Zum Inhalt der Entscheidung: 1. Die Rechtsbeschwerde kann auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden. Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde ist jedoch nur wirksam, wenn in der tatrichterlichen Entscheidung hinreichende Feststellungen für die vom Rechtsbeschwerdegericht zu treffende Entscheidung über die Rechtsfolgen getroffen werden.
2. Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid kann ebenfalls auf den Rechtsfolgenauspruch beschränkt werden. Eine zulässige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt voraus, dass ausreichende Feststellungen zum Schuldspruch getroffen worden sind. Bei Ordnungswidrigkeiten, die sowohl fahrlässig als auch vorsätzlich begangen werden können, ist dies aber nicht der Fall, wenn im Bußgeldbescheid die Schuldform weder festgestellt wurde, noch sich aus der Sachdarstellung ergibt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist obergerichtlich für den Fall anerkannt, dass die Verwaltungsbehörde die Regelsätze der Bußgeldkatalogverordnung als Ahndung angeordnet hat.
3. Allein der Wunsch des Betroffenen, schnellstmöglich zur bevorstehenden Geburt seiner Kinder ins Krankenhaus zu gelangen, um seiner Frau beizustehen, rechtfertigt nicht die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
4. Soll vom Regelfall der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden, so bedarf es wegen der grundsätzlich gebotenen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer einer besonders eingehenden und sorgfältigen Überprüfung der Einlassung eines Betroffenen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen und auch dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der richtigen Rechtsanwendung zu ermöglichen.
Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 19.08.2008
Aus den Gründen:
I.
Durch Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises S. vom 26. März 2007 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 105 km/h eine Geldbuße von 562,50 Euro und außerdem ein Fahrverbot für die Dauer von 3 Monaten angeordnet. Ergänzend war im Bußgeldbescheid bemerkt: „grob verkehrswidrig- einziges Fahrzeug auf der BAB – , linker Fahrtstreifen!!!“ Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 10. April 2007 Einspruch ein, den er auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkte.
Durch Urteil des Amtsgerichts Dorsten vom 17. April 2008 wurde gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 1000 Euro festgesetzt, von der Verhängung eines (Regel)Fahrverbotes jedoch abgesehen.
Im Urteil hat das Amtsgericht zur Begründung u.a. Folgendes ausgeführt:
“ (…) Er ist bislang wie folgt straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten:
1.) Mit Bußgeldbescheid vom 20.10.2004 setzte die Stadt H. wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h eine Geldbuße von 50,00 Euro fest; die Entscheidung ist seit dem 09.11.2004 rechtskräftig.
2.) Mit Bußgeldbescheid vom 06.12.2005 setzte die Stadt E. wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h eine Geldbuße von 60,00 Euro fest; die Entscheidung ist seit dem 28.12.2005 rechtskräftig.
3.) Mit Bußgeldbescheid vom 06.10.2006 setzte die Stadt F. wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h eine Geldbuße von 65,00 Euro fest; die Entscheidung ist seit dem 28.10.2006 rechtskräftig.
Am 26.02.2007 gegen 21:03 Uhr befuhr der Betroffene mit seinem Pkw, Fabrikat (…), amtliches Kennzeichen: (…), die BAB (…) in E. in Fahrtrichtung I. Bei Kilometer 10.764 überschritt er die aufgrund von Straßenschäden angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 105 km/h, die festgestellte Geschwindigkeit betrug nach Abzug der Toleranz 185 km/h.
Diese Feststellungen des Bußgeldbescheides des Kreises S vom 26.03.2007 griff der Betroffene mit seinem Einspruch, der sich allein gegen die Rechtsfolgen des Bußgeldbescheides richtete, nicht an.
Dem Betroffenen (gemeint ist: Der Betroffene) gab zu, dass ihm zur Tatzeit bewusst war, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritt. Der Betroffene hat damit vorsätzlichen ( gemeint ist: vorsätzlich) eine Ordnungswidrigkeit nach den §§ 41 Abs. 2 Nr. 7,49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 24, 25 Abs. 1 Satz 1 StVG begangen.
Der Bußgeldkatalog sieht hierfür einer Regelbuße in Höhe von 375,00 Euro und ein Fahrverbot von drei Monaten vor.
Wegen der Voreintragung des Betroffenen und weil der Betroffene zum Zeitpunkt der Messung den linken Fahrstreifen der Autobahn befuhr, obwohl sich kein weiterer Verkehrsteilnehmer im Streckenabschnitt befand, erhöhte die Bußgeldstelle die Regelbuße hinsichtlich des zu zahlenden Bußgeldes auf 562,50 Euro (…).“
Gegen das Urteil hat die örtliche Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde – beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch – eingelegt und das Rechtsmittel in zulässiger Weise mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde beigetreten. Sie beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Dorsten zurückzuverweisen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht Dorsten.
1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen vom 5. Mai 2008, eingegangen am selben Tag beim Amtsgericht Dorsten, ist fristgerecht gemäß § 341 StPO i. V.m. § 79 Abs. 3 S.1 OWiG eingelegt worden. Entgegen der Auffassung des Betroffenen in seiner Stellungnahme vom 5. August 2008 beginnt die Frist für die an der Hauptverhandlung nicht teilnehmende Staatsanwaltschaft mit der Zustellung des Urteils (Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79, Rn.30). Die Zustellung des Urteils erfolgte ausweislich der Akte am 28. April 2008. Ebenso bestehen keine Bedenken gegen die Einhaltung der Rechtsmittelbegründungsfrist gemäß § 345 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs.3 OWiG. Die Rechtsmittelbegründung der Staatsanwaltschaft Essen vom 6. Mai 2008 ging beim Amtsgericht Dorsten bereits am 9. Mai 2008 ein, mithin deutlich innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO.
2. Der Senat musste das angefochtene Urteil auch im Schuldspruch aufheben. Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam.
Zwar kann nach allgemeiner Meinung, die der aller Senate für Bußgeldsachen des OLG Hamm entspricht, die Rechtsbeschwerde ebenso wie die Revision auf abtrennbare Teile beschränkt werden (Göhler, a.a.O., § 79 OWiG Rn. 32 mit weiteren Nachweisen). Insoweit gelten die im Strafverfahren für die Beschränkung der Berufung oder Revision auf das Strafmaß geltenden Grundsätze entsprechend (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., 2008, § 318 StPO Rn. 16 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde ist danach nur wirksam, wenn in der tatrichterlichen Entscheidung hinreichende Feststellungen für die vom Rechtsbeschwerdegericht zu treffende Entscheidung über die Rechtsfolgen getroffen werden (Göhler, a. a. O., § 79, Rn. 32 mit weiteren Nachweisen).
Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Das Amtsgericht hat zur Tat keinerlei Feststellungen getroffen, sondern ist ausweislich des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises S vom 26. März 2007 ausgegangen.
Aufgrund der zulässigen Rechtsbeschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht auch ohne dahin gehende Rüge von Amts wegen zu prüfen, ob das Amtsgericht den seiner Beurteilung unterliegenden Sachverhalt in vollem Umfang überprüft hat, insbesondere ob der Gegenstand des amtsgerichtlichen Verfahrens durch eine Beschränkung des Einspruchs in dem Umfang begrenzt war, wie das Amtsgericht es angenommen hat.
Dieser im Strafverfahren geltende Grundsatz ( Meyer-Goßner StPO, 51. Aufl., § 352, Rn.4; KK-StPO, 6. Aufl. § 318, Rn.1) beansprucht für das Bußgeldverfahren gleichermaßen Geltung; denn es handelt sich letztlich um eine Frage der Rechtskraft, die auch im Bußgeldverfahren zu berücksichtigen ist ( BayObLG NZV 2000, 50).
Diese Prüfung ergibt, dass das Amtsgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist.
Zwar ist eine solche horizontale Beschränkung nach der Neufassung des § 67 Abs. 2 OWiG durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze vom 26. Januar 1998 grundsätzlich zulässig. Damit ist auch eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht (OLG Hamm, VRS 99, 220,221; KG NZV 2002, 466; BayObLG NStZ-RR 2000, 19, OLG Bamberg, NJW 2006, 627,628; OLG Rostock, NZV 2002, 137).
Bei den massenhaft anfallenden Bußgeldbescheiden in Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten fehlen aber in der Regel – wie auch hier – Angaben zur Schuldform, sodass eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nach diesen Grundsätzen nicht wirksam ist, denn eine zulässige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt voraus, dass ausreichende Feststellungen zum Schuldspruch getroffen worden sind (vgl. Göhler, § 67 Rn. 34e ff m.w.N.; MeyerGoßner, StPO 51. Auflage, § 318 Rn 16 m.N.).
Bei Ordnungswidrigkeiten, die – wie hier- sowohl fahrlässig als auch vorsätzlich begangen werden können, ist dies aber nicht der Fall, wenn im Bußgeldbescheid die Schuldform weder festgestellt wurde, noch sich aus der Sachdarstellung ergibt (KG, VRS 114, 48; MeyerGoßner, StPO 51. Auflage, § 318 Rn 16 m. N.).
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist obergerichtlich für den Fall anerkannt, dass die Verwaltungsbehörde die Regelsätze der Bußgeldkatalogverordnung als Ahndung angeordnet hat. Die Beträge des Bußgeldkatalogs, an denen die Behörde grundsätzlich gebunden ist, gehen von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus. Setzt die Verwaltungsbehörde für einen dem Katalog entsprechenden Tatbestand ohne Weiteres die dort vorgesehene Regelbuße fest, gibt sie zu erkennen, dass sie dem Betroffenen fahrlässiges Handeln zur Last legt ( KG VRS 114, 47; OLG Bamberg DAR 2006, 399; OLG Celle NZV 1999, 524; OLG Koblenz DAR 2004, 719; OLG Zweibrücken VRS 110, 292). Für diesen Fall hat auch der Bußgeldrichter von fahrlässiger Begehungsweise auszugehen und zu prüfen, welche Ahndung für das fahrlässige Verhalten tat- und schuldangemessen ist.
So verhält es sich aber vorliegend nicht. Der Bußgeldbescheid legt dem Betroffenen eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um mehr als 70 km/h zur Last. Nach der Bußgeldkatalogverordnung ist für einen solchen Verstoß im Regelfall eine Geldbuße in Höhe von 375,00 € und ein dreimonatiges Fahrverbot vorgesehen. Tatsächlich enthält der Bußgeldbescheid vom 26. März 2007 aber eine Geldbuße von 562,50 €. Die im Bußgeldbescheid verhängte Sanktion übersteigt den Regelsatz für eine derartige Ordnungswidrigkeit erheblich. Die Verhängung einer derartigen Geldbuße kommt, wenn das Gesetz wie hier ohne im Höchstmaß zu unterscheiden, für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln eine Geldbuße androht, nach § 17 Abs. 2 OWiG nur im Falle vorsätzlichen Handelns in Betracht. Der angefochtene Bußgeldbescheid enthält aber weder Angaben zur Schuldform, noch lässt sich sonst aus der Sachdarstellung ableiten, von welcher Schuldform der Landrat des Kreises S ausgegangen ist. Ob die Abweichung von der Regelbuße seitens der Verwaltungsbehörde wegen der Voreintragungen des Betroffenen oder des im Bußgeldbescheid aufgeführten „grob verkehrswidrigen Verhaltens“ oder aufgrund – hier naheliegenden- vorsätzlichen Fehlverhaltens vorgenommen wurde, ist dem Bußgeldbescheid nicht zu entnehmen und bleibt völlig offen. Allein der mögliche Rückschluss aus der Höhe der verhängten Geldbuße, die nur im Falle vorsätzlichen Handelns zulässig gewesen wäre, vermag anders als bei einer Anwendung des Bußgeldkataloges hier die fehlenden Ausführungen zu der angenommenen Schuldform nicht zu ersetzen. Denn es erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Geldbuße lediglich der Norm des § 17 Abs. 1 OWiG entnommen worden und die einschränkende Vorschrift des § 17 Abs. 2 StPO bei der Festsetzung übersehen worden ist. Für Letzteres spricht die Begründung des Urteils. Der Tatrichter hat insoweit ausgeführt, die Bußgeldbehörde habe „wegen der Voreintragung des Betroffenen und weil der Betroffene zum Zeitpunkt der Messung den linken Fahrstreifen der Autobahn befahren habe, die Regelbuße auf den Betrag von 562,50 Euro erhöht.“
Ein Umkehrschluss von der Höhe des Bußgeldes auf die Schuldform ist daher nicht möglich. Fehlen aber hinreichende Feststellungen zur Schuldform, ist die Beschränkung des Einspruches auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam (KG VRS 114, 48).
Aufgrund der unwirksamen Beschränkung des Einspruches auf den Rechtsfolgenausspruch und damit einhergehend fehlender eigener Feststellungen des Tatrichters zur vorgeworfenen Tat stellen die Urteilsgründe keine ausreichende Grundlage zur Überprüfung der Rechtsfolgen für das Rechtsbeschwerdegericht da.
Aufgrund dessen war auch von einer unwirksamen Beschränkung der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch auszugehen.
3. Auf die – damit als unbeschränkt geltende – Sachrüge der Staatsanwaltschaft Essen war das amtsgerichtliche Urteil insgesamt aufzuheben. Die vorliegenden dem Rechtsbeschwerdegericht unterbreiteten Urteilsgründe halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar unterliegen die Gründe des Urteils in Bußgeldsachen keinen hohen Anforderungen. Sie müssen jedoch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht ihnen zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen. Dabei kann die notwendige eigene Tatsachenfeststellung des Gerichts nicht (außer im Falle einer zulässigen Beschränkung des Einspruches auf den Rechtsfolgenausspruch oder im Falle der Rechtskraft des Urteils ) durch eine Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid ersetzt werden (vgl. OLG Düsseldorf wistra 90, 78; KG DAR 1988, 102; OLG Bremen NStZ 1996, 287; Göhler OWiG, 14. Aufl., § 71 Rn 42, 42b; K-K OWiG- Senge § 71 Rn 106 m. w. N.). Denn Grundlage der Sachentscheidung können nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nur die in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise und eingeführten Verhandlungsgegenstände sein. Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe, die sich ausdrücklich wegen der objektiven Tatumstände auf den Inhalt des Bußgeldbescheides beziehen, nicht. Denn aus ihnen ergibt sich, dass es sich bei den Feststellungen zur Tat ausschließlich um die Wiedergabe des Bußgeldbescheides, nicht aber um eigene Feststellungen des Gerichts nach durchgeführter Beweisaufnahme handelt.
Bereits aus diesem Grund war das angefochtene Urteil aufzuheben.
4. Der Senat teilt im Übrigen die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nach § 4 Abs. 4 BKatV nicht zu tragen vermögen.
aa. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kann einem Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter grober Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat und wegen der eine Geldbuße festgesetzt worden ist, für die Dauer von einem bis zu drei Monaten verboten werden, Kfz jeder oder einer bestimmten Art im Straßenverkehr zu führen. Eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV liegt i.d.R. vor, wenn der Tatbestand der Nr. 11.3 des BKat i.V.m. der Tabelle 1 c des Anhangs zum BKat verwirklicht wird. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 105 km/h ist ein dort erfasster Tatbestand, der bei Begehung der Tat außerhalb geschlossener Ortschaften wie im vorliegenden Fall neben einer Geldbuße von 375 Euro ein Fahrverbot von drei Monaten vorsieht. Die Erfüllung dieses Tatbestandes weist auf das Vorliegen eines groben Verstoßes i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG hin, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf. Ausnahmsweise kann von der Anordnung abgesehen werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Tat von den genannten Regelfällen zugunsten des Betroffenen unterscheidet und hierdurch die tatbestandsbezogene oder die rechtsfolgenbezogene Vermutung entkräftet wird. Hierfür hat der Tatrichter eine auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung zu geben, in der im Einzelnen darzulegen ist, welche (besonderen) Umstände es gerechtfertigt erscheinen lassen, von dem Regelfahrverbot abzusehen (vgl. OLG Karlsruhe VRS 98, 385 ff. m.w.N).
bb. Diesen Maßstäben genügt die Begründung im angefochtenen Urteil nicht.
1. Der Tatrichter hat insoweit in den Urteilsgründen Folgendes ausgeführt: „Der Betroffene ließ sich unwiderlegbar dahin gehend ein, dass er unmittelbar vor dem Fahrtantritt von seiner zu diesem Zeitpunkt mit Zwillingen im 8 Monat schwangeren Frau angerufen worden sei, die ihm mitteilte, sie habe starke Schmerzen, vermutlich hätten die Wehen -mehr als zwei Wochen vor dem errechneten Stichtag -eingesetzt.
Die Ehefrau des Betroffenen habe bereits mehrfach Fehlgeburten erlitten. Sie habe sich aus diesem Grund zu Beginn der Schwangerschaft für 6 Wochen in stationärer ärztlicher Behandlung befunden. Am Tattag selbst habe sich die Ehefrau des Betroffenen allein zu Hause befunden.
Der Betroffene habe sich daraufhin auf den Weg nach Hause gemacht, wobei ihm nach seinem Aufbruch in H ein zweiter Anruf seiner Ehefrau erreicht habe, mit dem diese ihm mitgeteilt habe, dass sich ihre Schmerzen deutlich verschlimmert hätten und sie einen Krankenwagen gerufen habe. Sie bat den Betroffenen, er möge bitte direkt zu ihr in das Krankenhaus kommen.
In Sorge um seine Frau und seine ungeborenen Kinder sei der Betroffene auf der weitestgehend freien Strecke dann mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren“.
Zutreffend geht das Amtsgericht noch davon aus, dass von einer groben Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs.1 s. 1 StVG in subjektiver Sicht nur ausgegangen werden kann, wenn sie auf besonders grobem Leichtsinn, grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit beruhen. Ein Regelfall grober Pflichtverletzung ist dann zu verneinen, wenn die gesamten Tatumstände so weit von dem typischen, vom Verordnungsgeber ins Auge gefassten Fall des Verkehrsverstoßes abweichen, dass die objektiv schwerwiegende Zuwiderhandlung nicht auch subjektiv in erhöhtem Maße vorwerfbar ist und eine grobe Pflichtverletzung deshalb im Ergebnis nicht festgestellt werden kann. Dies war aber vorliegend nicht der Fall. Anders als in der zur Begründung herangezogenen Entscheidung des OLG Karlsruhe (DAR 2002, 229), wusste der Betroffene aufgrund des zweiten Anrufs seiner Ehefrau, dass sich diese bereits auf dem Wege zum Krankenhaus befand und damit in ärztlicher Obhut. Bei der zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe hingegen ging der Betroffene davon aus, seine schwangere Ehefrau befände sich, in den Wehen liegend, hilflos zu Hause. Eine tatsächliche oder vermeintliche Notlage lag daher bereits nach der Einlassung des Betroffenen nicht vor. Allein der Wunsch schnellstmöglich zur bevorstehenden Geburt seiner Kinder ins Krankenhaus zu gelangen, um seiner Frau beizustehen, rechtfertigt nicht die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
2. Auch darf sich der Tatrichter nicht mit der bloßen Einlassung des Betroffenen zum Vorliegen einer „notstandsähnlichen Situation“ begnügen, sondern muss diese anhand sonstiger Beweismittel, etwa der Einvernahme der Ehefrau, des behandelnden Arztes oder einer Nachfrage beim Einwohnermeldeamt nach dem genauen zeitlichen Geburtstermin, überprüfen und kritisch hinterfragen. Soll nämlich vom Regelfall der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden, so bedarf es wegen der grundsätzlich gebotenen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer einer besonders eingehenden und sorgfältigen Überprüfung der Einlassung eines Betroffenen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen und auch dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der richtigen Rechtsanwendung zu ermöglichen ( OLG Rostock VRS 101, 380 ff.: Härtefall; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997,52 f.: notstandsähnliche Lage; vgl. allg. hierzu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, StVG, § 25
75 Rn. 26).
Das Urteil war daher insgesamt aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Dorsten zurückzuverweisen.