Unfälle mit Kindern im Straßenverkehr werfen komplexe haftungsrechtliche Fragen auf. Da Kinder im Verkehr oft unberechenbar handeln, gelten für sie und andere Verkehrsteilnehmer besondere Sorgfaltspflichten. Doch wer haftet, wenn es zu einem Unfall mit einem Kind kommt?
Besondere Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern
Gemäß § 3 Abs. 2a StVO müssen Fahrzeugführer gegenüber Kindern, älteren und hilfsbedürftigen Menschen besondere Rücksicht nehmen. Dies bedeutet insbesondere:
- Reduzierte Geschwindigkeit, wenn mit Kindern gerechnet werden muss (z. B. in Wohngebieten, vor Schulen oder Spielplätzen).
- Bremsbereitschaft, falls Kinder sich unvorhersehbar bewegen.
- Besonderes Augenmerk auf spielende Kinder, auch wenn sie sich nicht unmittelbar auf der Straße befinden.
Haftung bei Unfällen mit Kindern
Die Frage der Haftung hängt vom Alter des Kindes und den konkreten Umständen des Unfalls ab.
1. Kinder unter sieben Jahren: Keine Haftung
Nach § 828 Abs. 1 BGB sind Kinder unter sieben Jahren deliktsunfähig. Sie haften für Unfälle im Straßenverkehr grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme besteht, wenn sie vorsätzlich Schaden anrichten.
2. Kinder zwischen sieben und zehn Jahren: Eingeschränkte Haftung
Gemäß § 828 Abs. 2 BGB haften Kinder zwischen sieben und zehn Jahren nur, wenn sie den Unfall nicht im fließenden Verkehr verursacht haben. Beispiel:
- Ein Kind rennt plötzlich auf die Straße, und ein Auto erfasst es: Keine Haftung des Kindes, da es im fließenden Verkehr geschah.
- Ein Kind fährt mit dem Fahrrad gegen ein parkendes Auto: Mögliche Haftung, da kein fließender Verkehr betroffen ist.
3. Kinder ab zehn Jahren: Haftung nach Fahrlässigkeit
Ab dem vollendeten zehnten Lebensjahr können Kinder für ihr Verhalten haftbar gemacht werden, sofern sie fahrlässig gehandelt haben. Allerdings wird bei Kindern immer ein reduzierter Sorgfaltsmaßstab angelegt.
Mitverschulden und Betriebsgefahr
Auch wenn das Kind für den Unfall nicht haftet, kann eine Mitschuld des Fahrzeugführers bestehen. Die sogenannte Betriebsgefahr eines Autos spielt dabei eine wesentliche Rolle:
- Autofahrer müssen in Bereichen, in denen Kinder zu erwarten sind, besonders vorsichtig sein.
- Falls die Geschwindigkeit nicht angepasst wurde, kann eine Mithaftung des Autofahrers bestehen.
- In vielen Fällen wird die Betriebsgefahr des Autos mit 25 % bis 50 % angerechnet.
Beispiel aus der Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 30.11.2004 – VI ZR 335/03
Ein sechsjähriges Kind rannte plötzlich auf die Fahrbahn. Der Autofahrer konnte nicht mehr ausweichen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass das Kind nicht haftet, da es unter sieben Jahren war. Der Autofahrer musste jedoch seine Betriebsgefahr tragen.
Rechtsprechung zu Unfällen mit Kindern