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OLG Hamm – Beschluss vom 27.11.08

Zum Inhalt der Entscheidung: In Bußgeldangelegenheiten, die mit einer Punkteeintragung im Verkehrszentralregister verbunden sind, kann nicht isoliert von der Punkteeintragung abgesehen werden.

Oberlandesgericht Hamm

Beschluss vom 27.11.2008

2 Ss OWi 803/08

Aus den Gründen

I.

Das Amtsgericht Recklinghausen hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100,- € verurteilt und darüber hinaus festgesetzt, dass der Punkt im Verkehrszentralregister entfällt.

Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen und die Rechtsfolge wie folgt begründet:

„Der Betroffene ist bislang verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten, insoweit wird auf die Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 14.04.2008 verwiesen.

Am 18.07.2007 erließ der Landrat des Kreises (…) einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen.

Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, am (…) in (…)  die (…) mit dem Pkw (…) befahren zu haben und dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h überschritten zu haben, § 3 Abs. 3, 49 StVO, 24 StVG. Gegen den Betroffenen wurde ein Bußgeld in Höhe von 50,- Euro festgesetzt sowie 1 Punkt.

Der Betroffene wandte sich nicht gegen das Messergebnis.

Das Gericht verdoppelte die Geldbuße auf einen Betrag in Höhe von 100,- Euro und ließ den Punkt, der ansonsten beim Kraftfahrt-Bundesamt einzutragen gewesen wäre entfallen.

Das Gericht hat dabei die Grundsätze der Festsetzung einer Geldbuße in Verbindung mit einem Fahrverbot (Bußgeldkatalog-Verordnung-BKatV) in analoger Anwendung zugrunde gelegt.

Bezüglich der Festsetzung von Punkten besteht nach Ansicht des Gerichts insofern eine planwidrige Regelungslücke, die im Gesetz keine Stütze findet.

Es liegt jedoch eine vergleichbare Interessenlage vor, die zugunsten des Betroffenen gegeben ist.

Das Gericht hat daher die Geldbuße verdoppelt und den Punkt entfallen lassen. Dabei hat das Gericht auch berücksichtigt, dass der Betroffene bislang keine Eintragungen beim Kraftfahrt-Bundesamt hat und in der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen keine Umstände hervorgetreten sind, die darauf schließen lassen, dass gerade bei diesem Betroffenen eine Besinnung auf seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer durch eine Geldbuße nicht zu erwarten ist.“

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Bochum Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und ihre Rechtsbeschwerde mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Sie rügt insbesondere, dass die Anordnung des Amtsgerichts, die vorgeschriebene Eintragung der Verurteilung im Verkehrszentralregister zu unterlassen, im Gesetz keine Stütze finde. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und der Rechtsbeschwerde beigetreten und hat wie erkannt beantragt.

II.

Der in zulässiger Weise eingelegte und begründete Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Einzelrichter des Senats hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1; Abs. 1 Nr. 1, 1. Alternative OWiG zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Bei der Frage, ob § 4 Abs. 4 BKatV und die zum Absehen vom Fahrverbot entwickelten Grundsätze auf die nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG vorgesehene Eintragung der Verurteilung im Verkehrszentralregister analog angewendet werden können, handelt es sich um eine klärungsbedürftige, abstraktionsfähige Rechtsfrage, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts gebietet.

III.

Die sich an die Zulassung der Rechtsbeschwerde anschließende Überprüfung des angefochtenen Urteils durch den Senat führt zu seiner Aufhebung mitsamt den Feststellungen unter Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Recklinghausen.

Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen schon nicht die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Die Feststellungen beschränken sich auf die Darstellung des Inhalts des gegen den Betroffenen erlassenen Bußgeldbescheides und die Mitteilung, dass sich der Betroffene „nicht gegen das Messergebnis gewandt“ habe. Das Urteil enthält jedoch keinerlei Angaben dazu, welchen Sachverhalt das Gericht aufgrund der Hauptverhandlung als erwiesen angesehen hat. Sollte die Darstellung des Inhalts des Bußgeldbescheides so zu verstehen, dass es sich dabei um die von dem Gericht getroffenen Feststellungen handeln soll, tragen diese die Verurteilung ebenfalls nicht, weil weder das angewandte Messverfahren dargestellt, noch mitgeteilt wird, ob und ggf. in welcher Höhe ein Toleranzabzug vorgenommen wurde. Die Mitteilung des Toleranzabzuges war vorliegend auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil sich der Betroffene ausweislich des Urteils „nicht gegen das Messergebnis gewandt“ hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1993, 3081 ff.) kann zwar eine Verurteilung wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit grundsätzlich auf ein – uneingeschränktes und glaubhaftes – Geständnis des Betroffenen gestützt werden. Aber auch wenn dieses vorliegt, muss das Urteil Angaben dazu enthalten, ob und in welcher Höhe ein Toleranzabzug vorgenommen wurde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. Februar 2008 – 5 Ss OWi 42/08 -). Im Übrigen setzt ein glaubhaftes Geständnis des Betroffenen voraus, dass dieser eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit nicht nur tatsächlich eingeräumt hat, sondern zusätzlich nach den konkreten Umständen auch einräumen konnte, gerade die vorgeworfene Geschwindigkeit – mindestens – gefahren zu sein (vgl. OLG Hamm, a. a. O.). Auch hierzu enthält das angefochtene Urteil keine ausreichenden Feststellungen.

Darüber hinaus kann auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben, weil das von dem Amtsgericht ausgesprochene Entfallen des Punktes im Verkehrszentralregister gesetzlich nicht vorgesehen ist und eine planwidrige Regelungslücke nicht besteht. Das Amtsgericht hat wegen einer vermeintlichen Regelungslücke die zum Absehen vom Fahrverbot entwickelten Grundsätze und im Ergebnis die Vorschrift des § 4 Abs. 4 BKatV auf die nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG gesetzlich vorgeschriebene Eintragung der Verurteilung im Verkehrszentralregister analog angewendet. Dabei handelt es sich um eine unzulässige Analogie, da eine Regelungslücke nicht besteht. Die Eintragung im Verkehrszentralregister ist keine mit einem Fahrverbot vergleichbare Nebenfolge, welche neben der Geldbuße als zusätzliche Sanktion zur Einwirkung auf den Betroffenen verhängt werden kann. Vielmehr soll die Bestimmung des § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG sicherstellen, dass Ordnungswidrigkeiten ab einer gewissen Bedeutung zentral erfasst und bei zukünftigen Entscheidungen berücksichtigt werden können (vgl. OLG Hamm, VM 1997, Nr. 39 m. w. N.). Das Punktsystem bezweckt eine Vereinheitlichung der Behandlung von Mehrfachtätern (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 4 StVG Randziffer 2) und stellt damit keine Sanktion dar, die Aufnahme in den Urteilstenor eines ordentlichen Gerichts finden kann.

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