OLG München - Urteil v. 08.11.19

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Zum Inhalt der Entscheidung: In der Vollkaskoversicherung muss der Versicherungsnehmer nachweisen, dass der anspruchsbegründende Schaden auf einen Unfall zurückzuführen ist. Der Beweis gelingt nicht, wenn das Fahrzeug keine Spuren aufweist, die auf eine mechanische Einwirkung von außen auf die schadensauslösende Teile (hier: Keilrippenriemen) hindeuten.

 

Oberlandesgericht München

Urteil vom  08.11.2019

10 U 2305/19

Tenor
1. Die Berufung des Klägers vom 08.05.2019 gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 04.04.2019 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil des Landgerichts Landshut und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.
Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen seine Vollkaskoversicherung auf Bezahlung des streitgegenständlichen Motorschadens verneint.

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Eigentümer eines Pkw VW, Typ Kombi 2.0 TDI, amtl. Kz.: …53, das bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer …77 vollkaskoversichert war.

In den Versicherungsbedingungen ist unter Ziffer A. 2.2.2.2. vereinbart:
„Versichert sind Schäden am Fahrzeug durch Unfall. Ein Unfall ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis“.

Der Kläger behauptete, dass er zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zum Angeln beabsichtigte, an einer Nebenstraße (Kiesauffahrt) in N. zu wenden. Hierzu fuhr er rückwärts in die Nebenstraße (mit Kies aufgeschüttete Auffahrt zu einer Autobahnbaustelle) ein. Beim anschließenden Vorwärtsfahren bergab habe er versehentlich zu früh nach links gelenkt, wodurch sein Fahrzeug ins Rutschen gekommen und seitlich an der Auffahrt hinabgerutscht sei. Nach 50 - 100m Fahrtstrecke habe dann eine Motorwarnmeldung aufgeleuchtet und es sei ein Motorschaden entstanden, weil der Keilriemen die Steuerkette beschädigt habe.

Der Kläger musste nachweisen, dass es sich bei dem Motorschaden um Folge eines versicherten Unfalls gemäß Ziffer A. 2.2.2.2. der Versicherungsbedingungen handelt und nicht um einen nicht versicherten sog. Betriebsschaden.

Dieser Nachweis ist dem Kläger nicht gelungen.

Der Senat hat hierzu den Kläger zum Ablauf der Geschehnisse sowie den Sachverständigen H. ergänzend angehört.

Auf Grund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen H. steht fest, dass ein kausaler Bezug zwischen dem Abrutschen und dem eingetretenen Motorschaden nicht beweissicher gem. § 286 ZPO festgestellt werden kann.

An der Fahrzeugunterseite sehe man in dem Bereich, wo an dem quer eingebauten 4-Zylinder-Motor der Keilrippenriemen und der Zahnriemen verbaut sind, keine Schmutzanhaftungen, die beispielsweise dadurch erklärbar wären, wenn das Fahrzeug beim Zurückkippen so weit einfedert, dass es mit der Fahrzeugunterseite auf dem Gelände aufschlägt. Man sehe auf den Lichtbildern Nummer 8 und 9, wo die Unterseite des Fahrzeuges gekapselt ist durch Abschirmbleche und wo nur vier Bohrungen vorhanden sind, um mit Werkzeug an das Fahrzeug zu gelangen. Nur in diesem Bereich wäre es möglich, dass Schotter oder Steinchen in den Motorraum gelangen können. Er kenne aus der Schadenspraxis keinen Fall, wo sich eine derartige Schadenssymptomatik rekonstruieren hat lassen, wie das für das kausale Verursachen erforderlich wäre. Im hier vorliegenden Fall sei der Schaden dadurch verursacht worden, dass der Keilrippenriemen an einer Seite sich aufgelöst habe und Fragmente dieses abgelösten Riemens in den daneben verlaufenden Zahnriemen gelangt seien, der die Motorsteuerung (Ventile) durchführt. Dieser Keilriemen sei bei der Untersuchung durch den Sachverständigen L. (im Auftrag der Beklagten) nur insofern überprüft worden, als er an einer einzigen Stelle, die jedoch nicht schadensursächlich ist, vgl. Lichtbild 14-16, eine Oberflächenbeschädigung zeige. Er habe jedoch keine Aussage dazu getroffen, warum sich die äußere Bahn des Rippenriemens aufgelöst hat, die letztlich den Folgeschaden verursacht hat. Dazu hätte der Riemen untersucht werden müssen. Derzeit sei deshalb allein aus den vorliegenden Beweismitteln die Schadensverursachung des Motorschadens durch eintretende Steinchen / Kies beim Abrutschen nicht feststellbar (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2019, Bl. 24/31 OLG).

In der Beweisverhandlung hat der Kläger gegen diese nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen keine Einwände erhoben. Da gerade Motorschäden auch bei nicht verunfallten Fahrzeugen anzutreffen sind und im Übrigen auch schon früher Steine in den Motorraum gelangt sein können (der Kläger gab an, dass er mit diesem Fahrzeug zum Angeln immer wieder in unbefestigtem Gelände gefahren sei), reichte der womöglich auch nur zufällige zeitliche Zusammenhang des Abrutschmanövers und des kurz danach festgestellten Motorschadens alleine nicht aus, den Schaden einem Unfallereignis zuzuordnen. Ein derartiger Bezug wäre nach dem Sachverständigen bei dem geschilderten Fahrmanöver sowieso schon ungewöhnlich; jedenfalls hätte allenfalls eine genaue Materialuntersuchung des Keilrippenriemens Klarheit schaffen können. Da der Kläger diesen jedoch nicht untersuchen ließ und dieser heute auch nicht mehr vorhanden ist, konnte der Kläger den ihm obliegenden Beweis nicht erbringen, weshalb die Klage bereits in erster Instanz im Ergebnis zutreffend abgewiesen wurde.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.