Zum Inhalt der Entscheidung: 1. Ladung i.S. des § 22 Abs. 1 StVO sind die nicht zur Fahrzeugausrüstung gehörenden Sachen, die zum Zweck der Beförderung auf, in oder an einem Fahrzeug untergebracht werden.
2. Eine in einem landwirtschaftlichen Fahrzeug mitgeführte Werkzeugkiste ist als Ladung i.S. der Vorschrift des § 22 Abs. 1 StVO anzusehen.
Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 03.02.2010
Tenor:
1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
2. Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Urteilsausspruch hinsichtlich der Gefährdung der Verkehrssicherheit entfällt und die gegen den Betroffenen im angefochtenen Urteil verhängte Geldbuße auf 70,- Euro herabgesetzt wird.
Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens. Die Gebühr für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird um 1/3 ermäßigt.
Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden zu 1/3 der Landeskasse auferlegt.
Aus den Gründen:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässig fehlerhaft gesicherter Ladung mit Gefährdung der Verkehrssicherheit gem. §§ 24 Abs. 2 StVG, 22 Abs. 1, 49 StVO zu einer Geldbuße von 100,- Euro verurteilt und folgende Feststellungen getroffen:
„Der Betroffene befuhr am 29.11.2008 um 15.00 Uhr im Bereich von (…) die Bundesautobahn A (…) in Fahrtrichtung (…). Er führte dabei eine landwirtschaftliche Zugmaschine mit Anhänger, amtl. Kennzeichen (…). Mit diesem Fahrzeug fiel er Polizeibeamten auf, die zunächst glaubten, der Betroffene dürfe mit dem Kraftfahrzeug die Autobahn nicht benutzen. Bei der anschließenden Kontrolle des Kraftfahrzeugs stellten die Polizeibeamten fest, dass der Betroffene im Fußraum des Kraftfahrzeugs neben den Pedalen für die Kupplung und die Bremse eine Werkzeugkiste aus Metall abgestellt hatte. Diese Werkzeugkiste hatte anhand des vorliegenden Beweisfotos eine geschätzte Länge von mehr als 50 cm, eine geschätzte Höhe von ca. 20 und eine geschätzte Breite von ca. 20 cm. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Werkzeugkiste wird auf das vorliegende Beweisfoto (Bl. 7 d.A.) gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen. In der Werkzeugkiste befanden sich verschiedene Werkzeuge, die für den Betrieb und eine Reparatur der landwirtschaftlichen Zugmaschine erforderlich waren. Die Werkzeugkiste stand lose im Fußraum. Nach vorne hin und zur rechten Seite hin in Richtung Pedale hatte sie allerdings Formschluss an der Innenverkleidung des Fußraums.
Die Polizeibeamten kamen zu der Auffassung, bei der Werkzeugkiste handele es sich um eine ungesicherte Ladung, die die Verkehrssicherheit gefährden konnte, und fertigten deshalb ein Beweisfoto (Bl. 7 d.A.). „
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner form- und fristgerecht angebrachten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung beantragt wird. Zu Begründung führt er im wesentlichen aus, das Amtsgericht habe die Werkzeugkiste zu Unrecht als Ladung i.S.v. § 22 StVO angesehen; es handele sich hierbei vielmehr um einen Ausrüstungs- bzw. Zubehörgegenstand, dessen Verstauung im übrigen zu keiner Gefährdung geführt habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechts-beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
1.
Dem hier nach § 80 Abs. 2 Nr.1 OWiG zu überprüfenden Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zu entsprechen, das dies zur Fortbildung des Rechts geboten ist.
2.
Die Sache war nach gleicher Maßgabe gem. § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen.
Die Frage, ob eine dem befördernden Fahrzeug dienende mit Werkzeug befüllte Werkzeugkiste als Ladung i.S.d. § 22 Abs. 1 StVO anzusehen ist, ist entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig. Insbesondere liegt, soweit ersichtlich, bislang keine obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vor, wie ein derartiges Gut anzusehen ist.
3.
Der somit zulässigen Rechtsbeschwerde bleibt indes – mit Ausnahme der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgaben – der Erfolg versagt.
Die auf die allein ausgeführte Sachrüge hin gebotene Prüfung deckt einen darüberhinausgehenden materiell-rechtlichen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht auf.
Die hier mitgeführte Werkzeugkiste ist – wie das Amtsgericht zutreffend dargelegt hat – als Ladung i.S. der Vorschrift des § 22 Abs. 1 StVO anzusehen.
Gemäß § 22 Abs. 1 StVO sind die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungs-sicherung sowie Ladeeinrichtungen so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können.
Eine eigentliche inhaltliche Bestimmung, was unter dem Begriff Ladung zu verstehen ist, enthält die Vorschrift nicht.
Auch der Blick in die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 22 StVO, wo es unter III. heißt: “ Es ist vor allem verboten, Kanister oder Blechbehälter ungesichert auf der Ladefläche zu befördern.“, trägt zur begrifflichen Klärung nicht bei.
Ausgehend vom Beförderungszweck (BayObLG, NZV 1999, S. 479) lässt sich weitestgehend dahingehend Einigkeit erzielen, dass zur Ladung i.S. von § 22
Abs. 1 StVO alle in oder an einem Fahrzeug untergebrachten und beförderten Sachen zählen, die nicht zur Fahrzeugausrüstung gehören (vgl. BayObLG, a.a.O.,
S. 479; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, StVO § 22 StVO, Rdn. 14; Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. 2008, StVO § 22, Rdn. 2; Krumm, NVZ 2008, S. 335; Hillmann, ZfS 2003, S. 387). Inwieweit und nach welchen Maßgaben einzelne Gegenstände wie Werkzeug oder Werkzeugkisten hiernach einzuordnen sind, wird weder einheitlich betrachtet noch im Zuordnungsfall begründet (vgl. Hentschel/König/Dauer, a.a.O., StVO § 22, Rdn. 14; Hillmann, a.a.O., S. 387).
Der Senat folgt der vorherrschenden Meinung, wonach zur Ladung i.S. des § 22 Abs. 1 StVO die nicht zur Fahrzeugausrüstung gehörenden Sachen zählen, die zum Zweck der Beförderung auf, in oder an einem Fahrzeug untergebracht werden. Dabei sind nicht mehr Ladungsteil, sondern Ausstattungsteil die Sachen, die charakterisierend für das jeweilige Fahrzeug sind, womit Ladung zugleich der zu transportierende Gegenstand in seinem konkreten Zustand zum Zeitpunkt des Ladevorgangs und Transportes ist (vgl. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl. 2009, Rdn. 1915).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die hier betroffene Werkzeugkiste weder als Ausrüstungsgegenstand noch als zur Ausstattung gehörendes Zubehör anzusehen.
Die Abgrenzung zur Fahrzeugausrüstung in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht ist zunächst anhand der einzelnen Vorschriften für Bauart und Ausrüstung in §§ 32 – 67 StVZO zu treffen, die als Mindestbestimmungen Auskunft über den verkehrssicheren Zustand des Fahrzeugs geben (vgl. hierzu KG Berlin, Beschl. v. 17.02.2007 – 2 Ss 309/96 – 3 Ws (B) 30/97- juris).
Aus der Heranziehung dieser Vorschriften ergibt sich keine Zugehörigkeit der Werkzeugkiste zur Ausrüstung der landwirtschaftlichen Zugmaschine im Sinne eines bau- oder betriebstechnisch notwendigen Gegenstandes. Insbesondere zählt sie auch nicht zu den in § 42 Abs. 3 StVZO genannten Ausrüstungsteilen wie z.B. Ersatzräder, Feuerlöscher, Wagenheber u.ä..
Eine darüber hinausgehende Zuordnung etwa unter Gesichtspunkten der Nützlichkeit oder Vorsorglichkeit ist in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht veranlasst.
Auch als Ausstattungsmerkmal lässt sich die Werkzeugkiste nicht definieren, da sie nicht als charakterisierend für die landwirtschaftliche Zugmaschine anzusehen ist. Unabhängig davon stellte sich zudem die Frage – worauf das Amtsgericht in den späteren Urteilsausführungen zu Recht abgestellt hat – ob selbst bei Zugehörigkeit der Werkzeugkiste zur Ausstattung nicht gleichwohl maßgeblich der konkrete Zustand und der konkrete Aufbewahrungsort des transportierten Gegenstandes im Beförderungszeitpunkt wäre.
Das Amtsgericht hat die Werkzeugkiste entsprechend rechtsfehlerfrei als Ladung i.S. von § 22 Abs. 1 StVO ansehen dürfen.
Diese war hier auch nicht in genügender Weise nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 StVO verstaut und gesichert.
Die mit einer fahrlässig unzureichenden Ladungssicherung zusammenhängenden Fragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur hinreichend geklärt. Die Bestimmung der nach § 22 Abs. 1 StVO zu treffenden Sicherungsmaßnahmen hängt naturgemäß von der Art der Ladung und des verwendeten Transportmittels ab und ist daher nur im Einzelfall möglich. Nach der Vorstellung des Verordnungsgebers setzt eine sachgerechte Sicherung der Ladung ihr Verstauen nach den in der Praxis anerkannten Regeln des Speditions- und Fuhrbetriebes voraus. Insoweit stellen nach allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung die gegenwärtig anerkannten technischen Beladungsregeln der VDI-Richtlinie 2700 „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen“ allgemein zu beachtende Grundregeln dar. Diese sind allerdings nicht schematisch anzuwenden, sondern unterliegen als „objektiviertes Sachverständigengutachten“ der richterlichen Nachprüfung, erforderlichenfalls unter Anhörung eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung (OLG Hamm, Beschlüsse v. 06.08.2009 – 2 Ss OWi 590/09 und 01.07.2008 – 2 Ss OWi 494/08 – juris; OLG Düsseldorf, NZV 1990, S. 323).
Eines Rückgriffs auf die vorgenannte Richtlinie bedarf es hier indes nicht.
Die lose im Fußraum nahe der Pedale befindliche Werkzeugkiste konnte – wie vom Amtsgericht zutreffend näher ausführt – bei Kurvenfahrten oder dem Befahren unebener Straßenabschnitte sowohl seitlich verrutschen als auch nach oben gestoßen werden. Dass etwa das Gewicht der Kiste dies verhindert haben könnte, ist weder vorgebracht noch ersichtlich. Eine nicht vorgesehene Beförderung der losen und nicht zu allen Seiten formgeschlossenen Kiste im Fußraum bedeutet in Ansehung des Charakters der Vorschrift als abstrakter Gefährdungstatbestand ein offensichtlich unzureichendes Verstauen und Sichern.
Im Rechtsfolgenausspruch hingegen weisen das Urteil und die hierauf gegründete Geldbuße einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen insoweit auf, als die
Verurteilung wegen fahrlässig fehlerhaft gesicherter Ladung zugleich mit Gefährdung der Verkehrssicherheit erfolgte.
Eine hier nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 StVO denkbare und konkrete Gefahr muss im Urteil nachprüfungsfähig festgestellt werden (vgl. Hentschel/König/Dauer, a.a.O., StVO § 1, Rdn. 39), wobei § 1 Abs. 2 StVO als konkretes Erfolgsdelikt im Falle des Erfolgseintritts in Idealkonkurrenz zu § 22 Abs. 1 StVO tritt (OLG Düsseldorf, NZV 1992, S. 494; Jagow/Burmann/Heß, a.a.O., StVO § 1 Rdn. 74).
Derartige Feststellungen lässt das tatrichterliche Urteil vermissen.
Der Senat konnte indes eine eigene Sachentscheidung gem. § 79 Abs. 6 OWiG treffen, da es weiterer Feststellungen zur Bemessung der Geldbuße nicht bedurfte.
Unter Heranziehung des Regelsatzes i.H.v. 35,- Euro für die Zuwiderhandlung nach Ziff. 102.2 der Bußgeldkatalogverordnung rechtfertigt sich auf der Grundlage der tatrichterlichen Urteilsfeststellungen angesichts der zahlreichen Vorbelastungen des Betroffenen eine deutliche Erhöhung auf einen nach Abwägung aller Umstände angemessenen Betrag i.H.v. 70,- Euro.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1, 4 StPO.