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OLG Stuttgart – Beschluss vom 24.10.07

Zum Inhalt der Entscheidung: Das Meßverfahren Eso ES 1.0 ist ein standardisiertes Meßverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.

Oberlandesgericht Stuttgart

Beschluss vom 24.10.2007

4 Ss 264/07

 

(…)

Aus den Entscheidungsgründen:

I.

Das Amtsgericht setzte gegen den Betroffenen „wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 41 Abs. 2 StVO – Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 41 km/h“ – eine Geldbuße von 100 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat fest. Nach den Feststellungen fuhr X. am 28. Juni 2006 auf der Bundesautobahn A 6 mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen …, von M. in Richtung N. Um 10:26 Uhr überschritt er bei Kilometer 668,1 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 41 km/h. In Höhe von Kilometer 666,0 und 666,7 befinden jeweils beidseitig der Fahrbahn Verkehrszeichen Nr. 274 (§ 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO; 120 km/h), weshalb der Betroffene um die Geschwindigkeitsbeschränkung hätte wissen können und müssen. Mit einem geeichten Geschwindigkeitsmessgerät der Marke ESO Typ ES 1.0 wurde eine Geschwindigkeit von 167 km/h gemessen, wovon 3 % als Messfehlertoleranz abgezogen wurden.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Amtsgericht aus, der Betroffene habe über seinen Verteidiger eingeräumt, gefahren zu sein. Darüber hinaus habe er „generelle Zweifel“ an der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung vorgetragen, „die jedoch allesamt mit Hilfe des vernommenen Zeugen ausgeräumt werden konnten“. Die Feststellungen zur Sache beruhten neben den Angaben des Betroffenen auf der Aussage des vernommenen Zeugen, den verlesenen Urkunden und denen in Augenschein genommenen Lichtbildern, auf welche wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen werde.

Der Betroffene hat gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt, die er mit der Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts begründet. Insbesondere rügt er, dass die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil unvollständig sei, da sich aus ihr nicht ergebe, aufgrund welcher Beweismittel das Amtsgericht welche Tatsache festgestellt habe. Ferner habe das Gericht nicht ausgeführt, weshalb anstelle des Fahrverbots nicht eine Erhöhung der Geldbuße ausreichend sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, dass Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG als unbegründet zu verwerfen. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen würden den Schuldspruch und den Rechtsfolgenausspruch tragen.

II.

Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Beweiswürdigung sind gerade noch ausreichend.

Im Urteil wurde gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die bei den Akten befindlichen Lichtbilder Bezug genommen. In den hierin eingeblendeten Daten, die zulässigerweise im Wege des Augenscheins in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind (vgl. BayObLG NStZ 2002, 388), ist auch die gemessene Geschwindigkeit enthalten. Ferner kann dem Zusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden, dass das Amtsgericht den Polizeibeamten Y. als Zeugen gehört hat, welcher die Geschwindigkeitsmessung durchgeführt hat. Dies ergibt sich aus der Feststellung (UA S. 4 oben), generelle Zweifel des Betroffenen an der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung seien mit Hilfe des vernommenen Zeugen ausgeräumt worden. Bei diesem kann es sich nur um den Beamten handeln, der die Messung durchgeführt hat. Deshalb liegt es nahe, dass dieser Zeuge zu den örtlichen Gegebenheiten (insbesondere zu den aufgestellten Verkehrszeichen) Angaben gemacht hat.

III.

Zur Geschwindigkeit enthält das Urteil Feststellungen lediglich zum angewendeten Messgerät, der gemessenen Geschwindigkeit sowie zu der in Ansatz gebrachten Messtoleranz. Sie sind nur dann ausreichend, wenn es sich bei den vorliegend angewendeten Messverfahren um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtssprechung des BGH (St 39, 291; 43, 277) handelt. Diese Frage ist – soweit ersichtlich – obergerichtlich bislang noch nicht entschieden worden. Zwar handelt es sich bei der Messung der Geschwindigkeit mit dem Gerät ESO ES 1.0 auch um eine Lichtschrankenmessung. Letztere ist seit langem von der Rechtsprechung als standardisiertes Messverfahren anerkannt (BGHSt 39, 291 (302)). Jedoch haben die Technik und die Messwertbildung des Einseitensensors ESO 1.0 mit normalen Lichtschrankenmessgeräten nichts gemein (Löhle/Beck, Fehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren, 8. Aufl., S. 78; Löhle ZfS 2006, 137). Daher kann bei Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ein Messverfahren mit diesem Gerät nicht als standardisiert angesehen werden.

Um diese Frage zu klären, hat der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 15. Juni 2006 die Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80 a Abs. 3 S. 1 OWiG; Fortbildung des Rechts). Mit Beschluss vom selben Tage hat der Senat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage beschlossen, ob es sich bei dem genannten Messverfahren um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtssprechung des BGH handelt. Mit der Erstattung des Gutachtens wurde Herr Dipl. Ing. D. beauftragt. Das Gutachten liegt nunmehr vor.

IV.

Nach Darlegung des Sachverständigen handelt es sich bei dem im vorliegenden Fall verwendeten Geschwindigkeitsüberwachungsgerät um ein Weg-Zeit-Messgerät, welches mit Lichtschranken als Messbasis arbeitet. Es besteht im Wesentlichen aus einem Sensorkopf auf einem Stativ, einer Rechnereinheit, einem berührungsempfindlichen Bildschirm sowie einer funkgesteuerten Fotoeinrichtung mit entsprechendem Zubehör. Den Kern der Anlage bilden der Sensorkopf mit vier optischen Helligkeitssensoren. Drei dieser vier Sensoren überwachen die Fahrbahn rechtwinklig zu deren Verlauf. Der vierte Sensor, dessen optische Achse um ca. 2 Grad gegenüber der senkrechten schräggestellt ist, dient lediglich zur Messung des Abstandes zwischen dem Sensor und dem angemessenen Fahrzeug. Bei der Durchfahrt eines Fahrzeuges wird in jedem der vier Sensoren dessen Helligkeitsprofil erfasst, digitalisiert und gespeichert. Dabei wird kein Lichtsender realisiert (was bedeutet, dass durch das Gerät kein Licht gebündelt ausgestrahlt wird – anders als bei solchen Lichtschrankenmessungen, bei denen quer zur Fahrbahn Lichtstrahlen gesendet werden, weshalb dort beidseits der Fahrbahn Geräte aufgestellt werden müssen). Daher handelt es sich um ein „Messgerät in passiver Ausführung“. Die Gesamtlänge der Messbasis des Sensorkopfes beträgt 50 cm. Die Teilstrecken zwischen den Sensoren (1 und 2 einerseits und 2 und 3 andererseits) belaufen sich auf jeweils 25 cm. Diese drei Sensoren dienen zur Ermittlung von zwei Geschwindigkeitsmesswerten. Fährt ein Fahrzeug an den Sensoren vorbei, wird die Geschwindigkeit durch das sogenannte Triggersignale vorbestimmt. Die vom Gerät aufgezeichneten Helligkeitsprofile werden rechnerisch mit Hilfe einer durch die Software bestimmten Korrelationsrechnung abgeglichen, um sodann die genauen Zeitdifferenzen zwischen den einzelnen Helligkeitsprofilen zu bestimmen. Die Geschwindigkeit ergibt sich aus den zwei ermittelten Zeitdifferenzen und der anteiligen Messbasis von 25 cm. Der vierte Sensor dient lediglich zur Ermittlung des Abstandes des Fahrzeuges vom Messgerät, um zu verhindern, dass Fahrzeuge gemessen werden, die sich außerhalb des eingestellten Grenzwertes (zwischen dem Gerät und dem zu messenden Fahrzeug; maximal 18 m) befinden (etwa auf der Gegenfahrbahn). Wird eine Geschwindigkeit ermittelt, welche den eingestellten Geschwindigkeitswert überschreitet, wird dieser Messwert nebst weiteren Daten per Datenfunk der Fotoeinrichtung übermittelt.

Das Gerät wird mit Hilfe einer Neigungswasserwaage aufgestellt. Es kann sowohl eine Quer- als auch eine Längsneigung der Straße auf den Sensorkopf übertragen. Dies ist insbesondere bei der Querneigung von besonderer Bedeutung. Vor dem Betrieb laufen automatisch Testprogramme ab. Bei der Auswertung sind insbesondere die Fälle problematisch, in denen sich zwei Fahrzeuge nebeneinander in gleicher Fahrtrichtung am Sensorkopf vorbeibewegen. Ein Messvorgang ist nur dann verwertbar, wenn sich schließlich ein Fahrzeug in Fahrtrichtung auf oder hinter der Messlinie befindet.

Das Überwachungsgerät Typ ES 1.0 der Firma ESO ist von der physikalisch-technischen Bundesanstalt in Braunschweig zugelassen. Es erfüllt deren Anforderungen an Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte. Es ist im Bundesgebiet weit verbreitet. Der Sachverständige hat diverse Messvorgänge mit diesem Gerät im Bezirk des Landgerichts Stuttgart begutachtet. Der Aufbau der Anlage einschließlich der hierbei zu beachtenden Besonderheiten ist im Einzelnen in der Gebrauchsanweisung beschrieben. Dies und die Bedienung der Anlage einschließlich der Auswertung sind nach kurzer Einweisung problemlos durchzuführen. Der Messbetrieb erfolgt automatisch. Das Messpersonal muss – anders als beim Laserhandmessgerät – nicht besonders geschult werden. Bei Beachtung der Gebrauchsanweisung des Herstellers und der Zulassungsbedingungen der physikalisch-technischen Bundesanstalt kann es problemlos bedient werden. Deshalb handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtssprechung des BGH.

Der Senat schließt sich den nachvollziehbaren und gut begründeten Ausführungen des Sachverständigen an. Mit ihm ist er der Ansicht, dass das Gerät die Vorgaben der Rechtssprechung des BGH(St 39, 291; 43, 277) erfüllt. Die Gebrauchsanweisung des Herstellers und die Zulassung durch die physikalisch-technische Bundesanstalt bieten Gewähr für seine zuverlässige Anwendung. Es ist einfach zu handhaben und hat sich nach den Erfahrungen des Sachverständigen in der Praxis bewährt.

V.

Zur Abfassung der Urteilsgründe ist zu bemerken:

Unbeschadet des Umstandes, dass es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt, muss sich der Tatrichter im Einzelfall von der Beachtung der für dieses Verfahren geltenden Bestimmungen überzeugen. Liegen – dies wird die Regel sein – keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vor, braucht im schriftlichen Urteil nur das angewendete Verfahren (Lichtschrankenmessung in passiver Ausführung ohne Lichtsender), die festgestellte Geschwindigkeit sowie der in Ansatz gebrachten Toleranzwert (bis 100 km/h: 3 km/h; darüber 3 % des Messwertes; vgl. Löhle ZfS 2006, 137 (139)) mitgeteilt zu werden, es sei denn, es liegt ein uneingeschränktes und glaubhaftes Geständnis des Betroffenen vor; dann bedarf es nicht der Angabe des Messverfahrens und des Toleranzwertes (BGHSt 39, 291 (303)). Nur wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die maßgebenden Bestimmungen nicht eingehalten wurden, sind im Urteil Ausführungen zur Messung notwendig (vgl. OLG Dresden VRS 109, 196 (199) m.w.N). Allgemein geäußerten Zweifeln des Betroffenen, etwa dahin gehend, das Gerät habe nicht funktioniert oder dem anwendenden Beamten seien bei der Auswertung Fehler unterlaufen, braucht der Richter nicht nachzugehen. Unabhängig hiervon ist – in der gebotenen Kürze – im Urteil stets mitzuteilen, in welcher Weise sich der Betroffene eingelassen hat (OLG Karlsruhe NZV 2007, 256).

VI.

Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Feststellung der Geschwindigkeit sind deshalb genügend.