Zum Inhalt der Entscheidung: Kein Vier-Augen-Prinzip bei Messungen mit Riegl RG21-P
Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 21.06.2012
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.
Gründe
I.
Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 240 € und ordnete ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat an. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurden die Geschwindigkeitsmessungen am Tattag an der Tatörtlichkeit von den in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Polizeibeamten S und A mit einem Lasermessgerät des Typs „Riegl FG 21-P“ durchgeführt. Das Ergebnis der Messung der Geschwindigkeit des von dem Betroffenen geführten Fahrzeuges (87 km/h) wurde allein von dem Polizeibeamten S vom Anzeigefeld des Messgerätes abgelesen und anschließend von diesem in das schriftliche Messprotokoll eingetragen, ohne dass der Polizeibeamte A die Richtigkeit des von den Polizeibeamten S abgelesenen und in das Messprotokoll eingetragenen Wertes überprüfte.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom heutigen Tage dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II.
1. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).
Anlass zu besonderer Erörterung gibt lediglich die von dem Verteidiger unter Hinweis auf das Urteil des Amtsgerichts Sigmaringen vom 4. Mai 2010 – 5 OWi 15 Js 9971/09 – (BeckRS 2010, 14721) vertretene Auffassung, bei der Messung der Geschwindigkeit des von dem Betroffenen geführten Fahrzeuges sei das „Vier-Augen-Prinzip“ verletzt worden, weil der Polizeibeamte A die Richtigkeit des von den Polizeibeamten S abgelesenen und in das Messprotokoll eingetragenen Wertes nicht überprüft habe; eine Verurteilung des Betroffenen auf der Grundlage des Geschwindigkeitsmesswertes von 87 km/h sei daher sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht unzulässig.
Ein derartiges „Vier-Augen-Prinzip“ gibt es nicht. Existiert – wie bei dem in der vorliegenden Sache eingesetzten Lasermessgerät „Riegl FG 21-P“ – keine von dem technischen Messsystem selbst hergestellte fotografisch-schriftliche Dokumentation des Messergebnisses, sind die Fragen nach dem vom Gerät angezeigten Messwert und nach der Zuordnung des Messergebnisses zu einem bestimmten Fahrzeug unter Heranziehung der hierfür im jeweiligen Einzelfall vorhandenen Beweismittel (z.B. Zeugenaussagen der beteiligten Polizeibeamten, Messprotokoll) nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 261 StPO) zu klären (vgl. Senat, VRS 92, 275; OLG Köln, Beschluss vom 5. Januar 2012 – III-1 RBs 365/11 – [zitiert nach www.burhoff.de]; vgl. allgemein auch BGHSt 23, 213). Ihre Grenze findet die freie Beweiswürdigung nur in der Pflicht zur erschöpfenden Sachaufklärung und in den Beweisverboten des Verfahrensrechts (BGH, a.a.O.).
a) Eine verfahrensrechtliche Vorschrift (Beweisverbot), die die Verwertung eines allein von einem Polizeibeamten – ohne Kontrolle durch einen weiteren Beamten – vom Anzeigefeld des Messgerätes abgelesenen und in das Messprotokoll eingetragenen Messwertes untersagt, existiert nicht. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass nicht einmal die in Nordrhein-Westfalen polizeiintern geltende Verwaltungsvorschrift „Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei Nordrhein-Westfalen“ (Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. Oktober 2009 [MBl NRW 2009, 502]) entsprechende Vorgaben enthält.
b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht existiert keine Regelung, die ein „Vier-Augen-Prinzip“ in dem von der Verteidigung geforderten Sinne beinhaltet. Eine entsprechende materiell-rechtliche Regelung käme einer Vorgabe gleich, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter eine Tatsache (hier die Höhe des von dem Messgerät angezeigten Messwertes) für bewiesen halten darf, und enthielte damit eine Beweisregel. Dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind Beweisregeln indes fremd (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. [2011], § 261 Rdnr. 11 m.w.N.). Die Frage, welchen Messwert das Messgerät angezeigt hat, betrifft vielmehr allein die tatrichterliche Beweiswürdigung im Einzelfall (vgl. OLG Köln, a.a.O.). In der vorliegenden Sache hat das Amtsgericht in den Gründen seines Urteils in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass es aufgrund der Angaben des Zeugen S und der Eintragungen im Messprotokoll davon überzeugt ist, dass das Messgerät im Falle des Betroffenen eine gemessene Geschwindigkeit von 87 km/h angezeigt hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.