§ 224 StGB – Gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung
1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Die gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB ist eine verschärfte Form der einfachen Körperverletzung gemäß § 223 StGB. Besonders im Straßenverkehr kann es schnell zu Situationen kommen, in denen eine Handlung nicht nur als einfache, sondern als gefährliche Körperverletzung gewertet wird. Doch unter welchen Umständen kann ein Fahrzeug als „gefährliches Werkzeug“ gelten, und welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen?
Abgrenzung: Einfache vs. gefährliche Körperverletzung
Gemäß § 223 StGB begeht eine Person eine einfache Körperverletzung, wenn sie einen anderen körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Dies kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Die gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB ist eine qualifizierte Form der einfachen Körperverletzung, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird. Dies ist der Fall, wenn die Körperverletzung unter bestimmten erschwerenden Umständen begangen wird, darunter:
- durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen (Nr. 1),
- mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs (Nr. 2),
- mittels eines hinterlistigen Überfalls (Nr. 3),
- mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich (Nr. 4),
- mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (Nr. 5).
Kann ein Fahrzeug ein gefährliches Werkzeug sein?
Besonders relevant im Straßenverkehr ist die Frage, ob ein Kraftfahrzeug als gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingestuft werden kann. Ein gefährliches Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand, der objektiv geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zu verursachen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu entschieden, dass ein Fahrzeug dann als gefährliches Werkzeug einzustufen ist, wenn es gezielt als Tatmittel eingesetzt wird und die Verletzungen durch den unmittelbaren Kontakt des Fahrzeugs mit dem Opfer verursacht werden.
Fallbeispiel: Urteil des BGH vom 14. Juli 2020 (4 StR 194/20)
Ein besonders aufsehenerregender Fall betraf einen Angeklagten, der mit einer Geschwindigkeit von 125 km/h absichtlich eine Frontalkollision mit anderen Fahrzeugen herbeiführte. Drei Insassen der entgegenkommenden Autos wurden verletzt. Das Landgericht Münster verurteilte den Fahrer wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB, da er das Fahrzeug als gefährliches Werkzeug einsetzte und eine das Leben gefährdende Behandlung vornahm.
Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Einschätzung und stellte klar, dass die Verletzungen direkt durch die Kollision mit dem Fahrzeug entstanden sein müssen, um den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung zu erfüllen. Hätte sich die Verletzung erst durch einen anschließenden Sturz oder eine Ausweichbewegung ergeben, wäre dies nicht ausreichend gewesen.
Rechtliche Konsequenzen und Strafen
Wer im Straßenverkehr eine gefährliche Körperverletzung begeht, muss mit hohen Strafen rechnen:
- Mindestens sechs Monate bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe,
- Führerscheinentzug und Fahrverbot,
- Eventuell weitere strafrechtliche Konsequenzen wie eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags oder Mordes, falls eine Tötungsabsicht nachgewiesen wird.
Rechtsprechung:
- Bundesgerichtshof – Beschluss vom 25.04.12: Wird eine Person durch ein gezieltes Anfahren zu Fall gebracht, kann darin eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen, wenn bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist. Erst infolge des anschließenden Sturzes erlittene Verletzungen sind dagegen nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen, sodass eine Verurteilung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB allein darauf nicht gestützt werden kann.