Zum Inhalt der Entscheidung: 1. Eine Voreintragung im Fahreignungsregister kann nach Ablauf der Tilgungsfrist nicht mehr zu einer Erhöhung des Bußgeldes oder der Anordnung bzw. Verlängerung eines indizierten Fahrverbotes herangezogen werden.
2. Nimmt die Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung nicht teil, ist ihre Zustimmung zu einer Einspruchsbeschränkung oder -rücknahme nicht erforderlich.
Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 24.07.2014
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch insoweit aufgehoben, als der Betroffene zu einer Geldbuße von mehr als 500 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von mehr als einem Monat verhängt worden ist.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse.
Aus den Gründen:
I.
Das Amtsgericht hat auf den in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch des Betroffenen diesen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung eines berauschenden Mittels zu einer Geldbuße von 600 Euro verurteilt und gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot unter Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ verhängt.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verurteilung zu einer Geldbuße von 500 Euro und Festsetzung eines einmonatigen Fahrverbots anstrebt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit der Maßgabe aufzuheben, dass die Höhe der Geldbuße auf 500 Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt wird.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat in vollem Umfang Erfolg und führt zu der tenorierten Entscheidung (§ 79 Abs. 6 OWiG).
Angesichts der Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung ist der missverständlich formulierte Antrag des Betroffenen dahin auszulegen, dass er die Aufhebung des angefochtenen Urteils lediglich im Rechtsfolgenausspruch und lediglich in dem o.g. Umfang anstrebt, zumal er selbst eine Festsetzung der o.g. niedrigeren Sanktionen im zweiten Teil seines Antrages begehrt.
Das Amtsgericht ist zu Recht von einer wirksamen Einspruchsbeschränkung ausgegangen. Der Bußgeldbescheid bietet in tatsächlicher Hinsicht eine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung. Der Umstand, dass der Einspruchsbeschränkung in der Hauptverhandlung mangels Teilnahme an dieser die Staatsanwaltschaft nicht zugestimmt hat, ist unschädlich. § 75 Abs. 2 OWiG erklärt für die Rücknahme des Einspruchs die Zustimmung der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung für entbehrlich, wenn sie nicht teilnimmt. Bei der Beschränkung handelt es sich aber um eine Teilrücknahme, für die die Regelung dann ebenfalls gilt (vgl. zu § 303 StPO: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 303 Rdn. 1).
In der Sache selbst schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Hamm an, welche wie folgt lauten:
„Die Höhe der festgesetzten Geldbuße und die Dauer des verhängten Fahrverbots begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Amtsgericht hat sowohl bei der Bemessung der Geldbuße als auch bei der Verhängung eines Fahrverbotes von drei Monaten zwei Voreintragungen verwertet, die bereits tilgungsreif waren:
Nach den Urteilsfeststellungen war gegen den Betroffenen mit seit dem 05.06.2007 rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 30.01.2007 eine Geldbuße in Höhe von 250,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung eines berauschenden Mittels (Tattag: 27.10.2006) verhängt worden.
Zudem war gegen den Betroffenen nach den Urteilsfeststellungen des weiteren mit seit dem 26.10.2011 rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 06.10.2011 eine Geldbuße in Höhe von 350,00 Euro wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften verhängt worden (Tattag: 26.05.2011).
Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 StVG beträgt die Tilgungsfrist für Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit zwei Jahre. Die erstgenannte Entscheidung war daher bereits mit Ablauf des 05.06.2009 tilgungsreif, die zweite Entscheidung mit Ablauf des 26.10.2013. Die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Tat datiert hingegen vom 08.11.2013.
Dem steht die in § 29 Abs. 7 StVG normierte Überliegefrist von einem Jahr nicht entgegen. Denn nur so lange eine Voreintragung nicht getilgt ist, darf sie verwertet werden. Nach Tilgungsreife während der Überliegefrist bleibt es zwar bei einer Eintragung im Verkehrszentralregister, jedoch unterliegt die Voreintragung einem Verwertungsverbot (Hentschel, StVR, 38. Aufl., § 29 StVG, Rdnr. 12). Die Voreintragung kann danach nach Ablauf der Tilgungsfrist nicht mehr zu einer Erhöhung des Bußgeldes oder der Anordnung bzw. Verlängerung eines indizierten Fahrverbotes herangezogen werden. Die Überliegefrist soll lediglich verhindern, dass eine Entscheidung aus dem Register gelöscht wird, obwohl eine weitere Entscheidung während der Überliegefrist ergangen, dem Verkehrszentralregister aber noch nicht übermittelt worden ist. Dies hat das Amtsgericht Dortmund im angefochtenen Urteil übersehen.
Da insoweit jedoch keine weiteren Feststellungen durch den Tatrichter, die zu einer anderen Entscheidung Anlass geben könnten, ersichtlich oder zu erwarten sind, kann der Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden und die zu verhängende Geldbuße unter Berücksichtigung der Gesamtumstände in angemessener Weise auf die für einen Erstverstoß vorgesehene Regelbuße von 500,00 Euro und die Dauer des hierzu verhängenden Fahrverbotes auf einen Monat festsetzen.“
Der Betroffene ist damit zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt und gegen ihn ist ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Die Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ bleibt bestehen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46, 79 Abs. 3 OWiG, 473 Abs. 3 StPO.