Im Verkehrsstrafrecht spielt die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung gegen Auflagen nach § 153a StPO eine besonders wichtige Rolle. Für viele Ersttäter – etwa bei Fahrerflucht, Trunkenheitsfahrten oder Nötigung im Straßenverkehr – bietet diese Regelung die Chance, ein Strafverfahren ohne Verurteilung und damit ohne dauerhafte Folgen für Führerschein, Bundeszentralregister oder berufliche Existenz zu beenden.
1. Typische Anwendungsfälle im Verkehrsstrafrecht
Die Einstellung nach § 153a StPO kommt vor allem bei folgenden Verkehrsstraftaten in Betracht:
- § 142 StGB – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (Fahrerflucht)
Ein klassischer Anwendungsfall: Oft ist der Schaden gering, der Vorsatz zweifelhaft oder der Beschuldigte ein bislang unbescholtener Bürger. - § 229 StGB – Fahrlässige Körperverletzung
Etwa bei Auffahrunfällen mit Verletzungen des Unfallgegners oder beim sogenannten „Dooring“ (Öffnen der Autotür in den Radverkehr). - § 240 StGB – Nötigung im Straßenverkehr
Typisch sind „Drängeln“, dichtes Auffahren, Lichthupe oder Schneiden beim Überholen – oft ohne schwerwiegende Folgen.
2. Rechtliche Voraussetzungen der Einstellung nach § 153a StPO
Auch im Verkehrsstrafrecht gelten die allgemeinen Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO:
- Es handelt sich um ein Vergehen: also eine Tat, bei der im Mindestmaß keine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr vorgesehen ist.
- Die Schuld wiegt nicht schwer: Das Verfahren muss noch in einem vertretbaren Rahmen liegen, etwa bei Ersttätern, geringen Schäden oder fehlender Gefährdung Dritter.
- Auflagen oder Weisungen müssen geeignet sein, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen.
- Einwilligung aller Beteiligten: Staatsanwaltschaft, ggf. Gericht und der Beschuldigte müssen zustimmen.
3. Typische Auflagen bei Verkehrsstraftaten
Im verkehrsrechtlichen Bereich kommen häufig folgende Auflagen und Weisungen zum Einsatz:
- Zahlung eines Geldbetrags an die Staatskasse oder an eine gemeinnützige Einrichtung (z. B. Verkehrsunfallopferhilfe, Hospize)
- Teilnahme an einem Fahreignungsseminar oder Verkehrsunterricht
- Schadenswiedergutmachung im Rahmen zivilrechtlicher Ansprüche
4. Vorteile der Einstellung nach § 153a StPO bei Verkehrsstraftaten
Gerade im Straßenverkehrsrecht ist die Folgenlosigkeit der Einstellung nach § 153a StPO von großer Bedeutung:
- Keine Eintragung im Bundeszentralregister
→ Kein Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis, der z. B. im Beruf oder bei Behördenanfragen Probleme machen könnte - Keine Punkte in Flensburg (FAER)
→ Anders als bei einem Strafbefehl oder Urteil erfolgt kein Punkteabzug - Kein Fahrverbot, keine Entziehung der Fahrerlaubnis
→ Die Fahrerlaubnisbehörde erfährt in der Regel nichts, sodass der Führerschein unangetastet bleibt - Keine Verlängerung der Probezeit bei Fahranfängern
→ Die Tat gilt nicht als A-Verstoß – es droht keine Nachschulung oder Probezeitverlängerung - Schnelle Beendigung des Verfahrens
→ Keine belastende Gerichtsverhandlung, keine öffentliche Hauptverhandlung - Kostenersparnis
→ Keine Gerichtskosten oder Auslagen für Gutachter und Zeugen; bei Vorliegen einer Rechtsschutzversicherung: Deckung der Verteidigerkosten
5. Risiken und Fallstricke – besonders bei Fahrerflucht und Versicherungsthemen
Die Zustimmung zu einer Einstellung nach § 153a StPO ist keine Kleinigkeit – vor allem bei dem Tatvorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) sind zivilrechtliche und versicherungsrechtliche Konsequenzen zu beachten.
Daher gilt: Vor Zustimmung zur Einstellung sollte stets Rücksprache mit dem Strafverteidiger und ggf. dem Haftpflichtversicherer gehalten werden, um spätere Nachteile zu vermeiden.
6. Taktische Überlegungen: Wann ist eine Zustimmung sinnvoll?
Eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO bietet eine attraktive Möglichkeit zur Vermeidung einer Verurteilung – aber nicht in jedem Fall ist die Zustimmung die beste Lösung. Überlegungen aus anwaltlicher Sicht:
- Gute Beweislage für einen Freispruch?
→ Dann besser den Prozess wagen - Unsichere Beweislage, aber keine schwere Schuld?
→ Einstellung gegen geringe Auflage sinnvoll - Bedeutung der Fahrerlaubnis für Beruf oder Ausbildung?
→ Vermeidung eines Fahrverbots kann entscheidend sein - Zivilrechtliche oder versicherungsrechtliche Folgeprozesse absehbar?
→ Einstellung unter Umständen problematisch