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Dauer der Wartepflicht nach Verkehrsunfall

Wartepflicht nach Verkehrsunfall

1. Gesetzliche Grundlage zur Wartepflicht

Wer an einem Verkehrsunfall beteiligt ist, muss am Unfallort verbleiben, bis die anderen Beteiligten und Geschädigten die erforderlichen Feststellungen treffen konnten. Dies betrifft insbesondere die Identifikation der Person, des Fahrzeugs und der Art der Unfallbeteiligung (§ 34 Abs. 1 Ziff. 6 lit. a StVO).

Die Wartepflicht dient zudem dem Interesse der Versicherer. Sie ermöglicht eine sachgerechte Prüfung der Voraussetzungen der Leistungspflicht und der mit dem Schadensereignis zusammenhängenden Umstände. Der BGH und das OLG Karlsruhe haben dies mehrfach bestätigt (BGH, Urt. v. 01.12.1999, Az. IV ZR 71/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.01.2022, Az. 12 U 267/21).

2. Dauer der Wartepflicht

2.1. Allgemeine Wartezeit

Wenn keine feststellungsbereiten Personen anwesend sind, etwa bei einem Alleinunfall, ist eine angemessene Zeit am Unfallort zu warten. Die Rechtsprechung geht hier von etwa 15 bis 30 Minuten aus (OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.01.2022, Az. 12 U 267/21), je nach Tageszeit und dem zu erwartenden Erscheinen feststellungsbereiter Personen.

2.2. Hinterlassen von Kontaktdaten

Das bloße Hinterlassen von Name und Anschrift am Fahrzeug des Geschädigten (z. B. durch einen Zettel am Scheibenwischer) ersetzt die Wartepflicht nicht. Dies begründet sich durch die Gefahr, dass der Zettel verloren gehen oder entfernt werden könnte. Es wird daher empfohlen, die Polizei zu informieren. Will man sich nach Ablauf der Wartepflicht von der Unfallstelle entfernen, sind gleichwohl der eigene Namen und die eigene Anschrift zu hinterlassen (§ 34 Abs. 1 Ziff. 6 lit. b StVO)

2.3. Besondere Umstände und Entfall der Wartepflicht

Die Länge der Wartezeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Unter bestimmten Bedingungen kann die Wartepflicht entfallen, wenn dringende persönliche Gründe vorliegen. Dazu gehört insbesondere die ärztliche Versorgung eines Unfallbeteiligten (OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.08.2020, Az. 12 U 53/20).

In Einzelfällen kann eine Meldung des Unfalls erst am nächsten Morgen ausreichen, wenn es beispielsweise nachts zu einem Unfall kam und keine sofortigen Feststellungen möglich waren (OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.02.2016, Az. 5 U 75/14).

3. Sonderfälle: Alleinunfälle und Schäden an öffentlichen Sachen

3.1. Unfall ohne weitere Beteiligte

Das LG Magdeburg hat entschieden, dass ein Autofahrer, der von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Straßenbaum geprallt war, keine Aufklärungs- oder Obliegenheitsverletzung begangen hat. Ein Baum sei kein Unfallbeteiligter oder Geschädigter im Sinne des § 142 StGB, sondern eine öffentliche Sache, sofern er auf öffentlichem Grund steht (LG Magdeburg, Urt. v. 08.10.2019, Az. 11 O 1063/19).

3.2. Versicherungsschutz und Wartepflicht

Ein Schaden an einem Baum berechtigt eine Kfz-Versicherung nicht automatisch dazu, die Leistung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu verweigern. Solange der Schaden die Lebenserwartung des Baumes nicht beeinträchtigt, kann der Versicherungsnehmer nach Hause fahren, ohne polizeiliche Feststellungen ermöglichen zu müssen (LG Magdeburg, Urt. v. 08.10.2019, Az. 11 O 1063/19).

4. Unfallflucht und strafrechtliche Konsequenzen

Die sicherste Option nach einem Unfall ist, die Polizei zu rufen und den Unfall offiziell aufnehmen zu lassen. Dies ist insbesondere dann ratsam, wenn keine andere feststellungsbereite Person vor Ort ist. Wer sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, kann sich wegen Unfallflucht nach § 142 StGB strafbar machen.

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