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OLG Stuttgart – Urteil v. 07.08.81

Zum Inhalt der Entscheidung: Der an der Unfallstelle anwesende Halter und Eigentümer eines Kraftfahrzeugs muss einen Unfallflüchtigen, dem er sein Fahrzeug überlassen hatte, im Rahmen des Zumutbaren am Wegfahren hindern. Tut er dies nicht, leistet er Beihilfe zu einer Fahrerflucht.

Oberlandesgericht Stuttgart

Urteil vom 07.08.1981

4 Ss (14) 394/81

Aus den Gründen:

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort zu der Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 35,- DM und verhängte gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat. Seine Berufung verwarf die Strafkammer mit der Maßgabe, dass das Fahrverbot wegfiel. Mit der Revision erhebt der Angeklagte die Sachrüge und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

Nach den Urteilsfeststellungen überließ der Angeklagte in der Nacht zum 1. Mai 1980 einem Freund seinen Personenkraftwagen. Noch im Beisein des – nicht mitfahrenden – Angeklagten und weiterer Augenzeugen verursachte der Freund beim Ausparken einen Unfall mit erheblichem Fremdschaden. Er verließ mit dem Auto des Angeklagten alsbald die Unfallstelle, um sich den notwendigen Feststellungen im Sinne des § 142 StGB zu entziehen. Der Angeklagte schritt nicht dagegen ein, obwohl ihm dies ohne weiteres möglich gewesen wäre; vielmehr nahm er das Verhalten des Freundes billigend in Kauf.

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort durch Unterlassen (§§ 142, 27, 13 StGB).

Zutreffend hat die Strafkammer zunächst eine Täterschaft des Angeklagten nach § 142 StGB verneint, da auszuschließen war, dass eigenes pflichtwidriges Verhalten zu dem Unfall beigetragen haben könnte (vgl. dazu BGH VRS 24, 35; BayObLG VRS 12, 115). Deshalb traf ihn die Warte- und Duldungspflicht nicht in seiner Person.

Er kam deshalb nur als Gehilfe in Betracht. In Rechtsprechung und Schrifttum ist seit langem anerkannt, dass Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort durch Unterlassen geleistet werden kann (BGH aaO; OLG Düsseldorf VerkMitt 1966 42; BayObLG bei Rüth DAR 1976, 174; Preisendanz, StGB 30. Aufl. § 142 Anm. 3; Bär- Hauser, Unfallflucht, Stand: 1. Juli 1980, I/3 c und e). Dies setzt voraus, dass eine Erfolgsabwendungspflicht nach § 13 StGB besteht. Eine solche ist wiederholt angenommen worden für den mitfahrenden Kraftfahrzeughalter; er soll verpflichtet sein, den Unfallverursachenden Führer, dem er das Fahrzeug überlassen hat, an der Weiterfahrt zu hindern (BayObLG je aaO; OLG Düsseldorf aaO).

Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an und erstreckt sie auch auf den hier gegebenen Fall, dass der Fahrzeughalter zwar nicht mitfährt, aber zum Zeitpunkt des Schadenseintritts am Unfallort anwesend ist.

Die Pflicht, den Unfallverursacher in solchen Fällen am Entfernen zu hindern, kann allerdings nicht aus dem Gesichtspunkt eines gefahrsetzenden Vorverhaltens (Überlassung des Fahrzeugs) hergeleitet werden. Der Ermächtigungsakt ist wertneutral, wenn ihm nicht im Einzelfall gefahrbringende Momente innewohnen, die, lägen sie vor, eine eigene Wartepflicht begründeten. Die Pflicht des Halters zum Einschreiten resultiert erst recht nicht aus einer personenbezogenen Überwachungs- und Weisungsbefugnis. Eine generelle Einstandspflicht des Halters für das eigenverantwortliche Fluchtverhalten des Fahrers gibt es nicht (insoweit zutreffend Schönke-Schröder, StGB 20. Aufl. § 142 Rdn. 62 und § 13 Rdn. 43). So scheiden von vornherein diejenigen Fälle aus der Betrachtung aus, in denen der Halter duldet, dass der Fahrer sich etwa zu Fuß oder mit einem anderen Verkehrsmittel als dem zuvor benutzten entfernt (zu weitgehend deshalb Jagusch, Straßenverkehrsrecht 23. Aufl. § 142 StGB Anm. 6, wonach der mitfahrende Halter dafür sorgen muss, dass der Fahrer wartet).

Die in Rede stehende Hinderungspflicht kann all dem zufolge nur dem sachbezogenen Umstand der Verfügungsbefugnis über das Fluchtfahrzeug entnommen werden. Entgegen Oberlandesgericht Düsseldorf aaO erwachsen Pflicht und Recht des Halters zum Eingreifen indes nicht aus seiner möglichen Verpflichtung zum Ersatz des entstandenen Sachschadens (§ 7 Abs. 1 StVG) und aus seiner Mitverantwortlichkeit für den vorschriftsgemäßen Zustand des Fahrzeugs (§ 7 Abs. 1 Satz 3 und 4 StVO a. F.). Jene Vorschrift begründet nur einen Anspruch auf Schadensersatz; eine weitergehende Pflicht zur Erhaltung von Beweismitteln resultiert daraus nicht; sie besteht nur für den Unfallbeteiligten im Rahmen des § 142 StGB. Die letztgenannte Norm behandelt die Verantwortlichkeit für technische Mängel; ein Bezug zu der hier aufgeworfenen Frage besteht nicht.

Hingegen ergibt sich die Garantenpflicht des am Unfallort anwesenden Eigentümers – gleich, ob er mitfährt oder nicht aus seiner Sachherrschaft und Verfügungsberechtigung über das Fahrzeug (vgl. Jescheck in LK 14. Aufl. § 13 Rdn. 40). Er muss einschreiten, wenn in seiner Anwesenheit der Unfallverursacher sich anschickt, den seiner Verfügungsgewalt unterstehenden Kraftwagen als Mittel für eine strafbare Handlung (§ 142 StGB) einzusetzen. Dies bedeutet keineswegs, dass der Halter eine generelle Einstandspflicht hätte, wenn das Verhalten eines eigenverantwortlichen Dritten das Fahrzeug zu einer Gefahr werden lässt (vgl. dazu Schönke-Schröder aaO § 13 Rdn. 43). Die Verpflichtung zum Einschreiten besteht aber jedenfalls dann, wenn der Täter in Anwesenheit des Verfügungsberechtigten unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung schreitet, d. h., das Fahrzeug als Mittel und Werkzeug für eine strafbare Handlung jetzt und hier benutzt. Entsprechend lag der vorliegende Fall.

Schließlich hat die Strafkammer die Kausalität zwischen dem Unterlassen und dem eingetretenen Erfolg zutreffend bejaht. Zwar beschränkt sie sich auf die Feststellung, dem Angeklagten wäre es leicht möglich gewesen, seinen Freund am Wegfahren zu hindern, ohne konkrete Handlungsweisen zu benennen, deren der Beschwerdeführer sich hätte befleißigen sollen. Solche lagen aber auf der Hand, sei es etwa, dass der Angeklagte den nach wie vor seiner Disposition unterliegenden Schlüssel an sich nahm, sei es, dass er selbst auf dem Führersitz Platz nahm.

Da das angefochtene Urteil auch im übrigen einen Rechtsfehler nicht aufweist und die Verfahrensrüge nicht in die Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben ist, hat die Verurteilung zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort Bestand.

(…)