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Stufenprofil-Fehlmessungen bei Lasermessgeräten: Risiken, Auswirkungen und juristische Relevanz

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Die Stufenprofil-Fehlmessung stellt eine besondere Fehlerquelle bei laserbasierten Geschwindigkeitsmesssystemen dar und hat in den letzten Jahren zunehmend Bedeutung in der Rechtsprechung erlangt. Sowohl das Leivtec XV3 als auch andere Systeme wie das PoliScan Speed werden hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit auf solche Fehlmessungen untersucht.

Was ist eine Stufenprofil-Fehlmessung?

Bei einer Stufenprofil-Fehlmessung trifft der ausgesandte Laserstrahl in kurzer Abfolge auf verschiedene Fahrzeugteile, die sich auf unterschiedlichen Ebenen befinden. Dies kann durch geringe Erschütterungen oder eine veränderte Ausrichtung des Messgeräts verursacht werden. Die Folge ist eine ungenaue Geschwindigkeitsberechnung, da die gemessene Distanz fehlerhaft bestimmt wird.

Dabei unterscheidet man zwei Effekte:

  • Abgleiteffekt: Der Laserstrahl gleitet über schräge Flächen wie Motorhaube oder Windschutzscheibe. Dies führt zu einer scheinbar kürzeren Strecke und somit zu einer zu hohen Geschwindigkeit.
  • Stufeneffekt: Der Laser springt plötzlich zwischen zwei unterschiedlichen Ebenen der Fahrzeugkarosserie, was ebenfalls zu Messfehlern führt.

Leivtec XV3: Keine Standardisierung mehr

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat in einem Beschluss vom 12.08.2021 entschieden, dass das Leivtec XV3 derzeit nicht mehr als standardisiertes Messverfahren angesehen werden kann. Damit fehlt diesem Messgerät die rechtliche Grundlage für eine automatische Beweisführung, wie sie für standardisierte Verfahren gilt. Ursache sind unzulässige Messwertabweichungen, die insbesondere durch Stufenprofil-Effekte entstehen.

Die Entscheidung reiht sich ein in eine Serie ähnlicher Urteile anderer Obergerichte, was eine klare Tendenz in der deutschen Rechtsprechung zeigt: Ohne hinreichende technische Zuverlässigkeit verliert ein Messsystem seinen Beweiswert.

PoliScan Speed: Empfindlichkeit wissenschaftlich untersucht

Das PoliScan Speed der Firma Vitronic ist ein LIDAR-basiertes Geschwindigkeitsmesssystem, das durch eine Vielzahl von Einzelmessungen die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs bestimmt. Zur Klärung der Frage, ob dieses System für Stufenprofil-Fehlmessungen anfällig ist, wurde eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt (hierzu: PTB-Mitteilungen 129 (2019), Heft 2)

Die Untersuchung wurde vom Lehrstuhl für Ergonomie der Technischen Universität München unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Bengler durchgeführt. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie sich die Mensch-Maschine-Interaktion und Aufstellparameter auf das Messergebnis auswirken. In verschiedenen Versuchsreihen wurde das PoliScan Speed mit unterschiedlichen Neigungswinkeln und Aufstellhöhen betrieben, um gezielt den Abgleiteffekt zu provozieren.

Dabei zeigte sich, dass insbesondere Fahrzeuge mit stark geneigter Front (z. B. Vans) theoretisch anfälliger für den Abgleiteffekt sind, während Fahrzeuge mit vertikaler Frontfläche (z. B. Lkw) weniger betroffen sind. Dennoch blieben alle gemessenen Abweichungen zwischen den Messwerten des PoliScan Speed und den PTB-Referenzwerten innerhalb der zulässigen Verkehrsfehlergrenzen (3 km/h bis 100 km/h bzw. 3 % darüber).

Wichtig ist: Anders als beim Leivtec XV3 verarbeitet das PoliScan Speed nicht nur zwei Einzelmesspunkte, sondern mehrere hundert Einzelmesswerte, die mittels Regressionsanalyse zu einem virtuellen Objektmodell zusammengeführt werden. Dieses Verfahren reduziert die Auswirkungen einzelner Abweichungen und macht das System robuster gegenüber Stufeneffekten.

Ergebnis der Studie: Unter Einhaltung der Gebrauchsanweisung und bei sachgerechtem Aufbau ist das PoliScan Speed nicht empfindlich für Stufenprofil-Fehlmessungen. Eine systematische Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen konnte nicht festgestellt werden.

Bedeutung für Bußgeldverfahren

Für die juristische Bewertung von Geschwindigkeitsverstoßen ist entscheidend, ob ein Messverfahren standardisiert ist. Bei Geräten wie dem Leivtec XV3 ist dies aktuell nicht gegeben, weshalb Betroffene gute Erfolgsaussichten haben, gegen entsprechende Bußgeldbescheide vorzugehen. Bei PoliScan Speed hingegen gilt weiterhin die Standardisierung, sofern die Gebrauchsanweisung beachtet wurde.

Handlungsempfehlung für Betroffene

  • Messprotokolle anfordern und prüfen lassen
  • Gutachterliche Überprüfung der Messung in Erwägung ziehen

Die Stufenprofil-Fehlmessung ist ein relevanter technischer Fehlermechanismus bei laserbasierten Messsystemen. Während das Leivtec XV3 derzeit rechtlich nicht mehr als zuverlässig gilt, zeigt das PoliScan Speed unter normgerechtem Einsatz eine hohe Robustheit. Für Betroffene von Geschwindigkeitsüberschreitungen lohnt sich eine genaue Prüfung der Messung, insbesondere wenn das verwendete Gerät bekannten Fehlerquellen ausgesetzt ist.


Rechtsprechung:

  • BayObLG – Beschluss vom 12.08.21: Bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät „Leivtec XV3“ kann jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) von einem die Anerkennung als „standardisiertes Messverfahren“ rechtfertigenden vereinheitlichten (technischen) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind, ausgegangen werden