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LG Traunstein – Beschluss vom 08.07.11

Zum Inhalt der Entscheidung: Nicht jegliche Ermüdung eines Kraftfahrer führt zur Bejahung der Tatbestandsvoraussetzung des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 b StGB. Zu verlangen ist vielmehr ein solcher Übermüdungszustand, der für den Beschuldigten die erkennbare Erwartung eines nahenden Sekundenschlafes mit sich bringt.

 

Landgericht Traunstein

Beschluss vom 08.07.2011

1 Qs 226/11

Aus den Gründen:

Am 09.06.2011 erließ das Amtsgericht Traunstein gegen den Beschwerdeführer einer Strafbefehl, in welchen diesem zur Last gelegt wird, im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl er infolge von Übermüdung nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Zugleich erließ das Amtsgericht Traunstein einen Beschluss, wonach dem Beschwerdeführer gemäß § 111 a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, wobei es auf den erlassenen Strafbefehl Bezug nahm.

Gegen diesen Beschluss hat der anwaltliche Vertreter des Angeschuldigten am 20.06.2011 Beschwerde eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 07.07.2011 begründete.

Der Führerschein des Beschwerdeführers wurde am 15.06.2011 sichergestellt.

Mit Verfügung vom 21.06.2011 hat das Amtsgericht Traunstein der Beschwerde nicht abgeholfen Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen, da ein Regelfall nach § 69 II Nr. 1 StGB vorläge und Anhaltspunkte, die die Regelwirkung widerlegen würden, nicht ersichtlich seien.

Die statthafte und zulässige Beschwerde ist in der Sache selbst auch begründet.

Nach § 111 a StPO kann die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen werden wird.

Derartige dringende Gründe ergeben sich nach derzeitigem Ermittlungsstand jedoch nicht.

Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen erscheint es zwar als möglich, dass der Angeschuldigte den Verkehrsunfall vom 21.04.2011 dadurch herbeigeführt hat, weil er infolge körperlicher Mängel nicht mehr dazu in der Lage war, den von ihm gesteuerten Pkw sicher zu führen. Das von den Zeugen bekundete Unfallgeschehen, nämlich ein langsames Abkommen des Angeschuldigten von der Fahrbahn nach links über die Gegenfahrbahn lässt zwar die Deutung zu, dass der Beschuldigte zum Unfallzeitpunkt infolge von Übermüdung nicht mehr fahrtauglich war. Dieser Schluss ist jedoch keineswegs zwingend, da nicht jegliche Ermüdung eines Kraftfahrer zur Bejahung der Tatbestandsvoraussetzung des § 315 c I Nr. 1 b StGB führt. Zu verlangen ist vielmehr ein solcher Übermüdungszustand, welcher für den Beschuldigten die erkennbare Erwartung eines nahenden Sekundenschlafes mit sich bringt (vgl. Bayr. OLG, NJW 2003, 3499).

Diesbezügliche Feststellungen wurden bislang nicht getroffen.

Es wurde weder ein unfallanalytisches Gutachten erholt, noch der Gesundheitszustand des Angeschuldigten überprüft.

Ob die Angaben des Angeschuldigten gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten, er sei „Schlafapnoiker“ verwertbar ist, kann einstweilen aufgrund der Ausführungen des Verteidigers im Schriftsatz vom 07.07.2011 wohl dahinstehen, da es dort ebenfalls eingeräumt wird. Jedoch weist der Verteidiger zurecht darauf hin, dass diese Tatsache allein nicht unbedingt zu einem dringenden Verdacht führen muss.

Ob es sich so verhalten hat, wie die Staatsanwaltschaft Traunstein den Angeschuldigten im Strafbefehl zur Last legt, kann letztlich nur durch ein rechtsmedizinisches Gutachten geklärt werden. Gegenwärtig fehlt es damit an dem für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111 a StPO zu verlangenden dringenden Verdacht, dass dem Beschuldigten in der Hauptverhandlung seine Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB entzogen werden wird. Deshalb war auf die Beschwerde hin der Beschluss des Amtsgerichts Traunstein aufzuheben was zur Folge hat, dass auch die Beschlagnahme wegfällt und die Fahrerlaubnis herauszugeben ist.

(…)