1. Beschreibung und Funktionsweise
Das Messsystem Poliscan Speed wird von der Firma Vitronic Dr.-Ing Stein Bildverarbeitungssysteme GmbH vertrieben. Es handelt sich um ein Lasermesssystem mit LIDAR (Light Detection and Ranging). Das Gerät sendet Lichtimpulse im Infrarotbereich aus, und zwar 158 Strahlen mit einer Wiederholrate von 100 pro Sekunde. Der Erfassungsbereich liegt zwischen 10 und 75 Metern vor dem Gerät. Wenn ein Fahrzeug in den Messstrahl hineinfährt, startet eine Laser-Puls-Laufzeit-Messung.
Das Gerät kann mehrere Fahrspuren überwachen. Es kann in ein Messfahrzeug eingebaut oder auf einem Stativ verwendet werden. Es kann ebenfalls als stationäres Gerät verwendet werden, hierbei wird es in eine Messsäule integriert. Es kann auch in einem Anhänger, dem sogenannten Enforcement Trailer, eingesetzt werden. Der Anhänger ermöglicht es, das Messsystem flexibel an verschiedenen Standorten einzusetzen, ohne dass eine permanente Installation oder ein Messfahrzeug benötigt wird.
Das Gerät arbeitet nach der Inbetriebnahme automatisch. Es werden Messfotos erstellt, die zusammen mit den Messdaten digital dokumentiert und elektronisch verschlüsselt werden. Hierdurch soll das Risiko von Manipulationen ausgeschlossen werden.
2. Standardisiertes Messverfahren
Messungen mit dem Gerät Poliscan Speed wurden von den meisten Gerichten als standardisiertes Messverfahren anerkannt. Dies gilt jedoch nur, wenn die Messbeamten die Voraussetzungen einer standardisierten Messung einhalten, das heißt für Messungen mit dem Poliscan Speed
- Das Gerät muss zum Zeitpunkt der Messung ordnungsgemäß geeicht sein,
- es muss entsprechend der Bauartzulassung der PTB und
- entsprechend der Bedienungsanleitung des Herstellers verwendet werden.
Die Messwertbildung wird durch das Messgerät selbst überprüft. Wenn das Gerät Unregelmäßigkeiten feststellt, verwirft es die Messung automatisch, ohne das Problem zu speichern oder sonst zu dokumentieren. Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit und der korrekten Bedienung des Messgeräts wäre es aber hilfreich, wenn auch die Fehlmessungen gespeichert und dokumentiert würden.
Die interne Messwertbildung und -zuordnung kann auch mithilfe von Sachverständigen kaum überprüft werden, weil der Hersteller die internen Vorgänge nicht ausreichend offenlegt.
In seinem Beschluss vom 29.07.14 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Überprüfung einer Poliscan-Messung mithilfe des sogenannten Smear-Effekts als grundsätzlich möglich angesehen, den Betroffenen im konkreten Fall jedoch freigesprochen, weil die erforderlichen Daten nicht verfügbar waren.
3. Rohmessdaten
Das Messgerät ermittelt über die Laufzeit der Laserimpulse eine Liste von
Positionswerten für diese rückreflektierenden Punkte, zusammen mit den zugehörigen Zeitstempeln.
Die Werte dieser Liste sind die sogenannten „Rohmessdaten“ oder „Rohmesswerte. Die Rohmessdaten sind die ursprünglichen, unverarbeiteten Daten, die das Messgerät während des Messvorgangs aufzeichnet. Diese Rohdaten bilden die Grundlage für die Berechnung der Geschwindigkeit und sind entscheidend, um die Messgenauigkeit und die Zuordnung der Messung zu einem bestimmten Fahrzeug zu überprüfen.
Auch die Rohmessdaten werden von dem Messgerät nicht gespeichert, sondern nach erfolgter Messung gelöscht. Die fehlende Verfügbarkeit der Rohmessdaten war in der Vergangenheit Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen (s. Rechtsprechung zu Poliscan Speed). Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich damit befasst.
4. Bedeutung des Auswerterahmens
Das Poliscan Speed misst die mittlere Geschwindigkeit eines Fahrzeugs innerhalb einer maximal 30 Meter langen Strecke. Die Messstrecke ist auf dem Messfoto größtenteils nicht abgebildet, das Foto wird erst nach der Messung ausgelöst. Dabei geht das Gerät davon aus, dass die gemessene Geschwindigkeit und Fahrtrichtung bis zur Erstellung des Fotos gleich bleibt. Um auszuschließen, dass auf dem Foto ein anderes als das gemessene Fahrzeug abgelichtet wird, ist auf dem Messfoto ein sogenannter Auswerterahmen zu sehen. Es handelt sich dabei um ein aus weißen Linien bestehendes Viereck, das einen Bildausschnitt kennzeichnet. Die Messung ist nur verwertbar, wenn der Auswerterahmen korrekt aufliegt. Dies ist der Fall, wenn
- sich keine weiteren Fahrzeuge innerhalb des Auswerterahmens befinden,
- die untere Begrenzung des Auswerterahmens sich unterhalb der Vorderräder des gemessenen Fahrzeugs befinden, und
- entweder ein Teil des Kennzeichens oder mindestens ein Vorderrad sich innerhalb des Rahmens befinden.
Das Messfoto mit dem Auswerterahmen befindet sich im Normalfall in der Bußgeldakte. Um das Messfoto zu überprüfen, sollte daher durch den Verteidiger Akteneinsicht genommen oder das Messfoto von der Bußgeldbehörde angefordert werden.
Der Auswerterahmen soll einer tatsächlichen Höhe von einem Meter und mindestens einer Breite von 40 cm entsprechen.
5. 50-20 Problem
Ein spezifisches Problem des PoliScan Speed ist das sogenannte 50-20-Problem. Dabei handelt es sich um eine Unstimmigkeit zwischen dem in der Bauartzulassung angegebenen Messbereich und dem tatsächlichen Bereich, in dem Messungen durchgeführt werden. Bei mehreren Verfahren stellte sich heraus, dass Messungen außerhalb des zugelassenen Bereichs durchgeführt wurden. Trotz dieser Problematik wird das Verfahren in der Rechtsprechung weiterhin als standardisiertes Messverfahren betrachtet, solange die Messbeamten die Anweisungen des Herstellers befolgen.
Rechtsprechung zum Messgerät Poliscan Speed