Abrechnung auf der Basis des Wiederbeschaffungsaufwands (Totalschadensabrechnung)
1. Totalschaden bei fremdverschuldeten Unfällen
Bei Beschädigungen eines Fahrzeugs bemißt sich die Höhe des Fahrzeugschadens grundsätzlich nach den erforderlichen Aufwendungen zur Schadensbeseitigung, also den voraussichtlichen Reparaturkosten. Nicht immer ist es jedoch wirtschaftlich sinnvoll, ein Fahrzeug reparieren zu lassen. Für die Beurteilung dieser Frage ist das Verhältnis der voraussichtlichen Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert von Bedeutung.
Der Wiederbeschaffungwert ist derjenige Geldbetrag, den der Geschädigte zur Anschaffung eines – verglichen mit dem Fahrzeug des Geschädigten vor dem Unfall – gleichwertigen Ersatzfahrzeuges bei einem seriösen Gebrauchtwagenhändler unter Berücksichtigung aller wertbildenden Faktoren aufwenden muß. Der Wiederbeschaffungswert ist nicht gleichbedeutend mit dem Zeitwert.
Sofern die voraussichtlichen Reparaturkosten im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs sehr hoch sind, stellt sich die Frage, ob der Schadensersatz für den Fahrzeugschaden auf Totalschadensbasis (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) oder auf der Basis der voraussichtlichen Reparaturkosten zu berechnen ist.
a) Totalschaden bei fiktiver Abrechnung:
Bei fiktiver Abrechnung wird der Schadensersatz auf der Basis der voraussichtlichen Reparaturkosten berechnet, wenn diese nicht höher sind als der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert. Sind die voraussichtlichen Reparaturkosten höher, wird auf Totalschadensbasis abgerechnet, sofern das Fahrzeug nicht tatsächlich repariert wird. Bei tatsächlich durchgeführter Reparatur gilt dagegen die sogenannte 130-Prozent-Grenze.
Bei nicht eindeutigen Reparaturfällen ist daher darauf zu achten, dass der Gutachter neben den voraussichtlichen Reparaturkosten auch einen korrekten Restwert in das Gutachten aufnimmt, damit bei Totalschadensabrechnung einer möglicherweise überhöhten Restwertangabe durch den gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherer begegnet werden kann.
b) Totalschaden bei tatsächlich durchgeführter Reparatur: 130-Prozent-Grenze
Wird die Reparatur des beschädigten privat genutzten Fahrzeuges tatsächlich fachgerecht durchgeführt, so wird der Schadensersatz auf der Basis der Reparaturkosten berechnet, wenn diese 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes nicht übersteigen. Der Restwert wird auch hier nicht berücksichtigt. Der Geschädigte muss allerdings sein Fahrzeug nach der Reparatur mindestens sechs Monate weiterhin nutzen.
Der Geschädigte ist nicht zur Vorlage einer Reparaturrechung verpflichtet um den vollen Schadensersatz zu erhalten. Repariert er selbst oder läßt er den Schaden durch Bekannte reparieren, kann er nach Maßgabe des Sachverständigengutachtens oder Kostenvoranschlages abrechnen, auch wenn die tatsächlichen Reparaturkosten geringer sind. Maßgeblich für die Abrechnung gemäß der 130-Prozent-Grenze ist dabei die fachgerechte Durchführung der Reparatur nach Maßgabe des Gutachtens. Die Durchführung der Reparatur kann durch eine Nachbesichtigung durch den Sachverständigen oder bei geringen und gut sichtbaren Schäden auch durch ein Lichtbild des reparierten Fahrzeuges nachgewiesen werden (letzteres üblicherweiser mit gleichzeitiger Abbildung einer aktuellen Tageszeitung, um das Aufnahmedatum zu dokumentieren).
Eine sogenannte Billigreparatur wird i.d.R. nicht die im Gutachten angegebenen Anforderungen erfüllen, so dass in solchen Fällen keine fachgerechte Reparatur vorliegt.Bei einer Nachbesichtigung durch einen Sachverständigen ist darauf zu achten, dass dieser eine Bescheinigung über die fachgerecht nach Gutachten durchgeführte Reparatur ausstellt, eine schlichte Reparaturbestätigung reicht meist nicht aus.
Falls das Fahrzeug nicht fachgerecht repariert wird, sondern nur eine Teil- oder Billigreparatur vorgenommen wird, so können trotzdem statt einer Totalschadensabrechnung die vom Gutachter kalkulierten Reparaturkosten verlangt werden, sofern diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen (s. BGH -Urteil vom 29.04.03 – VI ZR 393/02). Liegen also die kalkulierten Reparaturkosten unter dem Wiederbeschaffungswert, so genügt es, lediglich die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs wiederherzustellen und es weiterhin zu nutzen, um in den Genuß der im Regelfall vorteilhafteren Abrechnung auf Reparaturkostenbasis zu gelangen.
Das Sachverständigengutachten ist maßgeblich für die Entscheidung der Frage, ob eine Reparatur wirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn die im Gutachten ausgewiesenen Reparaturkosten die 130-Prozent-Grenze nicht übersteigen, so hat der Geschädigte auch dann Anspruch auf Ersatz der vollen Reparaturkosten, wenn sich im Verlaufe der Reparatur herausstellt, dass diese Grenze überschritten wird. Er muß dann allerdings den tatsächlichen Anfall der die 130-Prozent-Grenze übersteigenden Kosten – üblicherweise durch Vorlage einer Reparaturrechnung – nachweisen.
Wenn bereits die im Sachverständigengutachten ausgewiesenen voraussichtlichen Reparaturkosten die 130-Prozent-Grenze übersteigen, so ist eine Reparatur im Regelfall wirtschaftlich nicht sinnvoll. Entschließt sich der Geschädigte gleichwohl zur Durchführung der Reparatur, so kann er die tatsächlichen Reparaturkosten ersetzt verlangen, wenn diese unter der 130-Prozent-Grenze liegen. Liegen sowohl die voraussichtlichen wie auch die tatsächlichen Reparaturkosten über der 130-Prozent-Grenze, so kann er nur auf Totalschadensbasis abrechnen.
Vorsicht ist geboten bei einem Verkauf des beschädigten Fahrzeuges an einen Reparaturbetrieb und einer gleichzeitigen Abtretung der Schadensersatzansprüche an diesen. Durch den Verkauf des Fahrzeuges dokumentiert der Geschädigte, das Fahrzeug nicht weiter nutzen zu wollen. Der gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherer braucht in solchen Fällen nicht auf der Basis der 130-Prozent-Grenze abzurechnen, sondern kann auch auf der für den Geschädigten ungünstigeren Totalschadensbasis abrechnen.
Die vorgenannten Grundsätze gelten nicht für Schäden an sogenannten Oldtimern und Liebhaberfahrzeugen.
Bei einem Totalschaden sind auch die Kosten der Abmeldung des alten und der Neuanmeldung des Ersatzfahrzeuges zu erstatten. Einige Gerichte haben dem Geschädigten darüber hinaus auch eine sogenannte „Wiederbeschaffungspauschale“ zugesprochen, die den Aufwand für die Qualitätsprüfung des Ersatzfahrzeugs abgelten soll. Auch für den Resttreibstoff im Tank des beschädigten Fahrzeuges kann ein Ersatz verlangt werden.
Nach Ablauf des Zeitraums, für den Nutzungsausfallentschädigung oder ein Mietwagen verlangt werden kann, ist bei einer Totalschadensabrechnung der Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens mit dem gesetztlichen Zinssatz (4%) zu verzinsen, §§ 849, 246 BGB.
2. Totalschaden in der Kasko-Versicherung
In der Kasko-Versicherung richtet sich die Regulierung eines Schadens nach den dem Vertrag zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen (AKB). Die Muster-AKB 2015 sehen folgende Regelung vor:
A.2.5.1.1 Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs zahlen wir den Wiederbeschaffungswert unter Abzug eines vorhandenen Restwerts des Fahrzeugs. Lassen Sie Ihr Fahrzeug trotz Totalschadens oder Zerstörung reparieren, gilt A.2.5.2.1.
(…)
A.2.5.2.1 Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:
a Wenn das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert wird, gilt:
Wir zahlen die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.5.1.6, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen. Fehlt dieser Nachweis, zahlen wir entsprechend A.2.5.2.1.b.
b Wenn das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert wird, gilt:
Wir zahlen die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts (siehe A.2.5.1.6 und A.2.5.1.7).
Maßgeblich sind diejenigen AKB, die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegen. Die AKB enthalten darüber hinaus Regelungen für die Entschädigung zum Neuwagenpreis. In jedem Einzelfall sind also die jeweils geltenden AKB zur Bestimmung der Versicherungsleistung heranzuziehen.
Rechtsprechung: