Zum Inhalt der Entscheidung: Der Begriff der Benutzung eines Mobiltelefons schließt die Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen ein. Er umfasst also nicht nur das Telefonieren, sondern auch andere Formen der bestimmungsgemäßen Verwendung.
Oberlandesgericht Köln
Beschluss vom 26.06.08
Aus den Gründen:
I.
Gegen den Betroffenen ist durch Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 26. März 2008 wegen vorsätzlicher Nutzung eines Mobiltelefons gem. §§ 21 a Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG (richtig: § 23 Abs. 1 a StVO) eine Geldbuße von 70 € verhängt worden.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hielt der Betroffene am Tattag (11. Oktober 2007), während er mit seinem PKW in S unterwegs war, ein Mobiltelefon in der Hand. Nach seiner – nicht als widerlegt angesehenen – Einlassung hatte er das Gerät zuvor seiner Brusttasche entnommen, um es in seiner Funktion als Navigationssystem zu nutzen.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 2. April 2008 hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beantragt und dazu geltend gemacht, es sei zu befürchten, dass das Amtsgericht, welches den Sachverhalt zu Unrecht unter § 23 Abs. 1a StVO subsumiert habe, sich auch künftig in Widerspruch zu der zu dieser Vorschrift ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung setze.
II.
Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Zulassungsantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
In dem angefochtenen Urteil ist ausschließlich eine Geldbuße von nicht mehr als 250 € festgesetzt worden. Die Rechtsbeschwerde ist daher nicht nach § 79 Abs. 1 S. 1 OWiG ohne weiteres statthaft, sondern bedarf gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG der Zulassung. Deren gesetzliche Voraussetzungen sind hier allerdings nicht gegeben.
Nach § 80 Abs. 1 OWiG kann die Rechtsbeschwerde bei weniger bedeutsamen Ordnungswidrigkeiten, bei denen sie grundsätzlich ausgeschlossen ist, nur ausnahmsweise zugelassen werden, soweit dies nämlich geboten ist, um den Oberlandesgerichten im allgemeinen Interesse Gelegenheit zu geben, durch eine Entscheidung zur Rechtsfortbildung oder zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung beizutragen. Sinn der Regelung ist mithin nicht die Herstellung der rechtlich richtigen Entscheidung im Einzelfall (vgl. SenE v. 24.01.2000 – Ss 191/99 Z -; SenE v. 10.11.2000 – Ss 462/00 Z – = VRS 100, 33 = NZV 2001, 137 [138]; SenE v. 08.01.2001 – Ss 545/00 Z – = DAR 2001, 179 = VRS 100, 189 [190]; Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 80 Rdnr. 16 f.; Steindorf, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 80 Rdnr. 1 m. w. Nachw.).
Im Einzelnen sieht die Bestimmung des § 80 Abs. 1 OWiG vor, dass die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden kann, wenn dies entweder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (Nr. 1) oder wenn die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (Nr. 2). Beträgt – wie im vorliegenden Fall – die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100 €, so ist die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde durch § 80 Abs. 2 OWiG noch weiter, nämlich in der Weise eingeschränkt, dass in den Fällen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur noch die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung bezogen auf das sachliche Recht die Zulassung rechtfertigt.
Danach ist – ungeachtet dessen, dass durch eine (vermeintliche) Fehlentscheidung im Einzelfall die Einheitlichkeit der Rechtsprechung noch nicht gefährdet wird (vgl. Göhler, a.a.O., Rdnr. 5) – die Zulassung des Rechtsmittels aus dem vom Betroffenen angeführten Grund bereits nicht statthaft.
Aber auch die weiteren Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten die Zulassung ermöglichen, liegen hier nicht vor.
Eine Versagung des rechtlichen Gehörs, die mit einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen wäre (st. Senatsrechtsprechung; vgl. SenE 04.02.1999 – Ss 45/99 Z – = NZV 1999, 264 = VRS 96, 451; SenE v. 15.04.1999 – Ss 144/99 Z – = VRS 97, 187 = NZV 1999, 436; SenE v. 08.01.2001 – Ss 545/00 Z – = DAR 2001, 179 = VRS 100, 189 [190]; SenE v. 11.01.2001 – Ss 532/00 Z – = VRS 100, 204; OLG Düsseldorf VRS 97, 55 = NZV 1999, 437 L.; OLG Hamm VRS 98, 117 f.), ist weder dargetan noch sonst erkennbar.
Der vorliegende Fall gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGH VRS 40, 134 [137]). Zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache nicht auf.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 23 Abs. 1 a StVO ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält.
Die Auslegung der Vorschrift ist in der letzten Zeit Gegenstand zahlreicher obergerichtlicher Entscheidungen gewesen. Danach schließt der Begriff der Benutzung nach dem allgemeinen Sprachverständnis einerseits die Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen ein. Er umfasst also nicht nur das Telefonieren, sondern auch andere Formen der bestimmungsgemäßen Verwendung. Demgemäß wird in der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 599/00, S. 18 zu Art. 1 Nr. 4 der 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11.12.2000 – BGBl. I 1690) hervorgehoben, dass neben dem Gespräch im öffentlichen Fernsprechnetz auch „die Versendung von Kurznachrichten oder das Abrufen von Daten im Internet etc.“ verboten sein sollen. Danach unterfällt es nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung ohne weiteres dem Wortsinn der Vorschrift, wenn der Fahrzeugführer das Gerät zwecks Vorbereitung eines Gesprächs (OLG Hamm NZV 2007, 483) oder Abhörens eines Signaltones (OLG Hamm NStZ-RR 2007, 248 = NZV 2008, 49) an das Ohr hält oder die im Gerät befindliche Telefonkarte zu dem Zweck hin- und herschiebt, das Telefon funktionstüchtig zu machen (OLG Hamm NJW 2007, 1078 = DAR 2007, 219). Alle diese Betätigungen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Nutzung des Mobiltelefons in seiner eigentlichen Funktion als Instrument der Kommunikation.
Darüber hinaus ist nach einigen Entscheidungen unter Benutzung eines Mobiltelefons aber auch die Wahrnehmung der von Geräten neuerer Bauart zur Verfügung gestellten vielfältigen Möglichkeiten als Instrument zur Speicherung, Verarbeitung und Darstellung von Daten zu verstehen. Erforderlich soll insoweit lediglich sein, dass es sich bei dem Gerät seiner Art nach überhaupt (oder jedenfalls auch) um ein Mobiltelefon handelt (was nach Auffassung des OLG Bamberg [NJW 2008, 599] bei der Freisprecheinrichtung nicht der Fall sein soll). Ist ein Gerät zum Telefonieren geeignet und bestimmt, soll es demgegenüber ohne Bedeutung sein, wenn es über weitere Funktionen verfügt, denn dadurch werde seine Eigenschaft als Mobiltelefon nicht beseitigt (vgl. OLG Karlsruhe MMR 2007, 112 = NJW 2007, 240 = DAR 2007, 99 = VRS 111, 444 zur Nutzung eines sog. „Palm-Organizers“). Daher ist nach dieser Rechtsprechung der Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO auch dann erfüllt, wenn das Gerät nur zum Ablesen einer gespeicherten Notiz (OLG Hamm NJW 2003, 912f.), einer gespeicherten Telefonnummer (OLG Hamm NJW 2006, 2870 = VRS 111, 213) oder der Uhrzeit auf dem Display (OLG Hamm NJW 2005, 2469 = NStZ 2005, 707 [708] = DAR 2005, 639 = NZV 2005, 548 = VRS 109, 129 [130]) benutzt wird. Darüberhinaus soll auch die Nutzung als Diktiergerät i.S.d. der Bußgeldvorschrift unzulässig sein (OLG Jena NJW 2006, 3734 = VRS 111, 205 [206] = DAR 2007, 157).
Auf der anderen Seite ist für eine Sanktionierung des Fahrzeugführers die Feststellung eines Bezugs der Handhabung zu einer der vom Mobiltelefon zur Verfügung gestellten Funktionen erforderlich. Fehlt ein solcher Bezug – wie etwa bei einer reinen Ortsverlagerung des Geräts innerhalb des Fahrzeugs – ist die Grenze äußerster verfassungskonformer Auslegung, die durch den noch möglichen Wortsinn des § 23 Abs. 1 a StVO erlaubt wird, überschritten (vgl. SenE v. 23.08.2005 – 83 Ss-OWi 19/05 – = NJW 2005, 3366 = NZV 2005, 547 = DAR 2005, 695; dem folgend: OLG Bamberg, BeckRS 2007, 08729; OLG Düsseldorf NZV 2007, 95 = NStZ-RR 2007, 92; OLG Hamm BeckRS 2007, 17757, Benutzung des Geräts als „Wärmeakku“).
Vor dem Hintergrund der angeführten Entscheidungen erscheint der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 a StVO hinreichend geklärt. Wenn auch die im vorliegenden Falll beabsichtigte konkrete Nutzung noch nicht Gegenstand einer Rechtsbeschwerdeentscheidung gewesen ist, ist doch der Gesamtheit der obergerichtlichen Rechtsprechung mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, dass auch die Nutzung der Funktion des Gerätes als Navigationshilfe als unzulässig anzusehen ist.
Das Normverständnis des Amtsgerichts entspricht nach Auffassung des zuständigen Einzelrichters des Senats im Übrigen (noch) der verordnungsgeberischen Intention. Nach der exemplarischen Aufzählung in der BR-Drucksache, die ersichtlich eine weite Auslegung („sämtliche Bedienfunktionen“) ermöglichen soll, soll vom Begriff der Nutzung auch der „Abruf von Daten“ erfasst sein. Die Nutzung des Geräts als Navigationshilfe beinhaltet aber – ähnlich wie die Teilnahme am Internetverkehr – einen solchen Abruf und stellt damit – in einem weiteren Sinne – einen Kommunikationsvorgang dar. Ein solcher soll jedenfalls im Zusammenhang mit einem Mobiltelefon unterbleiben. Der Betroffene hat das Gerät auch nicht lediglich verlagern, sondern seiner eigenen Einlassung zufolge konkret nutzen wollen. Das erforderte ein Aufnehmen oder Halten des Geräts mit der Folge, dass die Gefahr mentaler Ablenkung vorhanden war und die Hände vorübergehend nicht am Lenkrad verbleiben konnten.