Die Vorschrift des § 315c StGB zählt zu den zentralen Normen des deutschen Verkehrsstrafrechts. Sie erfasst gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, insbesondere durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten. Ob Alkohol- oder Drogenfahrten, Übermüdung, grobe Verkehrsverstöße oder riskante Überholmanöver – die Rechtsprechung der Gerichte zeigt, wie vielfältig und komplex die Anwendung dieser Norm in der Praxis ist.
In dieser Entscheidungssammlung finden Sie aktuelle und richtungsweisende Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH), der Oberlandesgerichte (OLG) sowie einiger Landgerichte zu § 315c StGB. Die Leitsätze beleuchten unter anderem:
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Wann ein Überholvorgang als „falsches Fahren“ gewertet wird,
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unter welchen Voraussetzungen eine konkrete Gefährdung vorliegt,
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wie Gerichte mit Alkohol- oder Drogenkonsum im Straßenverkehr umgehen,
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sowie die Anforderungen an Vorsatz, Rücksichtslosigkeit und die Tatbeteiligung als Mittäter.
- BGH – Beschluss vom 19.12.24: Auch wer das Tatfahrzeug nicht eigenhändig lenkt, kann als Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB anzusehen sein.
- BayObLG – Beschluss vom 22.07.24: Ein Fehlverhalten nach Abschluss des Überholens wird nicht von § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB erfasst.
- BGH – Beschl. v. 15.03.18: Ein falsches Fahren beim Überholen ist gegeben, wenn der Täter eine der in § 5 StVO normierten Regeln verletzt oder einen anderweitigen Verkehrsverstoß begeht, der das Überholen als solches gefährlicher macht, sodass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verkehrsverstoß und der spezifischen Gefahrenlage des Überholens besteht.
- OLG Koblenz – Beschluss v. 19.12.17 – 1. Wegen ungenügender Aussagekraft reichen zur Feststellung einer konkreten Rechtsgutgefährdung wertende Begriffe wie z.B. Notbremsung , Vollbremsung oder scharfes Abbremsen nicht aus. 2. In subjektiver Hinsicht darf die Rücksichtslosigkeit des Täters nicht allein aus dem äußeren Tatgeschehen geschlossen werden. Bedeutung gewinnen können der Grad der objektiven Verkehrswidrigkeit, vorangehendes oder nachfolgendes Verhalten des Täters und der Ausschluss entlastender subjektiver Faktoren, wie ein mögliches Augenblicksversagen, Schreck, Eile aus nachvollziehbaren Gründen.
- OLG Düsseldorf – Beschluss v. 08.06.17: Allein aus einer hohen Blutalkoholkonzentration des Täters zur Tatzeit kann nicht auf einen Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit geschlossen werden.
- BGH – Beschluss vom 27.04.2017: Eine riskante Fahrweise allein erfüllt nicht den Tatbestand des § 315c Abs. 1 StGB. Erforderlich ist ein „Beinahe-Unfall“, also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, „das sei noch einmal gut gegangen“.
- BGH – Beschluss vom 22.11.16: 1. Ein falsches Fahren bei einem Überholvorgang liegt vor, wenn der Täter eine der in § 5 StVO normierten Regeln verletzt oder einen anderweitigen Verkehrsverstoß begeht, der das Überholen als solches gefährlicher macht, sodass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verkehrsverstoß und der spezifischen Gefahrenlage des Überholens besteht. 2. Daran gemessen liegt ein Falschfahren bei einem Überholvorgang vor, wenn die gefahrene Geschwindigkeit ein Anhalten innerhalb der übersehbaren Strecke unmöglich macht ( § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO ) und gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO (zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften) verstoßen wird.
- OLG Koblenz – Beschluss vom 17.03.16: Zu den Tatbestandsmerkmalen „rücksichtslos“ und „Gefährdung“ in § 315c StGB.
- KG Berlin – Beschluss v. 13.01.16: Bei einer Verurteilung nach § 315c StGB wegen eines gefährlichen Überholmanövers muss das Urteil Ausführungen zur Geschwindigkeit des Angeklagten enthalten.
- OLG Naumburg – Beschluss vom 24.08.15: Eine falsche Einschätzung einer Verkehrssituation kann nicht ohne weiteres als alkoholbedingte Ausfallerscheinung gewertet werden.
- BGH – Beschluss v. 21.12.11: Anders als bei Alkohol kann der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a., § 316 StGB nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Es bedarf daher noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern.
- LG Traunstein – Beschluss vom 08.07.11: Nicht jegliche Ermüdung eines Kraftfahrer führt zur Bejahung der Tatbestandsvoraussetzung des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 b StGB. Zu verlangen ist vielmehr ein solcher Übermüdungszustand, der für den Beschuldigten die erkennbare Erwartung eines nahenden Sekundenschlafes mit sich bringt.
- BayObLG – Urteil vom 07.11.1997: 1. Die Schadenshöhe bemißt sich in § 315c StGB – anders als bei § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB – nach der Minderung des Verkehrswerts der beschädigten Sache. 2. Ein Schaden von 1400 DM ist kein bedeutender Schaden im Sinne des § 315c StGB.