LG Bonn - Urteil vom 20.08.08

Drucken

Zum Inhalt der Entscheidung: Eine Fachwerkstatt, die wirtschaftlich mit dem Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners verbunden ist (hier: Sonderkonditionen für den Versicherer aufgrund einer Vielzahl vermittelter Aufträge), ist keine "mühelos ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit" im Sinne des sog. "Porsche-Urteils" des BGH.

 

Landgericht Bonn

Urteil vom 20.08.08

5 S 96/08

Aus den Gründen

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz des restlichen Sachschadens sowie Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall vom (...), für dessen Folgen die Beklagten unstreitig allein einzustehen haben, in Anspruch.

Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Zur Begründung der Klageabweisung hat es ausgeführt, dass der Kläger sich bei seiner fiktiven Abrechnung auf die Stundenverrechnungssätze der Firma T verweisen lassen müsse. Der Kläger hätte ohne nennenswerte Nachteile sein Fahrzeug zu den von der Beklagten zu 2) genannten günstigeren Stundenverrechnungssätzen reparieren lassen können. Insbesondere entstehe dem Kläger kein Nachteil dadurch, dass die Werkstatt der Firma T weiter entfernt von seinem Wohnsitz sei als die "um die Ecke liegende" Werkstatt der Firma H, deren Stundenverrechnungssätze der Kläger seiner Abrechnung zugrunde lege. Insbesondere gebiete die dem Kläger obliegende Schadensminderungspflicht, die günstigeren Stundenverrechnungssätze seiner Abrechnung zugrunde zu legen. Es bestehe auch kein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes. Die aus den vorgelegten ärztlichen Attesten ersichtlichen unfallbedingten Verletzungen seien mit der Zahlung der von der Beklagten zu 2) bereits geleisteten € 300,00 angemessen ausgeglichen.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge vollumfänglich weiter verfolgt. Zur Begründung führt er aus, dass er sich nicht auf eine Reparatur bei der Firma T verweisen lassen müsse. Der BGH habe in seinem Urteil vom 29.04.2003 – VI ZR 38/02 – (sog. "Porsche-Urteil") zwar entschieden, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit habe, sich auf diese verweisen lassen müsse. Vorliegend sei aber nicht von der Ortsnähe der Firma T auszugehen. Diese liege 23 km von seinem Wohnhaus entfernt, die Firma H jedoch nur ca. 500 Meter. Es spiele auch keine Rolle, dass die Firma T über einen kostenlosen Hol- und Bringservice verfüge, was im Übrigen erst im Laufe des Verfahrens erster Instanz von den Beklagten behauptet und von ihm bestritten worden sei. Zudem sei entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens € 650,00 angemessen.

Die Beklagten verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages das angefochtene Urteil und beantragen die Zurückweisung der Berufung.

In der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2008 haben die Parteien einen Zwischenvergleich geschlossen, in dem die Beklagten sich verpflichtet haben, zum Ausgleich des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs an den Kläger weitere 200,00 € zu zahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden und Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist im noch zur Entscheidung stehenden Umfang begründet.

1. Dem Kläger steht aufgrund des Verkehrsunfalls vom (...) über den von den Beklagten bereits regulierten Betrag hinaus ein weiterer Anspruch auf Ersatz des Sachschadens in Höhe von 338,85 € aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG zu.

a) Dass die Beklagten dem Kläger gegenüber für die Folgen des Unfallereignisses in vollem Umfang einzustehen haben, ist unstreitig. Uneinigkeit besteht zwischen den Parteien nur darüber, ob die Beklagten bei der von dem Kläger vorgenommenen Abrechnung auf Gutachtenbasis auch zum Ersatz der in dem Gutachten des Herrn Dipl.-Ing. U ausgewiesenen Arbeitskosten für Karosserie- und Lackierarbeiten, denen ein Stundenverrechnungssatz von 89,50 € sowie ein Lackmaterialaufschlag von 40 % zugrunde liegt, verpflichtet sind oder ob deren Ersatzpflicht sich der Höhe nach auf die Stundenverrechnungssätze der T & X GmbH (Arbeitslohn Karosserie: 73,00 €/ Arbeitslohn Lackierung incl. Lackmaterialaufschlag: 98,00 €) beschränkt.

b) Art und Umfang des zu leistenden Ersatzes bestimmen sich nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB i. d. F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 (BGBl. I, S. 2674), der nach Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB auf alle schädigenden Ereignisse nach dem 31.07.2002 Anwendung findet. Das schadensersatzrechtliche Ziel der Restitution beschränkt sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht auf eine Wiederherstellung der beschädigten Sache; es besteht vielmehr in umfassender Weise darin, einen Zustand herzustellen, der wirtschaftlich gesehen der ohne das Schadensereignis bestehenden hypothetischen Lage entspricht (vgl. BGH, NJW 2007, 67, 68). Dabei stehen dem Geschädigten bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution offen, nämlich einerseits die Reparatur des Unfallfahrzeugs, andererseits die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs (vgl. BGH, NJW 2005, 2541). Sieht der Geschädigte – wie vorliegend – davon ab, eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen, so kann er gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Ersatz der objektiv erforderlichen Kosten einer fiktiven Reparatur geltend machen. Dabei hat der Geschädigte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. BGH NJW 2003, 2086).

Jedoch ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei genügt aber im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern dieses Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Denn bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (vgl. BGH NJW 2003, 2086, 2087). Vorliegend bestreiten die Beklagten nicht, dass die von Dipl.-Ing. U im Schadensgutachten vom 06.12.2006 zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze den bei einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Lohnkosten entsprechen, sondern berufen sich lediglich darauf, dass die T GmbH aufgrund eines mit der Beklagten zu 2) bestehenden Partnervertrages Kunden, für deren Reparaturkosten die Beklagte zu 2) einzutreten hat, günstigere Stundensätze berechnet.

Den Beklagten ist dabei im Grundsatz zuzugeben, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf diese verweisen lassen muss (vgl. BGH, NJW 2003, 2086, 2087). Von einer entsprechenden Konstellation kann indes im Streitfall nicht ausgegangen werden.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass es sich nach dem Sachvortrag der Beklagten bei der T GmbH um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt, so dass es auch auf die in der landgerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage nicht ankommt, ob in denjenigen Fällen, in denen der Geschädigte auf Gutachtenbasis fiktiv abrechnet und ihm vom Schädiger bzw. dessen Versicherer konkret ohne Weiteres zugängliche Möglichkeiten einer technisch einwandfreien und günstigeren Reparatur in einer nicht markengebundenen – freien - Fachwerkstatt aufgezeigt werden, der Geschädigte sich auf diese Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen muss (so etwa LG Potsdam, NJW-Spezial 2008, 107; LG Berlin, NJW-RR 2007, 20, 21; LG Heidelberg, Urteil vom 25.04.2006 – 2 S 55/05, zitiert nach juris; a.A.: LG Bonn, Urteil vom 05.03.2008, 5 S 168/07; LG Bonn, Urteil vom 15.05.2007, 8 S 8/07; LG Mainz, Urteil vom 31.05.2006, 3 S 15/06, zitiert nach juris; LG Trier, Urteil vom 20.09.2005, 1 S 12/05, BeckRS: 2006 Nr. 02543; AG Aachen, Urteil vom 14.06.2005, 5 C 81/05, BeckRS: 2005 Nr. 09994), .

Bei der dem Kläger seitens der Beklagten zu 2. aufgezeigten Reparaturmöglichkeit bei der T GmbH handelt es sich aber bereits deshalb nicht um eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit, auf die der Kläger sich auch bei tatsächlicher Durchführung der Reparatur verweisen lassen müsste, weil die T GmbH mit der Beklagten zu 2. durch einen Partnervertrag verbunden ist, aufgrund dessen denjenigen Kunden, für deren Reparaturkosten die Beklagte zu 2. einzustehen hat, - nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten wegen der Vielzahl der vermittelten Instandsetzungen - Sonderkonditionen angeboten werden, die gegenüber den regulären Stundensätzen markengebundener Fachwerkstätten günstiger sind. Dies widerspräche nach Auffassung der Kammer der Intention des § 249 Abs. 2 BGB. Die Vorschrift ermöglicht dem Geschädigten nämlich durch die fiktive Abrechnung der Reparaturkosten einen Schadensausgleich, ohne dass dieser gehalten ist, dem Schädiger das verletzte Rechtsgut zur Naturalrestitution anzuvertrauen (vgl. Heinrichs in: Palandt, BGB, 67. Aufl., § 249 Rn. 5; Schiemann in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2005, § 249 Rn. 210). Das Grundanliegen dieser Vorschrift, dem Geschädigten die Möglichkeit zu eröffnen, die Schadensbehebung in eigener Regie durchzuführen, darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht aus den Augen verloren werden (vgl. BGH, NJW 2003, 2086). Der Verweis des Geschädigten auf eine wirtschaftlich mit der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Schädigers verbundene Fachwerkstatt entwertet aber das Recht des Geschädigten, die Reparatur zu üblichen Konditionen in Eigenregie vornehmen zu können. Zudem muss er aufgrund der wirtschaftlichen Verbundenheit der Werkstatt mit dem beklagten Versicherer befürchten – mag sich die Befürchtung in concreto auch nicht realisieren -, dass dieser bei der Reparatur auch (nachvollziehbare) Interessen des Schädigers wahrnimmt, den Schaden möglichst gering zu halten (i.E. ebenso: AG Nürtingen, NJW 2007, 1143 f.; a.A. LG Köln, Urteil vom 29.01.2008, 11 S 1/07).

Zu erstatten sind danach die von dem Gutachten Dip.-Ing. U ermittelten Netto-Reparaturkosten in Höhe von 2.462,85 € abzüglich einer Wertverbesserung in Höhe von 120,65 €. Unter Berücksichtigung der vorgerichtlich geleisteten Zahlung der Beklagten auf die Reparaturkosten von 2.003,35 € verbleibt ein Betrag von 338,85 €.

(...)