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§ 315c StGB – Gefährdung des Straßenverkehrs

(1) Wer im Straßenverkehr

1. ein Fahrzeug führt, obwohl er

a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder

b) infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder

2. grob verkehrswidrig und rücksichtslos

a) die Vorfahrt nicht beachtet,

b) falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,

c) an Fußgängerüberwegen falsch fährt,

d) an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,

e) an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,

f) auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder

g) haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,

und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1. die Gefahr fahrlässig verursacht oder

2. fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


  • Im Straßenverkehr muß sich der Täter befinden. Dieser findet auf Verkehrsflächen statt, die vom Berechtigten für jedermann zur Benutzung freigegeben sind. Dazu gehören natürlich öffentliche Straßen, aber auch z.B. Parkplätze von Geschäften oder Gaststätten. Das Schild „Parken nur für Gäste“ ändert an dem Vorliegen einer öffentlichen Verkehrsfläche nichts, wenn die Beschränkung des Benutzerkreises nicht auch durch Zäune, Tore oder vergleichbare Zugangshinderhisse verdeutlicht wird. § 315c StGB bezieht sich im Gegensatz zu § 316 StGB nicht auf den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr.

  • Der Tatbestand des § 315c StGB kann unterschiedlich verwirklicht werden. Der Täter muß entweder im Straßenverkehr ein Fahrzeug führen und nicht in der Lage sein, das Fahrzeug sicher zu führen, oder eine der sogenannten Todsünden im Straßenverkehr begehen.

  • Weiterhin muß der Täter durch die Tat Leib oder Leben eines anderen oder Sachen von bedeutendem Wert gefährden. Diese konkrete Gefährdung muß Folge der Tathandlung sein. Sie liegt nicht bereits darin, dass sich Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert in der Gefahrenzone befinden. Der Eintritt eines Schadens ist allerdings nicht erforderlich. Eine konkrete Gefahr kann z.B. in einem zu geringen Sicherheitsabstand zwischen zwei Fahrzeugen liegen. Eine riskante Fahrweise allein reicht nicht aus, erforderlich ist ein „Beinahe-Unfall“ (BGH, Beschl. v. 27.04.17):

  • Der „bedeutende Wert“ muß sich auf fremde Sachen beziehen, der Schaden an dem geführten Fahrzeug kommt also nicht in Betracht, auch wenn es sich um ein Leasingfahrzeug handelt. Die betragsmäßige Grenze des bedeutenden Wertes liegt, je nach der Spruchpraxis des erkennenden Gerichts, zwischen 500,– und 1.000 Euro.

    • Nr. 1: Der Täter führt im Straßenverkehr ein Fahrzeug und ist nicht in der Lage, das Fahrzeug sicher zu führen:
      • Fahrzeug im Sinne der Vorschrift sind Fahrzeuge jeder Art, also auch Fahrräder oder Rollstühle.
      • Ein Fahrzeug führen bedeutet, das Fahrzeug in Bewegung zu setzen oder es unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrtbewegung lenken. Dazu müssen die Räder des Fahrzeuges sich drehen. Soweit es lediglich beim Anlassen des Motors oder Einschalten des Lichts bleibt, liegt ein Versuch vor, der allerdings im Gegensatz zu § 316 StGB strafbar ist (§ 315c Abs. 2 StGB). Ob sich das Fahrzeug aus eigener Motorkraft bewegt oder durch andere Einflüsse ist unerheblich. Läßt der Täter das Fahrzeug z.B. einen Abhang herrunterrollen, liegt ein Führen vor.
      • Der Fahrzeugführer ist nicht in der Lage, das Fahrzeug sicher zu führen, und zwar aus einem der beiden nachgenannten Gründe:
        • Infolge des Genusses alkoholischer Getränker oder anderer berauschender Mittel. Die Fahruntüchtigkeit hängt sowohl vom Ausmaß der alkohol- oder drogenbedingten Änderung der Leistungsfähigkeit und der Beeinträchtigung der Gesamtpersönlichkeit des Fahrzeugführers ab als auch von der von ihm ausgehenden Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder mehr wird die Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern unwiderleglich vermutet. Ein Gegenbeweis ist nicht möglich. Es ist unerheblich ob, die zu dieser Blutalkoholkonzentration führende Alkoholmenge zur Tatzeit schon vom Blut aufgenommen wurde. Die Einlassung, man habe unmittelbar vor der Tat einen eine größere Alkoholmenge in einem „Sturztrunk“ zu sich genommen, die zur Tatzeit noch nicht ins Blut übergegangen sei, ist somit rechtlich bedeutungslos.

          Für Fahrer von Fahrrädern setzt die Rechtsprechung die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit bei 1,7 Promille an.

          Die sogenannte relative Fahruntüchtigkeit kommt in der Regel ab einem Blutalkoholwert von 0,3 Promille in Betracht. Bei einer solchen Blutalkoholkonzentration kann das Gericht eine Fahruntüchtigkeit im Sinne der Vorschrift feststellen, wenn bestimmte Ausfallerscheinungen (z.B. unsichere Fahrweise, Schlangenlinien) diesen Schluß zulassen.

        • Infolge geistiger oder körperlicher Mängel: Es ist unerheblich, ob es sich um vorübergehende oder dauernde Mängel handelt. Übermüdung und insbesondere der sogenannte „Sekundenschlaf“ ist ein körperlicher Mangel im Sinne der Vorschrift. Der Ausfall von Gliedmaßen, z.B. ein eingegipstes Bein, kann ebenfalls einen körperlichen Mangel darstellen. Ein geistiger Mangel ist z.B. die Herabsetzung der Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit aufgrund von Krankheit oder der Einnahme von Medikamenten. Auch bei geisten oder körperlichen Mängeln kann eine relative (d.h. aufgrund von Ausfallerscheinungen erkennbare) wie auch eine absolute Fahruntüchtigkeit vorliegen. Bei einer absoluten Fahruntüchtigkeit kann bereits aufgrund des vorliegenden Mangels (z.B. schwere Epilepsie) auf eine Fahruntüchtigkeit geschlossen werden, ohne daß noch Feststellungen zu Ausfallerscheinungen während der Fahrt getroffen werden müssen.

       

    • Nr. 2: Der Täter begeht eine oder mehrere der nachgenannten sogenannten sieben Todsünden im Straßenverkehr, und zwar grob verkehrswidrig und rücksichtslos. Diese beiden Merkmale müssen stets gleichzeitig vorliegen. Ein grobe Verkehrswidrigkeit liegt vor, wenn der Täter objektiv besonders schwer gegen eine Verkehrsvorschrift verstößt. Rücksichtslos ist ein Verhalten, daß die im Straßenverkehr stets gebotene Rücksicht in besonderem Maße außer Acht läßt. Das Verhalten muß mithin über den in jedem Verkehrsverstoß liegenden Mangel an Rücksichtnahme weit hinausgehen.
      • Nichtbeachten der Vorfahrt. Hierzu gehört auch das Nichtbeachten eines roten Lichtzeichens und das vorzeitige Linksabbiegen vor dem entgegenkommenden Geradeausverkehr.
      • Falsch Überholen oder sonst bei Überholvorgängen falsch fahren. Dies betrifft den Überholenden (z.B. Schneiden, rechts überholen usw.) wie auch den Überholten (z.B. Geschwindigkeit während des Überholvorgangs erhöhen).
      • An Fußgängerüberwegen falsch fahren. Hierzu gehört insbesondere das Vorbeifahren an einem Fahrzeug, das bereits vor einem Fußgängerüberweng hält um Fußgänger passieren zu lassen.
      • An unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fahren.
      • An unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhalten.
      • Auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wenden, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fahren oder dies versuchen.
      • Haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich machen, obwohl dies zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist. Die Pflicht zur ausreichenden Kenntlichmachung trifft nicht allein den Fahrer, sondern auch den mitfahrenden Halter. Auch dieser kann sich mithin nach § 315c StGB strafbar machen.

     

  • Eine Verurteilung wegen Vorsatzes kann nur erfolgen, wenn der Vorsatz sich auf alle Tatbestandsmerkmale bezieht. Aus einer hohen BAK darf nicht auf einen Vorsatz bezüglich der Fahruntüchtigkeit geschlossen werden (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.06.17). Liegt bezüglich eines Tatbestandsmerkmals Fahrlässigkeit vor, ist Abs. 3 der Vorschrift zu beachten. Soweit nicht alle Tatbestandsmerkmale der Norm verwirklicht wurden, kann jedoch noch immer eine Strafbarkeit nach § 316 StGB in Betracht kommen. Es ist weiterhin zu prüfen, ob Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe eingreifen. Die Systematik des Strafrechts kann hier nur vereinfachend dargestellt werden, im Einzelfall sollte man als Beschuldigter stets einen Rechtsanwalt hinzuziehen.

Eine Verurteilung nach § 315c StGB wird in das Bundeszentralregister und das Fahreignungsregister eingetragen. Hierauf wird in Strafbefehlen und Urteilen im Regelfall nicht gesondert hingewiesen.


Rechtsprechung zur Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB)