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VG Aachen – Urteil vom 22.04.08

Zum Inhalt der Entscheidung: 1. Lehnt der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Aufklärung eines Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

2. Für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage und für die Einstufung der Schwere eines Verkehrsverstoßes ist auf das Punktesystem in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zurückzugreifen. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ist schon bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes gerechtfertigt. Dabei kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, wie etwa die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes nicht an.

 

Verwaltungsgericht Aachen

Urteil vom 22.04.2008

2 K 691/06

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer von dem Beklagten angeordneten Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches als Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen (…).

Am 15. Juli 2005 um 15.25 Uhr wurde mit dem von dem Kläger gehaltenen Fahrzeug auf der Bundesautobahn (BAB) 44 in Fahrtrichtung N. (linke Fahrspur, KM 91,45) gemäß der Aufzeichnung einer Geschwindigkeitsmessanlage eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen durch Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 25 km/h (nach Abzug des Toleranzwertes – gemessene Geschwindigkeit: 129 km/h). Das zugleich gefertigte Messfoto zeigt eine männliche Person mit Brille als Fahrzeugführer.

Das Ordnungsamt der Stadt E. leitete ein Bußgeldverfahren ein und übersandte dem Kläger unter dem 2. August 2005 einen Anhörungsbogen. Unter dem 5. August 2005 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers und beantragte Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 16. August 2008 wandte sich das Ordnungsamt der Stadt E. an das Ordnungsamt der Stadt H. und bat unter Beifügung des zur Tatzeit aufgenommenen Fotos und unter Hinweis auf die am 2. November 2005 eintretende Verfolgungsverjährung um Nachforschungen zu dem Fahrer bei dem Kläger als Fahrzeughalter, da dieser den Fahrer nicht benannt habe. Zugleich forderte das Ordnungsamt E. eine Passbildkopie des Klägers bei dem Einwohnermeldeamt der Stadt H. an. Das Ordnungsamt der Stadt H. sandte die Unterlagen unter dem 22. August 2008 wieder zurück. Eine Fahrerermittlung sei anhand des Fotos nicht zweifelsfrei möglich (fehlender Haaransatz durch Sonnenblende, äußerst schlecht Bildqualität) und eine Ermittlung durch den Außendienst sei auf Grund des unverhältnismäßigen Aufwandes und mangelnder personeller Ausstattung nicht möglich. Nachdem dem Prozessbevollmächtigen die Bußgeldakte zur Einsicht übersandt worden war, teilte der Kläger mit Schreiben vom 14. September 2009 mit, dass er den Vorfall in Abrede stelle. Das Bußgeldverfahren wurde im Oktober 2005 eingestellt.

Das Ordnungsamt der Stadt E. übersandte dem Beklagten unter dem 18. Oktober 2005 den Vorgang zur Prüfung, ob die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage in Betracht komme. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei trotz Ergreifens aller angemessenen Maßnahmen nicht möglich gewesen. Im Rahmen seiner Anhörung zur beabsichtigten Anordnung einer Fahrtenbuchauflage führte der Kläger aus, dass die Voraussetzungen des § 31 a StVZO nicht vorlägen. Der Vorfall sei in Abrede gestellt worden und ein Zuwiderhandeln nicht nachgewiesen worden. Es seien keine ausreichenden Ermittlungen durchgeführt worden. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage sei nicht verhältnismäßig. Es habe sich um einen einmaligen und nicht sehr wesentlichen Verstoß gehandelt, der sich nicht verkehrsgefährdend ausgewirkt habe und keinen Rückschluss auf die Unzuverlässigkeit zulasse.

Mit Ordnungsverfügung vom 22. November 2005 legte der Beklagte dem Kläger die Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuches für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen (…) sowie für ein anderes ersatzweise angeschafftes Kraftfahrzeug und für die Dauer eines halben Jahres auf. Der Kläger habe im Bußgeldverfahren den verantwortlichen Fahrzeugführer nicht benannt und dieser habe auch nicht durch die ermittelnde Behörde namhaft gemacht werden können. Dem vorliegenden Messprotokoll und Messfoto sei unstreitig zu entnehmen, dass eine Verkehrsordnungswidrigkeit mit dem Fahrzeug begangen worden sei. Auch eine erstmalige unaufgeklärte Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h sei als so gewichtig einzustufen, dass sie auch ohne zusätzlich Umstände die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches rechtfertige. Auch die durchgeführten Ermittlungen seien durch Übersendung des Anhörungsbogens, Gewährung von Akteneinsicht, Anforderung des Passfotos in ausreichendem Umfang geführt worden. Nach der herrschenden Rechtsprechung dürften die Anforderungen an das Verwaltungshandeln nicht überspannt werden. Den Ermittlungsbehörden sei es nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietenden Ermittlungen zu betreiben, wenn der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Aufklärung erkennbar ablehne.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung L. mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2006 – zugegangen am 22. März 2006 – zurück. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit könnten sich dabei an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Es sei grundsätzlich Sache des Halters, Angaben zu der Person des Fahrers in dem fraglichen Zeitpunkt zu machen. Tut er dies nicht, komme es auf ein etwaiges Ermittlungsdefizit nicht an. Die behördliche Ermittlungstätigkeit sei auch nicht unangemessen, weil dem Kläger erst nach ca. 2 1/2 Wochen nach der Tatbegehung der Anhörungsbogen übersandt worden sei. Die geringfügige Überschreitung der Zweiwochenfrist sei nicht ursächlich für die unterbliebene Feststellung des Fahrers gewesen. Der Kläger habe den Anhörungsbogen gar nicht zurückgesandt. Vielmehr hätten dem Kläger Anhaltspunkte zur Identifizierung des Fahrers mit der Übersendung des Lichtbildes, der genannten Tatzeit und -ort zur Verfügung gestanden. Der Kläger hätte zumindestens Personen benennen können, die den Pkw benutzt haben und als Täter in Betracht gekommen wären. Er – der Kläger – habe jedoch keine Mitwirkungsbereitschaft erkennen lassen. Es sei daher davon auszugehen, dass er zu einer Mitwirkung an der Aufklärung nicht bereit gewesen sei. In einem derartigen Fall seien weitere behördliche Ermittlungen nicht erforderlich. Ein Ermittlungsdefizit sei nicht ersichtlich. Die Fahrtenbuchauflage sei keine unzulässige Bestrafung für eine fehlende Mitwirkung, sondern eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. Die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs sei auch bei einem erstmaligen Verstoß nicht unverhältnismäßig. Schon mit einem Punkt zu bewertendende Verkehrsordnungswidrigkeiten rechtfertigten regelmäßig eine Fahrtenbuchauflage bereits bei erstmaliger Feststellung. Bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h stelle eine so erhebliche Verkehrsübertretung dar, dass eine Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geboten sei, selbst wenn keine konkrete Gefährdung eingetreten sei. Das Führen eines Fahrtenbuches stelle zudem keine allzu schwerwiegende Belastung dar. Auf eine konkrete Wiederholungsgefahr komme es nicht an.

Der Kläger hat am 13. April 2006 Klage erhoben und trägt vor, dass sich die Identität des Fahrzeugführers und des Fahrzeughalters bereits aus dem von der Stadt H. übermittelten Lichtbild des Passes ergeben habe. Die Einstellung des Bußgeldverfahrens sei daher nicht nachvollziehbar. Auch seien örtliche Ermittlungen ohne weiteres möglich gewesen. Dabei hätte sich mit Sicherheit herausgestellt, dass Fahrzeughalter und -führer vorliegend identisch seien. Eine fehlende Mitwirkung könne ihm nicht vorgeworfen werden, da er sich im Bußgeldverfahren zu Recht auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen habe. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, selbst Angaben zu dem Fahrzeugführer zu machen. Schließlich sei die Verhängung der Fahrtenbuchauflage unverhältnismäßig. Zunächst hätte diese Maßnahme – wie sonst üblich – angedroht werden müssen. Er sei ferner mit keinem Punkt im Verkehrszentralregister belastet.

Der Kläger beantragt,

die Ordnungsverfügung des Beklagten über die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches vom 22. November 2005 in der Form des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 15. März 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.

 

Aus den Entscheidungsgründen

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtene Ordnungsverfügung des Beklagten vom 22. November 2005 und der Widerspruchsbescheid des Bezirksregierung L. vom 15. März 2006 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Rechtsgrundlage für die angeordnete Fahrtenbuchauflage ist § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 31 a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt:

Mit dem hier in Rede stehenden und von dem Kläger gehaltenen Fahrzeug wurde am 15. Juli 2005 gegen die Verkehrsvorschrift des § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO i.V.m. Zeichen 274 verstoßen durch Überschreitung der in dem Bereich der BAB 44 in Fahrtrichtung N. – KM 91,45 – Bundesautobahn geltenden Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 25 km/h (toleranzbereinigt). Dies ergibt sich aus den in der Verwaltungsakte enthaltenen Aufzeichnungen und Angaben der Geschwindigkeitsmessanlage. Anhaltspunkte dafür, dass die angezeigte Geschwindigkeitsübertretung nicht erfolgt ist oder durch ein anderes Fahrzeug begangen worden sein könnte, bestehen nicht. Soweit der Kläger den Vorfall pauschal in Abrede stellt, ist dies nicht ausreichend. Bestreitet der Halter eines Fahrzeugs, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß als solchen, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens im Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben, die sein Vorbringen plausibel erscheinen lassen, darlegen, (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 9. Mai 2006 – 8 A 3429/04 -, juris und Urteil vom 31. März 1995 – 25 A 2798/93 -, NJW 1995, 3335.)

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger hat sich insoweit darauf beschränkt, den Vorfall in Abrede zu stellen.

Die Feststellung des Fahrzeugführers war ferner im Anschluss an diese Zuwiderhandlung nicht binnen der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG i.V.m. §§ 31 ff OWiG) möglich. Die Feststellung des Fahrzeugführers i.S. des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den angemessenen Maßnahmen gehört grundsätzlich auch, dass der Halter möglichst umgehend (im Regelfall innerhalb von zwei Wochen) von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verspätete Anhörung schließt eine Fahrtenbuchauflage allerdings dann nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist, (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Oktober 1978 – 7 C 77/74 -, DÖV 1979, 408 (410); Beschlüsse vom 25. Juni 1987 – 7 B 139/87 -, DAR 1987, 393 und vom 23. Dezember 1996 – 11 B 84/96 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 -, DAR 2006, 172.)

Davon ist insbesondere in Fällen auszugehen, in denen nach den gegebenen Umständen erkennbar ist, dass auch eine frühere Ermittlung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Halter des Fahrzeugs ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist es Sache des Fahrzeughalters, zur Aufklärung eines mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes soweit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert, (vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. April 1999 – 8 A 699/97 -, NJW 1999, 3279 und vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 -, a.a.O. sowie Beschlüsse vom 10. Dezember 2007 – 8 B 1748/07 – S. 3. und 11. Januar 2008 – 8 B 1932/07 -.)

Lehnt der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben, (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 1978 – 7 C 77/74 -, DÖV 1979, 408 und 17. Dezember 1982 – 7 C 3/80 -, BayVBl. 1983, 310 sowie Beschlüsse vom 21. Oktober 1987 – 7 B 162/87 -, NJW 1988, 1104 und vom 9. Dezember 1993 – 11 B 113/93 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 -, a.a.O. und Beschluss vom 15. März 2007 – 8 B 2746/06 -, juris.)

Nach diesen Maßstäben ist ein Ermittlungsdefizit der Behörde, dass für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers ursächlich gewesen ist, nicht ersichtlich, auch wenn dem Kläger der Anhörungsbogen erst unter dem 2. August 2005 übersandt worden ist. Der Kläger hat durch sein Verhalten im Ermittlungsverfahren zu erkennen gegeben, dass er nicht zu einer Mitwirkung an der Aufklärung der Verkehrsordnungswidrigkeit bereit gewesen ist. Er hat weder nach Erhalt des Anhörungsbogens noch nach erfolgter Akteneinsicht Angaben zu dem Täter bzw. Fahrer gemacht, obwohl er im vorliegenden Verfahren nunmehr eingeräumt hat, selbst der auf dem Messfoto abgebildete Fahrer zu sein. Im Bußgeldverfahren hat er jedoch lediglich den Vorfall in Abrede gestellt.

Dem steht nicht entgegen, dass sich der Kläger im Rahmen des eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahrens auf sein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht stützen konnte. Die Rechte des betroffenen Fahrzeughalters, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen und in den gesetzlich vorgesehenen Fällen das Zeugnis verweigern zu können, bleiben gewahrt. Die Fahrtenbuchauflage stellt keine Sanktionierung dieses prozessualen Rechts dar. Ihr Zweck besteht allein darin, die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr zu gewährleisten und sicherzustellen, dass zukünftige Verkehrsverstöße nicht ungeahndet bleiben. Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugsführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, widerspräche dieser Zwecksetzung, (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 1981 – 2 BvR 1172/81 -, NJW 1982, 568; BVerwG, Beschlüsse vom 11. August 1999 – 3 B 96/99 -, NZV 2000, 385 und vom 22. Juni 1995 – 11 B 7/95 -, DAR 1995, 459; OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Mai 2007 – 8 A 3294/06 – und 11. Januar 2008 – 8 B 1932/07 -.)

Der Kläger kann sich weiter nicht darauf berufen, dass die Ermittlungen der Bußgeldbehörde bzw. des um Amtshilfe gebetenen Ordnungsamts der Stadt H. nicht ausreichend gewesen seien und er auf Grund des von der Bußgeldbehörde eingeholten Passfotos als Fahrer auf dem Messfoto zu erkennen gewesen sei. Die Einschätzung der Bußgeldbehörde, dass der Kläger auf Grund des Messfotos und des vorliegenden Passfotos nicht mit hinreichender Sicherheit als Fahrer zu identifizieren sei, ist nicht zu beanstanden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass auf dem Messfoto der Haaransatz des Fahrers durch den Sonnenschutz verdeckt ist und der Fahrer eine Brille trägt. Auch nach Auffassung der Kammer war auf Grund der vorliegenden Fotos eine zweifelsfreie Identifizierung des Klägers als Fahrer nicht möglich. Ob auf Grund weiterer Ermittlungen der Kläger noch innerhalb der laufenden Verjährungsfrist als Fahrer hätte identifiziert werden können, ist auf Grund der vorliegenden Fotos zweifelhaft. Der Kläger kann sich aber jedenfalls nicht darauf berufen, die Behörde hätte weitere Aufklärungsmaßnahmen zur Täteridentifizierung vornehmen müssen, wenn er selbst als Halter und hier auch Fahrer des Fahrzeugs die ihm mögliche Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ablehnt. Der Kläger selbst konnte sich auf Grund des vorliegenden Messfotos eindeutig erkennen, anders als etwa ein ermittelnder Mitarbeiter der Bußgeldbehörde oder des Ordnungsamtes. Derartige – weitere – Ermittlungen waren der Behörde wegen der von vornherein fehlenden Mitwirkungsbereitschaft des Klägers wie bereits oben ausgeführt nicht zuzumuten.

Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage ist im übrigen auch nicht ermessensfehlerhaft. Die Auferlegung des Fahrtenbuches für die Dauer eines halben Jahres ist nicht unverhältnismäßig. Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage und für die Einstufung der Schwere eines Verkehrsverstoßes auf das Punktesystem in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zurückzugreifen und die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage schon bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes gerechtfertigt, (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 – 11 C 12/94 -, NJW 1995, 2866; OVG NRW, Urteile vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 -, a.a.O. und vom 29. April 1999 – 8 A 699/97 -, NJW 1999, 3279 – bestätigt mit Beschluss des BVerwG vom 9. September 1999 – 3 B 94/99 -, NZV 2000, 386 – und OVG NRW Beschluss vom 27. Juli 2006 – 8 B 1224/06 -, juris.)

Dabei kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, wie etwa die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes nicht an. Der vorliegende Verkehrsverstoß (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 25 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften) ist nach §§ 24, 26 a StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274) StVO i.V.m. Ziffer 11.3.4 der Tabelle 1 lit. c) des Anhangs zu Ziffer 11 (hier: 11.3) der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) mit einem Bußgeld in Höhe von 40.- EUR (BKatV) bedroht. Eine derartige Verkehrsordnungswidrigkeit wird gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG i.V.m. § 40 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und Ziffer 7 der Anlage 13 zur FeV mit einem Punkt bewertet. Der begangene Verkehrsverstoß erweist sich bereits als ausreichende Grundlage für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage. Auch die Dauer der angeordneten Fahrtenbuchauflage von einem halben Jahr begegnet keinen Bedenken. Sie ist im Hinblick auf die mit einem Punkt zu bewertende Verkehrsordnungswidrigkeit angemessen und stellt keine übermäßige Belastung dar. Der Kläger kann vor diesem Hintergrund auch nicht mit seinem Einwand, es habe sich um einen einmaligen und unwesentlichen Verkehrsverstoß, der sich nicht verkehrsgefährdend ausgewirkt habe und keinen Rückschluss auf seine Unzuverlässigkeit zulasse, durchdringen. Auch das Bundesverwaltungsgericht orientiert sich in seiner Rechtsprechung bei der Gewichtung von Verkehrsverstößen in erster Linie an ihrer Einordnung durch den Bußgeldkatalog und der Punktebewertung nach der einschlägigen Anlage zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Bereits eine mit einem Punkt bewertete Verkehrsordnungswidrigkeit wird nach der oben aufgeführten Rechtsprechung nicht als ein unwesentlicher, sondern bereits als ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht eingestuft. Auch kommt es nicht darauf an, dass der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen nicht bereits mit einem Punkt im Verkehrszentralregister belastet ist. Die Fahrtenbuchauflage ist eine Maßnahme der Gefahrenabwehr im Straßenverkehr und soll dazu beitragen, dass künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einem Verkehrsverstoß ohne Schwierigkeit möglich ist, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 – 11 C 12/94 -,a.a.O.

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht unverhältnismäßig, dass der Beklagte nicht lediglich die Androhung einer Fahrtenbuchauflage – als eine geringer belastende Maßnahme – ausgesprochen hat.

Schließlich greifen auch die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwände, die Fahrtenbuchauflage sei wegen des zwischenzeitlichen Zeitablaufes seit der Verkehrsordnungswidrigkeit im Jahr 2005 nicht mehr angemessen und er habe sich in dieser Zeit keine Verkehrsverstöße mehr habe vorhalten lassen müssen, nicht durch. Dass der Kläger bisher noch kein Fahrtenbuch führen musste, ist lediglich Ausfluss der im vorliegenden Fall gesetzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Die Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten bedingt zugleich, dass die Anordnung eines Fahrtenbuchs häufig erst nach Ablauf mehrerer Jahre nach Begehung des Verkehrsverstoßes durchgesetzt werden kann. Der Verzicht auf die im Ermessen der Behörde stehende und zudem von einer weiteren Interessenabwägung abhängigen Anordnung einer sofortigen Vollziehung führt nicht zur Annahme einer Rechtswidrigkeit der Fahrtenbuchauflage. Ein aus rechtsstaatlichen Gründen eintretender Zeitablauf hat nicht zur Folge, dass eine rechtmäßig erlassene Fahrtenbuchauflage nachträglich rechtswidrig wird. Andernfalls hätte es der Adressat der Fahrtenbuchauflage selbst in der Hand, die Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung allein durch Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelgebrauch zu beseitigen, vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 1995 – 11 B 18/95 -, NJW 1995, 4302 und Urteil vom 22. März 1995 – 11 C 3/94 -, NVwZ-RR 1995, 610 (zur Nachschulungsanordnung).

Auch wenn es in diesem Zeitraum nicht zu weiteren Verkehrsverstößen mit dem von dem Kläger gehaltenen Fahrzeug gekommen sein sollte, steht dies der Rechtmäßigkeit der angeordneten Fahrtenbuchauflage nicht entgegen, da maßgeblich allein der Umstand ist, dass nach dem damaligen Verkehrsverstoß der verantwortliche Fahrer nicht – rechtzeitig – ermittelt werden konnte. Im übrigen ist die Anordnung eines Fahrtenbuches – wie bereits ausgeführt – keine Sanktion des begangenen Verkehrsverstoßes, sondern zielt abstrakt darauf ab, die künftige Ermittlung der verantwortlichen Fahrer bei Verkehrsverstößen im Hinblick auf die kurzen Verjährungsfristen zu gewährleisten.

(…)