wie z.B. die Inanspruchnahme von Urlaub, die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxis, die Heranziehung eines Angehörigen oder Angestellten als Fahrer, die vorübergehende Beschäftigung eines Aushilfsfahrers oder durch eine Kombination dieser Maßnahmen auszugleichen (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 14. April 2010 – Ss (B) 29/2010 [51/10] – und 23. Dezember 2011 – Ss (B) 111/2011 [141/11] -; OLG Hamm, Beschluss vom 28. November 2011 – 3 RBs 337/11 -). Für hierdurch auftretende finanzielle Belastungen muss notfalls ein Kredit aufgenommen werden (OLG Hamm, a.a.O.; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 25 StVG Rn. 25 m.w.N. aus der Rspr.). Belastungen durch einen solchen Kredit, der in kleineren und für den Betroffenen tragbaren Raten abgetragen werden kann und der sich – jedenfalls bei einem einmonatigen Fahrverbot im Hinblick auf dessen verhältnismäßig kurze Dauer – in überschaubaren Grenzen bewegt, sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Vor allem eine Kombination von Maßnahmen der vorgenannten Art ist, wenn der Betroffene – wie es hier durch das Amtsgericht festgestellt ist – über regelmäßige Einkünfte als Vertriebsleiter verfügt, grundsätzlich als zumutbar anzusehen. Ausführungen hierzu lassen die Urteilsgründe mit Ausnahme der nicht durch Tatsachen belegten Erwägung, dass der Betroffene ein Fahrverbot nicht durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kompensieren könne, vermissen. Dass dem Betroffenen insbesondere bei einer Kombination möglicher Ausgleichsmaßnahmen ein Ausgleich der Härten nicht möglich oder zumutbar wäre, geht aus dem Urteil in keiner Weise hervor. In diesem Zusammenhang hätte sich das Amtsgericht – worauf die Staatsanwaltschaft zu Recht hinweist – auch mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass nach den Urteilsfeststellungen gegen den Betroffenen lediglich wenig mehr als ein Jahr vor der hier abgeurteilten Tat von dem Amtsgericht Saarbrücken ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet worden war, was – jedenfalls für den Fall, dass der Betroffene zum Zeitpunkt jener Entscheidung dieselbe oder eine vergleichbare Erwerbstätigkeit ausübte – die Annahme nicht fernliegend erscheinen lässt, dass der Betroffene die Folgen dieses Fahrverbotes durch sonstige Maßnahmen abzumildern vermochte und diese Maßnahmen vorliegend erneut in Betracht kommen.

bb) Auch die weiteren Erwägungen in den Urteilsgründen vermögen ein Absehen vom Regelfahrverbot nicht zu rechtfertigen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die vom Amtsgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigte freiwillige Teilnahme des Betroffenen an einem Aufbauseminar.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung, die der Senat teilt, ist anerkannt, dass allein aufgrund der Teilnahme an einem Aufbauseminar von der Verhängung eines Regelfahrverbots nicht abgesehen werden kann (vgl. OLG Bamberg, VRS 114, 379 ff; BayObLG, NZV 1996, 374; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 25 StVG Rn. 25 m.w.N.), sondern dies nur dann gerechtfertigt erscheint, wenn neben dem Seminarbesuch zusätzlich eine Vielzahl anderer, vom Tatgericht festzustellender Gesichtspunkte zugunsten des Täters spricht (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.; BayObLG, NZV 1995, 79). Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass Zielrichtung und Intensität des Fahrverbots mit denen eines Aufbauseminars nicht vergleichbar seien. Durch das Fahrverbot solle dem Betroffenen zum einen seine Verfehlung deutlich vor Augen geführt werden. Zum anderen solle er nochmals ausdrücklich zur Beachtung der Verkehrsvorschriften angehalten werden. Der Verordnungsgeber halte es daher für erforderlich, bei einem Versagen, das deutlich über den üblichen nur bußgeldbewehrten Verfehlungen liege, eindringlich auf den Täter dort einzuwirken, wo er gefehlt habe, nämlich bei der Ausübung seiner Berechtigung zur Führung eines Kraftfahrzeuges. In diesem Bereich sei durch das Regelfahrverbot mit seiner Erziehungs- und Denkzettelfunktion ein Einschnitt gerade in die persönliche Handlungsfreiheit bezweckt (OLG Bamberg, a.a.O., m.w.N.). Demgegenüber sei das Ziel eines Aufbauseminars für Kraftfahrer die Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister gemäß § 4 Abs. 4 StVG. Ein derartiges Seminar beschränke – wie sich bereits aus der nach § 42 i.V.m. § 35 Abs. 1 FeV vorgesehenen Dauer von vier Sitzungen zu jeweils 135 Minuten sowie einer Fahrprobe von mindestens 30 Minuten in einem Zeitraum von zwei bis vier Wochen ergibt – die persönliche Freiheit des Betroffenen offensichtlich in ungleich geringerem Ausmaß als ein zu verhängendes Fahrverbot (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.; BayObLG, NZV 1996, 374). Hinzu komme, dass das Bild der Tat durch einen erst nachträglich eintretenden Umstand nicht zugunsten des Betroffenen verändert werden könne (OLG Bamberg, a.a.O.; vgl. zum Ganzen auch Hentschel/König/Dauer, a.a.O.).

Hinreichende sonstige, zu Gunsten des Betroffenen sprechende Gesichtspunkte, die unter weiterer Berücksichtigung der freiwilligen Teilnahme des Betroffenen an einem Aufbauseminar ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen könnten, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. Zugunsten des Betroffenen ist nach den Urteilsfeststellungen hier lediglich noch sein Geständnis zu berücksichtigen. Dieses kann jedoch die Annahme eines Ausnahmefalls ebenfalls nicht stützen (OLG Bamberg, a.a.O; BayObLG, NZV 1996, 374; OLG Düsseldorf, VRS 93, 226), weil andererseits gravierende Umstände gegen den Betroffenen sprechen. Der Betroffene ist innerhalb von vier Jahren unter Berücksichtigung der verfahrensgegenständlichen Tat zweimal wegen Abstandsunterschreitungen und zweimal wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen in Erscheinung getreten, wobei bereits die in den Bußgeldbescheiden vom 06.05.2008 und 04.08.2009 verhängten Geldbußen die Annahme nahelegen, dass es sich nicht nur um geringfügige Verkehrsverstöße gehandelt hat, insbesondere aber die mit Entscheidung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 01.03.2011 verhängte Sanktion (Geldbuße von 250 Euro sowie ein Fahrverbot von 1 Monat) auf einen erheblichen Geschwindigkeitsverstoß schließen lässt. Dies alles hat das Amtsgericht nicht hinreichend in seine Erwägungen zum Absehen von dem verwirkten Regelfahrverbot einbezogen.

Soweit das Amtsgericht unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 24.01.2007 – Ss OWi 891/06 -, juris) schließlich der Meinung ist, dass der Betroffene bei Erhöhung der Geldbuße auf das gesetzlich zulässige Höchstmaß auch ohne die Verhängung eines Fahrverbotes von der erneuten Begehung vergleichbarer Verstöße abzuhalten sei, weil er unter dieser Voraussetzung „das Absehen vom Fahrverbot nicht als Freibrief für weitere Verstöße missverstehen“ werde, geht diese Argumentation – unabhängig davon, ob dieser Rechtsauffassung zu folgen ist – bereits deshalb fehl, weil das Amtsgericht mit der verhängten Geldbuße von 500,– Euro den gesetzlich zulässigen Höchstsatz nicht ausgeschöpft hat. Nach dem bei Tatbegehung geltenden § 24 Abs. 2 StVG i.d.F. des Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 22.12.2008 (BGBl. I, S. 2965) i.V.m. § 17 Abs. 1 und 2 OWiG beträgt dieser bei fahrlässiger Begehungsweise nämlich 1.000,– Euro.

Da nach alldem das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots auf einer nicht tragfähigen Begründung beruht, kann das angefochtene Urteil schon aus diesem Grund im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.

Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels war das angefochtene Urteil – angesichts der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 12. September 2008 – Ss (B) 73/2008 [69/08] – und 3. Januar 2012 – Ss (B) 120/2011 [159/11] -) – im Rechtsfolgenausspruch insgesamt mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben. Da mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 79 Abs. 6 OWiG) nicht vorliegen, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht St. Ingbert zurückzuverweisen. Von der Möglichkeit, die Sache gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 354 Abs. 2 StPO an eine andere Abteilung dieses Gerichts zurückzuverweisen (vgl. hierzu Göhler-Seitz, a.a.O., § 79 Rn. 48), hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, da nach Aktenlage nicht zu besorgen ist, dass der bisher mit der Sache befasste Tatrichter die Gründe, die zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs geführt haben, innerlich nicht in vollem Umfang akzeptieren und sich diese nicht zu eigen machen werde.