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LG Arnsberg – Beschluss vom 11.09.14

Zum Inhalt der Entscheidung:  1. Für ein tatbestandsmäßiges Entfernen genügt eine Absetzbewegung derart, dass der räumliche Zusammenhang zwischen dem Beteiligten und dem Unfallort aufgehoben und seine Verbindung mit dem Unfall nicht mehr ohne Weiteres erkennbar ist, sodass der Beteiligte nicht mehr uneingeschränkt zu sofortigen Feststellungen an Ort und Stelle zur Verfügung steht. Hierfür kann eine Entfernung von 400 bis 500 Metern ausreichen.

2. Kehrt der Unfallbeteiligte, nachdem er sich entfernt hat, zur Unfallstelle zurück und entfernt sich dann erneut, so erfolgt dieses Entfernen nicht „nach einem Verkehrsunfall“ im Sinne des § 142 StGB. Der zeitliche Zusammenhang wurde bereits durch das erstmalige Entfernen unterbrochen.

 

Landgericht Arnsberg

Beschluss vom 11.09.2014

6 Qs 81/14

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss aufgehoben.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft betreffend eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wird abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

 

Aus den Gründen:

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

I.

Nach Aktenklage sind keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass sich der Beschuldigte unerlaubt vom Unfallort entfernt hat:

1. Zwar sprechen erhebliche Gründe dafür, dass der Beschuldigte einen Unfall verursacht hat.

2. Auch sprechen erhebliche Gründe dafür, dass sich der Beschuldigte vom Unfallort entfernt hat, indem er zunächst weitergefahren ist.

Für ein tatbestandsmäßiges Entfernen genügt eine Absetzbewegung derart, dass der räumliche Zusammenhang zwischen dem Beteiligten und dem Unfallort aufgehoben und seine Verbindung mit dem Unfall nicht mehr ohne Weiteres erkennbar ist, sodass der Beteiligte nicht mehr uneingeschränkt zu sofortigen Feststellungen an Ort und Stelle zur Verfügung steht, sondern erst durch Umfragen ermittelt werden muss (vgl. Burmann, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 142 StGB Rn. 10 m. w. N.). Der Unfallbeteiligte darf sich nicht schon so weit von der Unfallstelle entfernt haben und es darf noch nicht so viel Zeit verstrichen sein, dass an dem inzwischen erreichten Ort feststellungsbereite Personen ohne Weiteres nicht mehr zu erwarten sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.10.2007 – III-2 Ss 142/07-69/07 III; eingrenzend BGH, Beschluss vom 15.11.2010 – 4 StR 413/10).

Hier hielt der Beschuldigte ausweislich der Aussage des Zeugen C. erst „ca. 400 – 500 Meter nach der eigentlichen Unfallstelle“ (Bl. 43 d. A.) an. Ausweislich der Aussage der Geschädigten hat sie das beteiligte Unfallfahrzeug nach dem Unfallgeschehen lediglich „in einiger Entfernung“ wahrgenommen (Bl. 35 d. A.).

Da ihr die Feststellung, ob das Fahrzeug fuhr oder stand, nicht möglich war, bestand jedenfalls kein eine sofortige Feststellung ermöglichender Sicht- und Rufkontakt fort. Ausweislich der Aussage der Zeugin N. war der Unfallbeteiligte „wohl schon über den Berg“ (Bl. 51 d. A.).

3. Allerdings kann nach Aktenlage nicht mit der hinreichenden Gewissheit davon ausgegangen werden, dass sich der Beschuldigte vorsätzlich entfernt hat. So lässt sich der Beschuldigte dahingehend ein, den Unfall jedenfalls nicht bemerkt zu haben (Bl. 66 ff. d. A.). Diese Einlassung ist nach Aktenlage nicht widerlegt:

Ausweislich der Verkehrsunfallanzeige vom 21.05.2014 (Bl. 2 d. A.) hat jedenfalls der hinter dem Beschuldigten fahrende Zeuge C. angegeben, „er sei sich nicht sicher, ob der UB01 diesen Vorgang bemerkt haben muss (…)“ (Bl. 7 d. A.). Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge später ausgesagt hat, dass er selbst den Schleudervorgang der Geschädigten im Rückspiegel gesehen habe (Bl. 43 d. A.). Sein Beifahrer, der Zeuge M., hat das Geschehen wie folgt beschrieben: „Ich konnte als Beifahrer nur noch erkennen, dass das Fahrzeug beim Vorbeifahren an uns weiter schleuderte. Mehr konnte ich von meiner Position aus nicht erkennen. Allerdings teilte mir Herr C. auf Nachfrage mit, dass der PKW erst kurz verschwunden wäre und jetzt wieder auf der Fahrbahn stehen würde“ (Bl. 46 d. A.). Dies spricht dafür, dass das Unfallgeschehen für den Beschuldigten lediglich durch aufmerksames Beobachten des rückwärtigen Verkehrsraums wahrnehmbar gewesen ist. Der Beschuldigte dürfte jedoch ausweislich der Aussage der Geschädigten abgelenkt gewesen sein („(…) und erst jetzt nahm der Mann seine rechte Hand ebenfalls ans Lenkrad“ (Bl. 34 d. A.), möglicherweise auf Grund eines Telefonats (vgl. Bl. 51 d. A.). Der Beschuldigte hat sich auch ausweislich der Aussage des Zeugen C. ihm gegenüber dahingehend eingelassen, dass er „von einem Unfall nichts bemerkt habe“ (Bl. 43 d. A.). Dies hat auch der – bislang noch nicht polizeilich vernommene – Zeuge P. so inhaltlich bestätigt (Bl. 88 d. A.).

4. Nach Aktenlage ist auch unerheblich, dass der Beschuldigte anlässlich seiner Rückkehr zu dem Unfallort keine Feststellungen ermöglicht hat und erneut weggefahren ist.

a) Das erneute Wegfahren ist nicht tatbestandsmäßig. § 142 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass sich ein Unfallbeteiligter „nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt“. Der danach erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen dem Sich-Entfernen und dem Unfallereignis war hier bereits durch das erstmalige Sich-Entfernen unterbrochen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15.11.2010 – 4 StR 413/10; Mitsch, JuS 2009, 341).

b) Ein unvorsätzliches Entfernen vom Unfallort kann auch nicht mit einem berechtigten oder unentschuldigten Entfernen im Sinne des § 142 Abs. 2 StGB gleichgesetzt werden (BVerfG, Beschluss vom 19.03.2007 – 2 BvR 2273/06).

II.

Nach Aktenlage sind auch keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass ein anderes Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 StGB verwirklicht ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473, 467 StPO analog.