Zum Inhalt der Entscheidung: Bei einer Straßenverkehrsgefährdung infolge Trunkenheit und einer sich daran anschließenden Unfallflucht verbraucht eine Einstellung nach § 153a StPO bezüglich der Straßenverkehrsgefährdung auch die Strafklage für den Vorwurf der Unfallflucht.
Kammergericht Berlin
Beschluss vom 30.08.2016
(3) 161 Ss 146/16 (82/16)
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Mai 2016 aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens fallen der Landeskasse Berlin zur Last, nicht aber die notwendigen Auslagen des Angeklagten, die dieser selbst zu tragen hat.
Aus den Gründen:
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 12. Juni 2015 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt, seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von 15 Monaten angeordnet. Die auf sein Rechtsmittel anberaumte Berufungshauptverhandlung hat an insgesamt sieben Tagen stattgefunden. Am sechsten Verhandlungstag sind die Verfahrenbeteiligten übereingekommen, dass das Verfahren bezüglich des Vorwurfs der Straßenverkehrsgefährdung nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt werden soll. Ohne dass es zu einer vorläufigen Einstellung gekommen wäre, ist das Verfahren am nächsten Verhandlungstag, dem 12. Mai 2016, insoweit endgültig eingestellt worden, nachdem der Angeklagte erklärt hatte, 3.000 Euro an die Kosteneinziehungsstelle der Justiz gezahlt zu haben. Sodann ist die Strafverfolgung (unter Wegfall des Vorwurfs nach § 316 Abs. 1 StPO) gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den verbleibenden Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort beschränkt worden, und der Angeklagte ist schließlich durch das angefochtene Urteil wegen dieses Vergehens zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt worden. Zugleich ist ihm die Fahrerlaubnis entzogen und die Fahrerlaubnisbehörde ist angewiesen worden, vor Ablauf von zehn Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision. Er erhebt eine Verfahrensrüge und beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision führt zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses (§ 206a StPO).
Auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts ist von Amts wegen zu prüfen, ob ein Verfahrenshindernis besteht. Dies ist hier der Fall, denn dadurch, dass der Angeklagte eine Zahlungsauflage erfüllt hat und das Verfahren bezüglich des Tatvorwurfs der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 153a Abs. 2 StPO (endgültig) eingestellt worden ist, ist nach § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO Strafklageverbrauch für die gesamte Tat im prozessualen Sinn eingetreten (vgl. OLG Karlsruhe Justiz 1990, 38; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Aufl., § 153a Rn. 45; Beulke in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 153a Rn. 97 mwN). Die angeklagte und erstinstanzlich abgeurteilte Tat der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs steht zwar sachlich-rechtlich mit dem nachfolgenden Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr) in Tatmehrheit. Die Taten bilden aber einen einheitlichen Lebensvorgang, so dass sie sich als eine Tat im prozessualen Sinn darstellen (vgl. BGHSt 23, 141; 25, 72; Senat DAR 1968, 244; OLG Celle VRS 54, 38; Stuckenberg in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 264 Rn. 90 mwN). Die den ersten Tatvorwurf betreffende Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO verbraucht damit die Strafklage auch für das Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort.
Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der zufolge bei der Verurteilung wegen einer ordnungswidrigen Verursachung eines Verkehrsunfalls und wegen anschließenden Entfernens vom Unfallort die Beschränkung der Berufung auf die Verurteilung wegen des Vergehens zulässig sein soll (vgl. BGHSt 24, 185), ergibt sich nichts anderes. Denn der BGH nimmt hiervon ausdrücklich jene Fälle aus, bei denen der Schuldspruch nicht teilbar wäre, zB den „Fall einer beide Ereignisse umfassenden Trunkenheitsfahrt“ (vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 1971, 157). Diese Konstellation ist hier gegeben, denn der Alkohol- und Drogenkonsum hatte sowohl Einfluss auf das Unfall- als auch auf das nachfolgende Tatgeschehen. Dies wird schon dadurch deutlich, dass er die Strafkammer dazu veranlasste, die Strafe nach § 21 StGB zu mildern.
Wegen dieses Verfahrenshindernisses ist das Urteil des Landgerichts aufzuheben, und das Verfahren ist nach § 206a StPO einzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, denn der Angeklagte ist wegen des verbliebenen Tatvorwurfs nach § 142 Abs. 1 StGB, den er zuletzt eingeräumt hat (UA S. 5), nur deshalb nicht verurteilt worden, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(…)