Zum Inhalt der Entscheidung: Der von den Verkehrsteilnehmern selbständig befahrene Bereich einer Waschstraße gehört zum öffentlichen Verkehrsraum im Sinne des § 142 StGB.
Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss vom 04.06.2018
Tenor
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 5. Februar 2018 wird auf ihre Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Osnabrück hat die Angeklagte am 5. Februar 2018 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 80 Euro verurteilt. Ferner hat es ihr die Fahrerlaubnis entzogen, ihren Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihr vor Ablauf von noch neun Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Sprungrevision. Sie hält die Tatbestandvoraussetzungen von § 142 StGB, insbesondere das Vorliegen eines Unfalls im Straßenverkehr, für nicht gegeben. Darüber hinaus habe das Amtsgericht zu Unrecht das Vorliegen eines bedeutenden Schadens im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB angenommen; zudem werde die Verhängung der Maßregel den Besonderheiten des Falles nicht gerecht.
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
Die Überprüfung des Urteils lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen.
1. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
a) Nach den Feststellungen des Amtsgerichts fuhr die Angeklagte am 19. Juni 2017 gegen 16:10 Uhr trotz des deutlich sichtbaren Schildes „Ausfahrt“ mit dem auf sie zugelassenen Ford Focus Kombi mit dem amtlichen Kennzeichen pp. versehentlich von der falschen Seite in die Waschanlage der PP.-Tankstelle am pp. in pp. ein, da sie die Waschanlage von früheren Besuchen her kannte und sich die Einfahrt etwa ein Jahr zuvor noch auf der anderen Seite der Waschanlage befunden hatte. Bei der Einfahrt stieß die Angeklagte mit ihrem PKW so heftig gegen das Portal der Waschanlage, dass dieses wackelte und die neben der Waschanlage stehende Filialleiterin der Tankstelle, die Zeugin B., alarmiert wurde. Die Zeugin B. ging daraufhin in die Waschanlage und sprach die Angeklagte auf ihren Irrtum an. Die Angeklagte stieg aus ihrem Fahrzeug und erklärte, dass sie schon immer von dieser Seite in die Waschanlage fahre und nun ihr Auto waschen möchte. Zudem fragte die Angeklagte, warum „dieses Ding da herumstehen“ würde und wies dabei auf das Portal der Waschanlage. Anschließend stieg die Angeklagte wieder in ihr Fahrzeug und versuchte rückwärts aus der Waschanlage zu fahren. Dabei stieß sie nochmals gegen das Portal der Waschanlage, stieg erneut aus und sah sich um. Die Angeklagte stieg danach wieder in ihren PKW und setzte weiter zurück, wobei sie zum dritten Mal gegen das Portal der Waschanlage stieß. Im weiteren Verlauf des Zurücksetzens fuhr sie dann auch noch gegen den vor der PP.-Tankstelle befindlichen Bordstein. Nach dem vollständigen Herausfahren aus der Waschanlage erkannte die Zeugin B., dass die Angeklagte bei den Kollisionen mit dem Portal der Waschanlage die Bürsten der Waschanlage teilweise abgebrochen hatte, und sprach die Angeklagte durch die heruntergelassene Scheibe auf der Fahrerseite auf die Beschädigung an. Konkret fragte sie, was die Angeklagte jetzt machen wolle, sie habe ihre Waschanlage “kaputt gemacht“. Die Angeklagte erwiderte, sie habe nichts „kaputt gemacht“, und fuhr davon, ohne jegliche Angaben zu ihrer Person zu machen, obwohl sie wusste, dass sie durch die zahlreichen Kollisionen mit der Waschanlage möglicherweise einen erheblichen Schaden verursacht hatte. Sie wollte sich den Feststellungen und Konsequenzen ihres Verhaltens entziehen. An der Waschanlage, deren Betrieb aufgrund des Schadens zunächst für mehrere Tage eingestellt werden musste, entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 1.600 Euro. Neben den abgebrochenen Bürsten war durch die Wucht des Anpralls auch der Schlitten, an welchem die Bürsten befestigt waren, verbogen.
Erst nachdem die Polizei die Wohnung der Angeklagten am Folgetag wegen des Vorfalls aufgesucht hatte, meldete sich der Ehemann der Angeklagten bei der Tankstelle wegen des entstandenen Sachschadens. Dieser ist zwischenzeitlich durch die Versicherung der Angeklagten reguliert worden.
b) Nach den Feststellungen des Amtsgerichts steht zunächst fest, dass sich die Angeklagte als Unfallbeteiligte nach einem Unfall vom Unfallort entfernt hat, bevor sie zugunsten der Geschädigten die Feststellung Ihrer Person ermöglicht hatte, wobei durch den Unfall ein bedeutender Schaden entstanden war. Soweit sich die Revision mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts gegen die Feststellung der Schadenshöhe von 1.600 Euro wendet und meint, diese finde in dem Beweisergebnis keine Stütze, führt sie damit in der Sache die ebenfalls erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts aus. Diese deckt indessen, da das Amtsgericht zu seinen Feststellungen zur Schadenshöhe in nicht zu beanstandender Weise aufgrund der Aussage der Zeugin B… gelangt ist, einen entsprechenden Rechtsfehler nicht auf.
Die auch im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts belegen zudem das Vorliegen eines Unfalls im Straßenverkehr. Zum öffentlichen Straßenverkehr im Sinne von § 142 StGB gehören außer den öffentlichen Straßen alle Verkehrsflächen, auf denen aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten die Benutzung durch jedermann tatsächlich zugelassen ist. Erfasst sind damit auch private Zufahrtswege, wenn sie einem unbestimmten Personenkreis zur Nutzung offenstehen. Dazu zählen etwa die Zu- und Ausfahrten eines Tankstellengeländes sowie der Tanksäulenbereich selbst (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 142 Rz. 8). Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt nur dann, wenn entweder bereits durch die eindeutig ersichtliche Gestaltung der Anlage oder durch eine Einzelkontrolle jedem Nichtberechtigten der Zugang von vornherein unmöglich gemacht wird, oder wenn, falls solche Vorkehrungen nicht getroffen sind, nur solchen Benutzern der Zugang gewährt werden soll, die in einer näheren persönlichen Beziehung zu dem Verfügungsberechtigten stehen (vgl. BayObLG, Beschluss v. 22.11.1979, 1 Ob OWi 409/79, VRS 58, 216). Steht – wie im vorliegenden Fall – die Benutzung der mit einer Tankstelle verbundenen automatischen Autowaschanlage jedermann frei, sofern er nur das Entgelt hierfür entrichtet, gehört der vom Kunden zu befahrene Bereich der Autowaschanlage zum Verkehrsgrund im Sinne des Straßenverkehrsrechts (vgl. BayObLG, a.a.O.). Dies gilt nicht nur für die Zu- und Ausfahrt, sondern auch (insoweit vom BayObLG offengelassen) für den Bereich der eigentlichen Waschanlage. Maßgeblich kann insoweit nur sein, ob das Fahrzeug noch aus eigener Kraft und nicht lediglich mit den zur Anlage gehörenden Vorrichtungen bewegt wird (vgl. LG Kleve, Urteil v. 23.12.2016, 5 S 146/15, bei juris). Soweit das Amtsgericht Erfurt in seiner Entscheidung vom 6. Mai 2015 (982 Js 14417/13 47 Cs, bei juris) die Auffassung vertritt, die Bewegung des Fahrzeugs habe bei Einfahrt in die Waschanlage nicht mehr und bei der Ausfahrt aus dieser noch nicht die verkehrstypische Qualität der Teilnahme am Straßenverkehr erreicht, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Anders als bei der Einfahrt eines PKW in die Werkhalle eines Reparaturbetriebes, die regelmäßig nur aufgrund der Aufforderung durch den Betriebsinhaber erfolgt und deshalb eben nur Personen gestattet ist, die in einer persönlichen Beziehung zu Verfügungsberechtigten stehen, stand die Portalwaschanlage der …-Tankstelle grundsätzlich jedem zur Benutzung offen. Ob eine abweichende Beurteilung für den Fall geboten ist, dass sich ein Unfall während des Betriebes der Waschanlage und des eigentlichen Waschvorganges ereignet (nur hierüber hätte das Amtsgericht Erfurt eigentlich entscheiden müssen), kann dahinstehen.
2. Die Strafzumessung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Da sich die Angeklagte nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht hat und hierbei ein bedeutender Schaden im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entstanden ist, lagen auch die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins vor. Angesichts des Verhaltens der Angeklagten vor Ort lagen auch keine Gründe vor, die die Regelvermutung aus § 69 Abs. 2 StGB zu widerlegen geeignet waren. Die Bemessung der Sperrfrist gemäß § 69a Abs. 1 StGB ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.