Vernehmung als Beschuldigter

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Wird man von einer Behörde, üblicherweise der Polizei, zur Stellungnahme zu einem strafrechtlich relevanten Sachverhalt aufgefordert, sollte man seine Rechte und Pflichten kennen, um spätere Nachteile zu vermeiden. Die behördliche Aufforderung, zu einem bestimtmen Sachverhalt Auskünfte zu erteilen erfolgt üblicherweise über eine Ladung. Aus dieser sollte hervorgehen, ob man als Beschuldigter oder als Zeuge vernommen werden soll. Ist dies nicht der Fall, sollte man zunächst durch Nachfrage bei der zuständigen Behörde seinen verfahrensrechtlichen Status klären.

Insbesondere zu Anfang eines Ermittlungsverfahren ist es möglicherweise nicht eindeutig, ob man Beschuldigter oder lediglich Zeuge ist. Entdeckt z.B. ein Polizeibeamter eine Person, die sich nach einem schweren nächtlichen Verkehrsunfall hastig vom Unfallort entfernt, so kann er diese Person befragen, ohne ihn über seine Rechte belehren zu müssen. Diese sogenannte informatorische Befragung dient lediglich dazu, den Sachverhalt und auch die verfahrensrechtliche Stellung der befragten Person zu klären. Die in der informatorischen Befragung gemachten Äußerungen sind in der Regel in einem späteren Gerichtsverfahren verwertbar. Bei Äußerungen in solchen Befragungen ist daher Vorsicht geboten. Eine unbeachte Äußerung in einer informatorischen Befragung kann ein Fehler sein, der nicht mehr wiedergutzumachen ist.

Wird man als Beschuldigter vernommen, haben die Behörden bestimmte Belehrungspflichten einzuhalten. Dem Beschulidigten ist zunächst mitzuteilen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Hierauf sollte man Wert legen. Sätze wie "Es geht um einen Verkehrsunfall" oder "Sie sollen unter Alkoholeinfluß ein Kfz geführt haben" reichen als Belehrung über den Tatvorwurf nicht aus. Zu verlangen ist vielmehr eine genaue Angabe über Ort, Zeit und Art der Tatausführung.

Sodann ist der Beschuldigte über seine Rechte mündlich oder schriftlich zu belehren. Diese Belehrung kann auch schon in der Ladung enthalten sein. Eine typischer Belehrung sieht z.B. so aus:

Belehrung gemäß § 163 a StPO: Soweit sie als Betroffener oder Beschuldigter vernommen werden sollen, weise ich jetzt schon darauf hin, dass es Ihnen nach dem Gesetz freisteht, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Sie können außerdem zuvor und jederzeit einen von Ihnen zu wählenden Verteidiger befragen sowie einzelne Beweiserhebungen zu Ihrer Entlastung beantragen.

Wenn die Belehrung unterbleibt und der Beschuldigte in der Vernehmung Angaben zur Sache macht, können diese in einer späteren Gerichtsverhandlung nicht verwendet werden, wenn er sich auf eine ordnungsgemäßen Belehrung hin dafür entscheidet, nicht zur Sache auszusagen. Dies gilt jedoch nur für Angaben in einer Beschuldigtenvernehmnung, nicht für Angaben in einer informatischen Befragung.

Es kann für den Beschuldigten sehr nachteilig sein, bei einer Behörde Angaben zur Sache zu machen, ohne den Inhalt der amtichen Ermittlungsakten zu kennen. Möglicherweise liefert er durch seine eigene Aussage diejenigen Hinweise, die in einem späteren Gerichtsverfahren zu seiner Verurteilung führen. Der Beschuldigte selbst hat im Ermittlungsverfahren leider kein Akteneinsichtsrecht. Er kann jedoch einen Strafverteidiger mit seiner Verteidigung beauftragen; dieser kann Einsicht in die amtlichen Ermittlungsakten nehmen. Bereits aus diesem Grunde ist es meist ratsam, schon im Ermittlungsverfahren einen Strafverteidiger zu beauftragen.

Man sollte nicht darauf vertrauen, durch eine von Anfang an demonstrierte Aussagebereitschaft ein "reines Gewissen" zu dokumentieren oder durch Erscheinen bei der Polizei ohne einen Strafverteidiger eine besondere Schutzbedürftigkeit für sich in Anspruch nehmen zu können. Die Ermittler sind im allgemeinen Profis die ihre Arbeit - die Aufklärung des Sachverhalts - ordnungsgemäß erledigen wollen. Im übrigen entscheidet auch nicht die Polizei, sondern die Staatsanwaltschaft und das Prozeßgericht über den Fortgang des Verfahrens.

Es fällt Beschuldigten oft schwer, von ihrem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Im gesellschaftlichen Umgang gilt es als unhöflich, eine gestellte Frage nicht zu beantworten. Oft verstehen die Beschuldigten den Tatvorwurf als eine Art Mißverständnis, das es so schnell wie möglich auszuräumen gilt. Einen geäußerten Vorwurf unkommentiert stehen zu lassen, ohne sich dagegen zu verteidigen, wirkt gesellschaftlich wie ein "Ausdruck von Feigheit" oder gar als "stillschweigendes Geständnis". Von derartigen Verhaltensmustern sollte man sich als Beschuldigter keinesfalls leiten lassen. Der Beschuldigte ist in keiner Weise verpflichtet, in einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren an der Aufklärung des Sachverhaltes aktiv mitzuwirken. Wenn man sich daher dazu entschließt, den Behörden bei ihren Ermittlungen behilflich zu sein, sollte man sich dessen bewußt sein, dass man damit zu der Sachverhaltsgrundlage beiträgt, aufgrund derer später möglicherweise ein Urteil ergeht.

Die Entscheidung, sich zum Tatvorwurf einzulassen oder zu schweigen ist eine strategische Entscheidung, die guter Überlegung bedarf. Will man einen Strafverteidiger beauftragen, ist es im Regelfall sinnvoll, zunächst zum Tatvorwurf zu schweigen und den Rat des Verteidigers einzuholen.

Aus der Wahrnehmung des Schweigerechts dürfen dem Beschuldigten keine Nachteile erwachsen. Ein Gericht darf später aus der Tatsache, dass der Angeklagte sich nicht zum Tatvorwurf einläßt, keine für diesen nachteilige Schlüsse ziehen. Dies gilt allerdings nur für das vollständige Schweigen zum Tatvorwurf. Ein Schweigen nur zu einzelnen Fragen kann dagegen zu seinem Nachteil ausgelegt werden. Dies sollte man beherzigen, wenn man im Ermittlungsverfahren gedrängt wird, doch zumindest zu einigen, harmlos erscheinenden Fragen Stellung zu nehmen.

Nicht zur Sache auszusagen bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, völlig untätig zu bleiben. Der Beschuldigte hat, auch wenn er schweigt, das Recht, Beweiserhebungen zu beantragen. Auf diese Möglichkeit kann man auf das Verfahren einwirken, ohne eine förmliche Einlassung abgeben zu müssen. Es sollte jedoch sehr genau darauf geachtet werden, keine inhaltliche Stellungnahme zur Sache abzugeben, die als Einlassung gewertet werden könnte; es ist daher ratsam, solche Anträge durch seinen Strafverteidiger stellen zu lassen.

Wenn man sich dafür entscheidet, bei den Ermittlungsbehörden auszusagen, sollte man sehr genau darauf achten, wie diese Äußerung protokolliert wird. Am besten man fragt während der Vernehmung nach, was der Beamte soeben in das Protokoll aufgenommen hat. Wird man aufgefordert, das Protokoll zu unterschreiben, sollte man sich den gesamten Text aufmerksam durchlesen und ohne Hemmungen Streichungen und Verbesserungen vornehmen. Ist man mit dem Text nicht vollständig zufrieden, sollte man die Unterschrift verweigern.