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OLG Naumburg – Beschluss vom 03.09.15

Zum Inhalt der Entscheidung: 1. Von ei­nem stan­dar­di­sier­ten Messverfahren (hier: Traffipax Speedophot) kann nur bei Einhaltung der in der Gebrauchsanweisung vor­ge­schrie­be­nen Verfahrensweise aus­ge­gan­gen wer­den

2. Entspricht bei dem Meßverfahren Traffipax Speedophot der Aufstellplatz des Meßfahrzeugs nicht der Bedienungsanleitung, sind im Urteil nähere Ausführungen zu dem entsprechenden Passus der Bedienungsanleitung und den möglichen Folgen seiner Nichteinhaltung erforderlich.

 

 

Oberlandesgericht Naumburg

Beschluss vom 03.09.2015

2 Ws 174/15

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Eisleben vom 18. Mai 2015 auf­ge­ho­ben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die bis­her zu­stän­dige Abteilung des Amtsgerichts Eisleben zu­rück­ver­wie­sen.

 

Aus den Gründen:

I.

Das Amtsgericht Eisleben hat mit Urteil vom 18. Mai 2015 ge­gen den Betroffenen eine Geldbuße von 160,00 € und ein Fahrverbot von ei­nem Monat aus­ge­spro­chen. Hiergegen rich­tet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der er die Verletzung sach­li­chen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat be­an­tragt, das Urteil des Amtsgerichts auf­zu­he­ben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zu­rück­zu­ver­wei­sen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zu­läs­sig und be­grün­det. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ih­rer Zuschrift aus­ge­führt:

„Die statt­hafte (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) und auch im Übrigen zu­läs­sige Rechtsbeschwerde er­weist sich be­reits auf die Sachrüge hin als be­grün­det, wes­halb auf die wei­tere Beanstandung nicht mehr ein­zu­ge­hen ist.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen we­gen fahr­läs­si­ger Verkehrsordnungswidrigkeit – Überschreiten der zu­läs­si­gen Höchstgeschwindigkeit au­ßer­halb ge­schlos­se­ner Ortschaften um 41 km/h – zu ei­ner Geldbuße von 160,00 € ver­ur­teilt und ge­gen ihn nach § 25 StVG ein Fahrverbot an­ge­ord­net.

Die Rechtsbeschwerde macht un­ter an­de­rem gel­tend, dass die Voraussetzungen für eine kor­rekte Messung nicht vor­ge­le­gen ha­ben und die vom Sachverständigen vor­ge­tra­ge­nen Bedenken nicht ge­wür­digt wor­den seien.

Das Amtsgericht hat in sei­nen Urteilsfeststellungen hierzu Folgendes fest­ge­stellt:

„Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Betroffene die von dem Messgerät er­mit­telte Geschwindigkeit von 115 km/h auch ge­fah­ren ist. Die Messung er­folgte im Rahmen ei­nes stan­dar­di­sier­ten Messverfahrens. Das zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung ein­ge­holte Sachverständigengutachten des Diplomphysikers (…) vom 10.04.2015 steht dem nicht ent­ge­gen. Der Sachverständige stellte fest, dass der Standortbereich des Messfahrzeuges teil­weise bis etwa 10 Prozent zur Seite ge­neigt war, bei der Rekonstruktion spricht nach Berechnungen des Sachverständigen in ei­nem mitt­le­ren Gefälle des Standorts des Messfahrzeuges zur Seite von ca. 6 Prozent. Da der Sachverständige letzt­lich aus tech­ni­scher Sicht je­doch keine Fehlfunktion der Anlage nach­wei­sen konnte, war un­ter zu­sam­men­fas­sen­der Würdigung fest­zu­stel­len, dass der Aufstellort des Messfahrzeuges ju­ris­tisch noch zu to­le­rie­ren ist, ob­wohl er nicht voll­um­fäng­lich der Gebrauchsanweisung ent­spricht, die for­dert, dass aus fo­to­tech­ni­schen Gründen der Aufstellplatz ei­ni­ger­ma­ßen eben und par­al­lel zur Fahrbahnoberfläche lie­gen soll.“

Diese Darlegungen hal­ten ei­ner Überprüfung nicht stand, denn sie sind lü­cken­haft.

Insbesondere ge­nü­gen sie nicht den Anforderungen, die bei be­strei­ten­der Einlassung des Betroffenen an die Darlegung ei­nes ord­nungs­ge­mäß zu­stande ge­kom­me­nen Messergebnisses zu stel­len sind (vgl. BGH NJW 1993, S. 3081 f.).

Aufgrund sei­ner zu dem Aufstellort des Messfahrzeuges ge­trof­fe­nen Feststellungen durfte das Amtsgericht nicht mehr von ei­nem stan­dar­di­sier­ten Messverfahren aus­ge­hen.

Zwar han­delt es sich bei der hier vor­ge­nom­me­nen Messung mit dem Messgerät Traffipax Speedophot um ein in der Rechtsprechung grund­sätz­lich als ge­eig­net an­er­kann­tes Messverfahren, al­ler­dings ent­sprach der Aufstellungsort des Messfahrzeuges nicht voll­um­fäng­lich den Vorgaben der Gebrauchsanweisung (vgl. UA S. 3). Die Einhaltung der Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers ist je­doch in dem Sinne ver­bind­lich, dass nur durch sie das hier­durch stan­dar­di­sierte Verfahren, d. h. ein bun­des­weit ein­heit­li­ches, kor­rek­tes und er­prob­tes Vorgehen, si­cher­ge­stellt ist. Kommt es im kon­kre­ten Einzelfall zu Abweichungen von der Gebrauchsanweisung, so han­delt es sich in die­sem Fall nicht mehr um ein stan­dar­di­sier­tes Verfahren, son­dern um ein in­di­vi­du­el­les, das nicht mehr die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich in Anspruch neh­men kann.

Mit an­de­ren Worten: Von ei­nem stan­dar­di­sier­ten Messverfahren kann nur bei Einhaltung der in der Gebrauchsanweisung vor­ge­schrie­be­nen Verfahrensweise aus­ge­gan­gen wer­den. Wird hier­von ab­ge­wi­chen, so han­delt es sich um ein in­di­vi­du­el­les Messverfahren, das für sich die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit nicht in Anspruch neh­men kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.10.2011- IV -4 RBs 170/11; KG Berlin, Beschluss vom 11.03.2009 – 3 Ws (B)
67/08).

Das Gerät ist dann auch nicht mehr als ein stan­dar­di­sier­tes an­zu­se­hen, weil das Prüfergebnis für eine sol­cher Art der Bedienung (bes­ser: Fehlbedienung) keine Gültigkeit be­sitzt. Es lie­gen dann kon­krete Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Messfehlern vor mit der Folge, dass das Gericht, wenn es die Verurteilung auf ein sol­ches, durch den Mangel ei­nes Verstoßes ge­gen die Gebrauchsanweisung be­las­te­tes Messergebnis stüt­zen will, des­sen Korrektheit in­di­vi­du­ell zu prü­fen hat (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Eine sol­che Überprüfung ist in al­ler Regel ohne Mitwirkung ei­nes Sachverständigen für Messtechnik nicht mög­lich.

Dem an­ge­foch­te­nen Urteil ist zwar zu ent­neh­men, dass das Amtsgericht zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung ein Sachverständigengutachten ei­nes Diplomphysikers ein­ge­holt hat, al­ler­dings feh­len hierzu Feststellungen, ob die­ser das spe­zi­elle Fachwissen be­sitzt, wel­ches zur Beurteilung der Auswirkung ei­nes Verstoßes ge­gen die Anweisungen der Bedienungsanleitung im Hinblick auf den Aufstellungsort er­for­der­lich ist.

Wesentlich ist je­doch, dass es im an­ge­foch­te­nen Urteil Ausführungen dazu be­durft hätte, was es mit dem Passus in der Bedienungsanleitung zum Aufstellplatz auf sich hat. Insbesondere, ob es sich in­so­weit um eine bloße Empfehlung – quasi eine „Sollvorschrift“ – han­delt, oder wie sich die Dinge sonst dies­be­züg­lich ver­hal­ten, ins­be­son­dere ge­ge­be­nen­falls auch Einfluss auf den Messvorgang als sol­chen ha­ben kann. Soweit in den Urteilsgründen aus­ge­führt wird, dass aus „fo­to­tech­ni­schen Gründen der Aufstellplatz ei­ni­ger­ma­ßen eben und par­al­lel zur Fahrbahnoberfläche lie­gen solle“ ge­nügt dies den Anforderungen nicht, zu­mal nicht er­sicht­lich ist, ob die­ser Passus die not­wen­dig zu­tref­fen­den Ausführungen des ent­spre­chen­den Passus in der Bedienungsanleitung dar­stel­len soll.

Unabhängig da­von müs­sen die Urteilsgründe auch die we­sent­li­chen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wie­der­ge­ben. Der Hinweis, dass die Messung im Rahmen ei­nes stan­dar­di­sier­ten Messverfahrens er­folgte und das ein­ge­holte Sachverständigengutachten des Diplomphysikers (…) vom 10.04.2015 dem nicht ent­ge­gen­steht, reicht dazu schon des­halb nicht, weil diese Formulierung in­halts­leer ist und z. B. auch nichts dar­über sagt, ob die sach­ver­stän­di­gen­sei­ti­gen Feststellungen ge­gen die Bedienungsanleitung Auswirkungen auf eine Geschwindigkeit ha­ben könnte.

Die Feststellung im Urteil, dass der Sachverständige letzt­lich aus tech­ni­scher Sicht keine Fehlfunktion der Anlage habe nach­wei­sen kön­nen, ist in­so­weit nicht gleich­zu­set­zen mit der Feststellung, dass auch im kon­kre­ten Fall die Messung als sol­che – trotz fest­ge­stell­tem Verstoß ge­gen die Bedienungsanleitung – nicht feh­ler­haft war. Auch darin liegt ein mit der Sachrüge an­greif­ba­rer Darstellungsmangel, der zur Aufhebung des oben ge­nann­ten Urteils führt.“

Dem schließt sich der Senat an. Die Entscheidung über die Zurückverweisung folgt aus § 79 Abs. 6 OWiG.