Zum Inhalt der Entscheidung: Bei Sensorgeschwindigkeitsmessungen führt ein Verstoß gegen Wartungsvorschriften des Meßgerätes nicht automatisch zu einer Unverwertbarkeit der Messung. Die Feststellung im Urteil, dass eine ordnungsgemäße Wartung stattgefunden hat, reicht außerdem in der Regel aus. Wenn der Betroffene geltend machen will, dass das Meßgerät trotz gültiger Eichung und Einhaltung der Wartungsintervalle nicht richtig funktioniert hat, so muss er einen entsprechenden Beweisantrag stellen. Gegen dessen Ablehnung kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz eine Verfahrensrüge erhoben werden.
Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 04.02.2008
(…)
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässiger Verkehrsordnungswidrigkeit nach den §§ 41 Abs. 2 Zeichen 274, 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt und gegen den Betroffenen ein Fahrverbot unter Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ verhängt.
Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
„Der Betroffene befuhr mit dem PKW Opel, amtliches Kennzeichen: (..), am (…) in Fahrtrichtung S. In Höhe der Einmündung (…) ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen 274 außerhalb geschlossener Ortschaften auf 50 km/h begrenzt.
Der Betroffene überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Nach Abzug eines Toleranzwertes von 3 km/h betrug die beim Fahrzeug des Betroffenen gemessene Geschwindigkeit 97 km/h. Dies ergibt eine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung von 47 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften. Die Geschwindkeitsmessung erfolgte mit dem bis zum 31.12.2007 geeichten stationären Sensorgeschwindigkeitsmessgerät Traffiphot-S Gerätenummer 593-033/60023.
Es handelt sich bei der von dem betroffenen befahrenen Straße um eine recht gut ausgebaute Straße auf der die zulässige Höchstgeschwindigkeit zunächst durch Verkehrszeichen 274 unter anderem 613 Meter und 406 Meter vor der Messstelle auf 70 km/h begrenzt wird. Sodann wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit 202 Meter vor der Messstelle durch beidseitig der Fahrbahn aufgestellte Beschilderung (Zeichen 274) auf 50 km/h reduziert. 52 Meter vor der Messstelle wird diese Beschilderung dan noch einmal entsprechend beidseitig wiederholt, wobei rechtssteitig gleichzeitig noch weitere Gefahrenzeichen aufgestellt sind.
Der Betroffene hätte die Geschwindigkeitsüberschreitung erkennen und verhindern können und müssen.“
Gegen das Urteil hat der Betroffene form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde erhoben und diese begründet. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere seien die Feststellungen zu der nach Maßgabe der Piezorichtlinie B.2.1 erforderlichen halbjährigen Prüfung und deren Protokollierung fehlerhaft. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gem. §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1.
Das Amtsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Geschwindigkeitsüberschreitung des Betroffenen festgestellt.
a) Zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung bei Einsatz von standardisierten Messverfahren, wie dem vorliegenden, hat der Senat bereits früher Folgendes entschieden (OLG Hamm Beschl. v. 24.01.2007 – 3 Ss OWi 582/05):
„Grundlage dieser revisionsgerichtlichen Beweiswürdigung ist das schriftliche Urteil, mit dem der Tatrichter darüber Rechenschaft gibt, auf welchem Wege er von den Beweismittelergebnissen zum festgestellten Sachverhalt gelangt ist (vgl. BGH, NStZ 1985, 184). Aus der Verfahrensvorschrift des § 267 StPO, die den Inhalt der Urteilsgründe festlegt, ergibt sich zwar nicht, dass das Gericht verpflichtet ist, eine Beweiswürdigung im Urteil wiederzugeben. Doch ist eine entsprechende Erörterung und Würdigung dann notwendig, wenn das Rechtsbeschwerdegericht nur auf dieser Grundlage nachprüfen kann, ob das materielle Recht richtig angewendet worden ist und ob die Denk- und allgemeinen Erfahrungssätze beachtet worden sind (vgl. BGH, MDR 1974, 502; OLG Düsseldorf OLGSt 1983, StPO, § 261 Nr. 1). Dabei muss die im Urteil mitgeteilte Beweiswürdigung in sich logisch, geschlossen, klar und insbesondere lückenfrei sein. Sie muss wenigstens die Grundzüge der Überlegungen des Tatrichters und die Möglichkeit des gefundenen Ergebnisses sowie die Vertretbarkeit des Unterlassens einer weiteren Würdigung aufzeigen. Es müssen alle aus dem Urteil ersichtlichen Tatsachen und Umstände, die Schlüsse zugunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen zulassen, ausdrücklich erörtert werden (Grundlegend hierzu Göhler § 71 Rn 43 mwN). Bei Einsatz eichfähiger Messgeräte muss dem Urteil auch zu entnehmen sein, dass eine gültige Eichung vorlag und die Bedienvorschriften beachtet wurden (OLG Frankfurt ZfS 2001, 233, Schleswig-Holsteinisches OLG SchlHA 2004, 267, OLG Düsseldorf VRS 85, 222).“
b) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass eine Eichung des näher bezeichneten Geschwindigkeitsmessgerätes bis zum 31.12.2007, also auch zum Tatzeitpunkt, geeicht war. Es hat in der Beweiswürdigung weiter ausgeführt, dass die in der Fahrbahn verlegten Geschwindigkeitssensoren am 27.04.2006 eichamtlich geprüft wurden und insoweit eine eichamtliche Bescheinigung vorliegt. Dass diesbezüglich die Gültigkeit der Eichbescheinigung nicht mitgeteilt wird, ist unschädlich, da sich aus § 12 EichO i.V.m. Anhang A Nr. 18.4. ergibt, dass die Gültigkeitsdauer der Eichung ein Jahr beträgt (beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Messgerät zuletzt geeicht wurde).
Es kann hier dahinstehen, ob eine Messung, die unter Verstoß gegen die halbjährliche Wartungspflicht nach B.2. der Piezorichtlinie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, zustande gekommen ist, unverwertbar ist (wie die Rechtsbeschwerde meint). Angesichts des fehlenden Rechtsnormcharakters dürften im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG erhebliche Zweifel bestehen, ob solche Messungen mit Geräten, die im übrigen den Eichnormen entsprechen, im gerichtlichen Verfahren wirklich unverwertbar sind. Der Senat hat in dem oben genannten Beschluss entschieden, dass dies sogar bei einem Verstoß gegen Eichvorschriften nicht zwingend der Fall ist.
Hier hat das Amtsgericht indes rechtsfehlerfrei festgestellt, dass eine solche halbjährliche Wartung zuletzt zusammen mit der eichamtlichen Prüfung der Sensoren am 27.04.2006 stattgefunden hat. An diese Feststellungen ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden. Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde, dass sich dies weder aus der (vom Amtsgericht zur Begründung herangezogenen) eichamtlichen Bescheinigung noch aus der Rechnung der Firma Robot ergebe, sind urteilsfremd und daher unbeachtlich. Eine entsprechende Verfahrensrüge wurde ausdrücklich gar nicht, konkludent (da die Rechtsbeschwerde noch nicht einmal den genauen Inhalt dieser Urkunden mitteilt) jedenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG genügenden Form erhoben.
Die Feststellung des Amtsgerichts, dass eine nach B.2. der Piezorichtlinie erforderliche halbjährliche Wartung stattgefunden hat, reicht jedenfalls aus. Zusätzlicher Feststellungen zum Protokoll über die Wartungsarbeiten bedarf es – ohne konkreten Anlass – nicht. Will der Betroffene geltend machen, dass die Sensoren trotz gültiger Eichung und Einhaltung der Wartungsintervalle nicht ordnungsgemäß funktionierten, so muss er dies im Rahmen der Hauptverhandlung ggf. durch entsprechende Beweisanträge tun und sodann ggf. deren fehlerhafte Bescheidung im Rahmen der Rechtsbeschwerde mittels einer Verfahrensrüge beanstanden. Sollte in der Rechtsbeschwerde konkludent eine Aufklärungsrüge (Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO) erhoben sein, so wäre diese bereits nicht entsprechend § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG erhoben, da schon nicht ausgeführt wird, aufgrund welcher Umstände sich das Amtsgericht zur näheren Überprüfung der halbjährlichen Wartung anhand des Wartungsprotokolls hätte gedrängt sehen müssen.
2.
Der Senat weist darauf hin, dass der im Urteil enthaltene Verweis auf das „Datenfeld des Lichtbildes“ kein ordnungsgemäßer Verweis gem. § 46 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO darstellt, da das Datenfeld keine Abbildung ist (vgl. Senatsbeschluss vom 29.11.2007 – 3 SsOWi 784/07 – BeckRS 2008, 00063). Auf dem Fehler beruht das Urteil aber nicht, da alle relevanten Angaben im Urteil an anderer Stelle enthalten sind.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.