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Der Begriff des Restwerts ist in der Regulierung von Fahrzeugschäden von erheblicher Bedeutung. Der Restwert ist der Betrag, zu dem der Geschädigte das Fahrzeug im beschädigten Zustand verkaufen könnte. Der Restwert soll somit den Wert des Fahrzeugs nach dem Unfall repräsentieren.

Der Restwert wird entweder auf der Basis eines konkret ermittelten Betrages bestimmt – z.B. wenn der Geschädigte das Fahrzeug im beschädigten Zustand verkauft – oder auf der Basis einer Restwertangabe im Sachverständigengutachten.

Es ist üblich, dass Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer, die mit der Regulierung eines Fahrzeugschadens befaßt sind, selbst Restwertangebote einholen. Dabei greifen sie meist auf sogenannte Restwertaufkäufer zurück. Hierbei handelt es sich um spezialisierte Unternehmen, die aufgrund verschiedener Gründe Unfallfahrzeuge zu deutlich höheren Preisen aufkaufen können als sie auf dem normalen Markt für Unfallfahrzeuge zu erzielen wären.

Die von den Geschädigten beauftragten Sachverständigen legen in ihren Gutachten dagegen meist denjenigen Betrag als Restwert zugrunde, der auf dem regionalen Markt für das Fahrzeug zu erzielen wäre. Der im Gutachten angegebene Restwert ist daher meist bedeutend niedriger als der von dem unfallgegnerischen Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer ermittelte Restwert.

Wenn also auf der Basis des Wiederbeschaffungsaufwands abzurechnen ist (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert, sogenannte Totalschadensabrechnung) stellt sich die Frage, welcher dieser beiden Restwertangebote für die Abrechnung heranzuziehen ist.

 

 1. Restwert bei Veräußerung des Fahrzeugs

Soll das Unfallfahrzeug tatsächlich verkauft werden, so stellt sich die Frage, ob der Geschädigte ein von dem unfallgegnerischen Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer ermitteltes höheres Restwertangebot annehmen muss. Der Bundesgerichtshof stellt zur Entscheidung dieser Frage auf die Situation des Geschädigten ab. In seinem Urteil vom 7. 12. 2004 (Az. VI ZR 119/ 04) führt er hierzu aus:

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist nach einer Sachbeschädigung, wenn der Geschädigte gemäß § 249 Satz 2 BGB a. F. die Schadensbehebung selbst in die Hand nimmt, der zur Wiederherstellung erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befindet. Es ist also Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. Senatsurteile BGHZ 66, 239, 245, 248 f.; 115, 364, 369; 155, 1, 5). Diese „subjektbezogene Schadensbetrachtung“ gilt auch für die Frage, in welcher Höhe dem Geschädigten wegen der ihm in seiner individuellen Lage möglichen und zumutbaren Verwertung seines Unfallfahrzeugs kein Schaden entstanden ist. Will er sein Fahrzeug etwa einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb eines Ersatzfahrzeugs in Zahlung geben, dann kann ihn der Schädiger gegenüber deren Ankaufangeboten nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, der nur auf einem dem Geschädigten erst durch den Schädiger eröffneten Sondermarkt, etwa durch Einschaltung spezialisierter Restwertaufkäufer, zu erzielen wäre (vgl. Senatsurteile vom 21. Januar 1992 – VI ZR 142/ 91 – und vom 6. April 1993 – VI ZR 181/ 92 -, jeweils aaO).

 Kann der Geschädige also gute Gründe vorweisen, aufgrund derer er das höhere Restwertangebot des Versicherers nicht angenommen hat, so darf der Versicherer dieses höhere Angebot nicht ohne weiteres seiner Abrechnung zugrunde legen. Ist dem Geschädigten dagegen die von dem Versicherer aufgezeigte Veräußerungsmöglichkeit mühelos zugänglich und liegen auch sonst keine plausiblen Gründe vor, das Fahrzeug anderweitig (zu einem niedrigeren Preis) zu veräußern, so kann der Versicherer das von ihm eingeholte höhere Restwertangebot seiner Abrechnung zugrunde legen. Der Geschädigte hat somit nicht dass Recht, die Schadensminderungsbemühungen des gegnerischen Versicherers ohne vernünftigen Grund zu durchkreuzen.

Veräußert der Geschädigte dagegen sein Fahrzeug, ohne ein Restwertangebot des gegnerischen Kraftfahrt-Haftpflichtverisicherers abzuwarten, so vermeidet er das Risiko, sein Fahrzeug zu einem zu geringen Erlös veräußert zu haben, wenn er ein Gutachten mit einer korrekten Wertermittlung einholt, auf dessen Grundlage er die Schadensberechnung vornehmen kann.

Etwas anderes kann gelten, wenn für den Geschädigten hinreichende Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Restwertermittlung des Gutachters erkennbar sind. Nach dem Urteil des LG Saarbrücken vom 19.12.08 reicht hierfür jedoch nicht aus, dass der Gutachter lediglich drei Restwertangebote eingeholt hat wenn diese Angebote nicht wesentlich von einander abweichen und zudem in zwei Fällen von Fachhändlern der klägerischen Fahrzeugmarke abgegeben worden sind. In einem solchen Fall kann der Geschädigte nach der Rechtsprechung des LG Saarbrücken mithin auf die Wertermittlung des Gutachters vertrauen.

Kann der Geschädigte aufgrund eigener sogenannter „überobligationenmäßiger“ Anstrengungen dagegen einen höheren Verkaufserlös erzielen als im Gutachten angegeben (d.h. er betreibt einen größeren Aufwand als rechtlich erforderlich, um ein besonders hohes Restwertangebot zu erzielen, z.B. durch die Einholung zahlreicher Restwertangebote), so braucht er sich diesen Mehrerlös nicht vom Schädiger anrechnen lassen. Der aufgrund seiner Anstrengungen erzielte Mehrerlös mindert also nicht seinen Schadensersatzanspruch. Lediglich wenn ihm das höhere Restwertangebot quasi „in den Schoß fällt“ muß er sich diesen höheren Restwert anrechnen lassen (s. Urteil des BGH vom 07.12.04). Die Beweislast dafür, dass der der Geschädigte zur Erzielung des höheren Restwertes keine überobligationenmäßigen Anstrengungen aufgewendet hat, trifft den Schädiger.

 

2. Restwert bei fiktiver Abrechnung

Anders ist die Situation, wenn der Geschädigte das Unfallfahrzeug nicht verkauft, sondern weiterhin nutzt. In diesem Fall wird für das Fahrzeug kein Restwert erzielt. Wenn also auch im Falle der Weiternutzung des Fahrzeugs auf Totalschadensbasis abgerechnet wird (z.B. weil die kalkulierten Reparaturkosten die 130-Prozent-Grenze überschreiten), so stellt die Berücksichtigung eines vom Versicherer ermittelten höheren Restwertangebots eine Schmälerung der Ansprüche des Geschädigten dar.

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 06.03.07 hierzu entschieden, dass der Geschädigte eine solche Schmälerung nicht hinzunehmen braucht. Wenn der Geschädigte das Fahrzeug nicht veräußert, sondern weiterhin nutzt, so ist derjenige Restwert maßgeblich, den der von dem Geschädigten eingeschaltete Sachverständige als Wert auf dem allgemeinen „örtlichen“ Markt ermittelt hat. Das von dem Versicherer eingeholte höhere Restwertangebt bleibt daher außer Betracht.

Hieraus ergibt sich auch, dass ein Gutachten, dass den Restwert nicht auf dem allgemeinen örtlichen Markt ermittelt, sondern die Angebote von Restwertaufkäufern zugrunde legt, in diesem Punkt für eine Schadensregulierung unbrauchbar ist (s. Urteil des BGH vom 12.07.05). Es ist daher darauf zu achten, wie der Gutachter zu dem von ihm kalkulierten Restwert gelangt ist, dies gilt insbesondere dann, wenn das Gutachten im Auftrag des unfallgegnerischen Kraftfahrt-Haftpflichtversicherers erstellt worden ist.


Rechtsprechung: