Amtliche Leitsätze: 1. Eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs ist anzunehmen, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund objektiv nachträglicher Prognose die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache von bedeutendem Wert durch das Verhalten des Täters so stark beeinträchtigt ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob die Rechtsgutverletzung eintritt oder nicht.
2. Wegen ungenügender Aussagekraft reichen zur Feststellung wertende Begriffe wie z.B. Notbremsung , Vollbremsung oder scharfes Abbremsen nicht aus.
3. Will sich das Gericht dem Ergebnis eines zu einer bestimmten Frage eingeholten Sachverständigengutachtens ohne Angabe eigener Erwägungen anschließen, müssen in den Urteilsgründen zumindest die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergegeben werden, damit das Revisionsgericht die Schlüssigkeit des Gutachtens prüfen kann.
4. Nach der Rechtsprechung handelt rücksichtslos im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB, wer sich zwar seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer bewusst ist, sich aber aus eigensüchtigen Gründen darüber hinwegsetzt, oder wer sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seiner Fahrweise darauf losfährt.
5. In subjektiver Hinsicht darf die Rücksichtslosigkeit des Täters nicht allein aus dem äußeren Tatgeschehen geschlossen werden. Bedeutung gewinnen können der Grad der objektiven Verkehrswidrigkeit, vorangehendes oder nachfolgendes Verhalten des Täters und der Ausschluss entlastender subjektiver Faktoren, wie ein mögliches Augenblicksversagen, Schreck, Eile aus nachvollziehbaren Gründen.
Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss vom 19.12.2017
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 4. April 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Trier zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Trier hat den Angeklagten durch Urteil vom 7. September 2015 wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung „infolge grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen falschen Überholens mit fahrlässiger Herbeiführung der Gefahr“ zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt und ihm für die Dauer eines Monats untersagt, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen (§§ 315c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 2, 44 StGB).
Durch Urteil vom 4. April 2017 hat das Landgericht Trier auf die unbeschränkte Berufung des Angeklagten das erstinstanzliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt wird und das erstinstanzlich angeordnete Fahrverbot entfällt.
Die Berufungskammer hat zum Tatgeschehen folgenden Sachverhalt festgestellt:
„Am 08.03.2014 war der Angeklagte gegen 19:40 Uhr berechtigter Führer und Fahrer des Pkw’s der Marke Skoda Fabia RS mit dem amtlichen Kennzeichen (…). Es handelt sich hierbei um einen Kleinwagen mit Schrägheck, dessen Dieselmotor eine Leistung von 96 kW bzw. 130 PS erbringt. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit 206 km/h angegeben. Der Angeklagte befuhr an diesem Abend die B 53 aus Richtung X kommend in Fahrtrichtung Y. Vor ihm fuhr das von dem Zeugen A geführte Fahrzeug der Marke BMW mit dem amtlichen Kennzeichen (…) Es handelte sich um einen BMW 328, der über eine Leistung von 142 kW bzw. 193 PS verfügt. Die beiden Fahrzeuge fuhren zunächst hintereinander, und zwar in dem Bereich der B 53, der durch Verkehrszeichen auf 70 km/h begrenzt ist. Nach der Abfahrt nach Z (in Höhe der Firma B) wird die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben. Die B 53 stellte sich am Tattag so dar, dass zunächst dichter Bewuchs rechtsseitig den Blick auf die Mosel versperrte. Im weiteren Verlauf ist es so, dass die B 53 eine langgezogene Rechtskurve beschreibt. Innerhalb der Kurve ist der Bewuchs rechtsseitig deutlich gemindert.
Wegen der Einzelheiten der Streckenbeschreibung wird auf die zu den Akten gereichten Übersichtsaufnahmen von der Strecke Bezug genommen.
Unmittelbar nach Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h setzte der Angeklagte, der sich alleine in seinem Fahrzeug befand, zum Überholen des vor ihm fahrenden Fahrzeugs des Zeugen A an. Hierbei war dem Angeklagten nicht nur bewusst, dass er die vom (Anm. des Senats: gemeint ist „von ihm“) benötigte Überholstrecke von 300 – 330 m nicht annähernd einsehen konnte, da die Sicht maximal 250 m betrug, sondern auch, dass das Fahrzeug des Zeugen A über eine erhebliche Beschleunigung verfügen musste. In seiner höchst eigensinnigen Art, die grundsätzlich dadurch gekennzeichnet wird, dass der Angeklagte meint, sich über Interessen anderer Verkehrsteilnehmer hinwegsetzen zu dürfen, aber auch um des schnelleren Fortkommens willens (Anm. des Senats: richtig: willen), überholte der Angeklagte das Fahrzeug des Zeugen A. Dies stellte sich allerdings als schwierig dar, da auch der Zeuge A zum Ende der Geschwindigkeitsbegrenzung sein Fahrzeug voll beschleunigte. Obwohl der Angeklagte dies zwanglos erkannte, setzte er seinen Überholvorgang munter unter Außerachtlassung jedweder Sorgfalts- und Rücksichtspflichten fort und versuchte weiterhin das Fahrzeug des Zeugen A „auf Teufel komm raus“ zu überholen, wobei der Angeklagte Bedenken gegen seine Fahrweise nicht aufkommen ließ. Nach ca. 200 m erkannte der Angeklagte, dass ihm Gegenverkehr entgegenkam und er daher den Überholvorgang nicht fortsetzen konnte, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. All dies interessierte den Angeklagten jedoch nicht. Er beabsichtigte weiterhin, sein vermeintliches Überholrecht durchzusetzen und dem Zeugen A in selbstsüchtiger und bedenkenloser Manier mit aller Gewalt zu zeigen, wie er, der Angeklagte, den Überholvorgang eiskalt und berechnend ohne Rücksicht auf Verluste fortsetzt und schneller als der Zeuge vorankommt. Der Angeklagte zog daher mit seinem Fahrzeug in Kenntnis der absoluten Gefährlichkeit seines Tuns nach rechts auf die Fahrspur des Zeugen herüber. Hierbei war dem Angeklagten nicht nur bewusst, dass (Anm. des Senats: zu ergänzen ist „er“) das Fahrzeug des Zeugen schneiden musste, um nach rechts ziehen zu können, sondern auch dass der Zeuge durch das Lenkmanöver gezwungen sein würde, sein Fahrzeug nach rechts zu ziehen und abzubremsen. Der Angeklagte zog wie von ihm beabsichtigt in der vorbeschriebenen Art brutal und bedenkenlos nach rechts, so dass der Zeuge A durch des Lenkmanövers (Anm. des Senats: gemeint ist „das Lenkmanöver“) des Angeklagten gezwungen wurde, sein Fahrzeug weiter nach rechts zu lenken und darüber hinaus, um dem Angeklagten ein Einscheren zu ermöglichen, sein Fahrzeug unverzüglich sehr stark auf ca. 30 km/h abzubremsen. Dies tat der Zeuge auch. Wäre der Zeuge A unvermindert weitergefahren, wäre es zwangsläufig zu einem Zusammenstoß nicht nur mit dem entgegenkommenden Fahrzeug, sondern auch mit dem Fahrzeug des Zeugen A gekommen, wobei neben erheblichen Sachschäden auch Personenschäden (Zeuge A und seine damalige Ehefrau als Beifahrerin) zu erwarten gewesen wären.
A setzte anschließend seine Fahrt fort; es gelang ihm auch, auf das Fahrzeug des Angeklagten erneut aufzuschließen. In der Zwischenzeit hatte die Ehefrau des Zeugen A die Polizei telefonisch über den Vorfall verständigt. A fuhr eine Zeitlang hinter dem Angeklagten her, der entgegen seiner ursprünglichen Absicht nicht direkt zum Ladengeschäft C fuhr, sondern durch mehrere Seitenstraßen fuhr, um schließlich auf dem Parkplatz des Geschäftes C in den W in Y anzuhalten. Dort kam es zu einem verbalen Disput zwischen dem Zeugen A und dem Angeklagten, indem der Zeuge A dem Angeklagten lautstark sein Fehlverhalten vorhielt, was der Angeklagte in seiner eigensinnigen Art jedoch schlichtweg in Abrede stellte.
Unmittelbar nach diesem Vorfall begab sich der Zeuge A mit seiner damaligen Ehefrau zur Polizeiinspektion Y, um den Vorfall zur Anzeige zu bringen. Der Angeklagte seinerseits erstattete noch am selben Abend schriftlich Anzeige gegen den Zeugen A, in der er dem Zeugen vorwarf, dass er ihn nicht habe überholen lassen und stark beschleunigt habe. Hintergrund war, dass wer (Anm. des Senats: richtig „er“) zu Hause von Polizeibeamten aufgesucht worden war und Kenntnis von der Anzeige gegen ihn hatte.“
Die Einlassung des Angeklagten, erst in der Kurvenmitte bei einer Sichtweite von etwa 900 m mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von etwa 90 km/h zum Überholen angesetzt zu haben und nahezu am überholten Fahrzeug vorbeigewesen zu sein, als dieses offensichtlich voll beschleunigt habe, um ihn nicht wieder einscheren zu lassen, hat die Strafkammer aufgrund der Aussagen des Fahrers und der Beifahrerin des überholten Fahrzeugs für widerlegt erachtet, die von dem Verkehrssachverständigen als technisch nachvollziehbar und möglich bezeichnet worden seien. Die die Einlassung des Angeklagten stützende Aussage seines Bruders hat die Strafkammer als Falschaussage bewertet.
In der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer folgendes ausgeführt:
„Zu Gunsten des Angeklagten geht die Kammer zunächst davon aus, dass der Angeklagte die durch ihn herbeigeführte Gefahr nur fahrlässig verursacht hat, da er, wenn auch grob fahrlässig, darauf vertraute, dass kein Gegenverkehr kommen würde, als er seinen Überholvorgang begann und nicht sehenden Auges mit direktem Vorsatz sich in eine solche Verkehrssituation begeben. Der Angeklagte hat indes grob verkehrswidrig überholt.
Gemäß § 5 Abs. 2 StVO darf nur derjenige überholen, der übersehen kann, dass während des gesamten Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen, darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt. Das Überholen beginnt spätestens mit dem Ausscheren nach links. Beendet ist das Überholen mit dem Wiedereinordnen nach rechts mit ausreichendem Abstand. Der Überholer muss grundsätzlich überblicken können, dass der gesamte Vorgang vom Ausscheren bis zum Wiedereinscheren mit richtigem Abstand unter Berücksichtigung etwaigen Gegenverkehrs für einen durchschnittlichen Fahrer ohne irgendein Wagnis gefahr- und behinderungslos möglich sein werde.
Dies war nicht der Fall.
Der Angeklagte konnte die von ihm benötigte Strecke zum Überholen nicht annähernd übersehen. Er hat auch direkt angesetzt zu überholen, ohne sich darüber zu vergewissern, ob er tatsächlich eine deutlich höhere Geschwindigkeit als der zu Überholende fuhr. Das gesamte Verhalten wertet die Kammer als grob verkehrswidrig, da es sich um ein besonders gefährliches Abweichen vom pflichtgemäßen Verhalten gehandelt hat.
Die Kammer wertet das Verhalten des Angeklagten darüber hinaus auch als rücksichtslos. Rücksichtslos handelt grundsätzlich, wer sich entweder eigensinnig über bekannte Pflichten hinwegsetzt oder sich aus Gleichgültigkeit auf seine Fahrerpflichten nicht besinnt und unbekümmert um mögliche Folgen drauf los fährt. Das Merkmal der Rücksichtslosigkeit will hierbei nur „extrem“ verwerfliche Verfehlungen, bzw. geradezu „unverständliche“ Nachlässigkeiten treffen, nicht durchschnittliches Fehlverhalten. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist Rücksichtslosigkeit als subjektives Merkmal schlechthin in der Regel nicht aus dem äußeren Hergang allein zu folgern; jedoch ist das äußere Tatgeschehen erster und bei schweigenden oder lügenden Angeklagten – wie hier – oftmals einzigster Anknüpfungspunkt, sodass es zur Überzeugung der Kammer zur Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte rücksichtslos gehandelt hat, mit herangezogen werden kann.
Für ein rücksichtsloses Verhalten des Angeklagten spricht hier die Tatsache, dass er unmittelbar nach Beginn der Aufhebung der 70er Zone mit seinem Überholvorgang begonnen hat, obwohl er weder die weitere Strecke übersehen konnte, noch bis dahin das Fahrverhalten des zu Überholenden annähernd einschätzen konnte. Das Merkmal der Rücksichtslosigkeit folgert die Kammer allerdings auch aus dem Verhalten des Angeklagten im Rahmen der Berufungshauptverhandlung. Der Angeklagte hat sich als unbelehrbarer Verkehrsteilnehmer gezeigt, der jegliches Fehlverhalten von sich weist, dies auch keiner kritischen Prüfung unterzieht, sondern Fehlverhalten ausschließlich bei den anderen Verkehrsteilnehmern sucht. So hat er beispielsweise den Zeugen A beschuldigt, ein testosterongesteuertes Fahrverhalten an den Tag zu legen. Auch der Umstand, dass der Angeklagte, sofort nachdem er von der Anzeige des Zeugen A erfahren hat, eine im Ergebnis falsche Gegenanzeige gegen den Zeugen erstattet hat, belegt sein rücksichtsloses und skrupelloses Vorgehen mit anderen Personen. Die Tatsache, dass die Zeugin A bei der Polizei angerufen hat, hat der Angeklagte sogar so gedeutet, dass der Zeuge und seine ehemalige Ehefrau die Anzeige erstatten mussten, da sie bereits zuvor bei der Polizei angerufen hatten. Der Angeklagte hat es im Rahmen der Berufungshauptverhandlung schließlich verstanden, jedes Argument so zu drehen, dass hieraus ein Fehlverhalten des Zeugen A konstruiert wird, welches von seinem Fehlverhalten ablenken sollte.
Dies ist bei dem Angeklagten ein offensichtlich allgemein verfestigter Charakterzug, aus dem die Kammer schließt, dass der Angeklagte diesen auch im Straßenverkehr zeigt und sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine eigenen Interessen, wie schnelleres Fortkommen, Beweisen (Anm. des Senats: gemeint sein dürfte „beweisen muss“), dass man mit einem kleinen Fahrzeug auch in unmöglichen Situationen überholen kann, Überholen, auch wenn andere dafür ausweichen müssen usw., über die Interessen anderer Verkehrsteilnehmer setzt. Aus diesen Merkmalen und dem äußeren Verhalten schließt die Kammer auf ein besonders rücksichtsloses Verhalten des Angeklagten i.S. des § 315c StGB.“
Innerhalb der Ausführungen zum Entfallen des Fahrverbots hat die Strafkammer demgegenüber ausgeführt, für ein solches sei kein Raum mehr, weil die Tat bereits längere Zeit zurückliege und der Angeklagte seither offensichtlich unbeanstandet am Straßenverkehr teilnehme.
Gegen das Berufungsurteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Gestützt auf die Verfahrensrüge der Mitwirkung eines abgelehnten Richters (§ 338 Nr. 3 StPO) und die teilweise näher ausgeführte Sachrüge beantragt sein Verteidiger, das Berufungsurteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Trier zurückzuverweisen.
II.
Der zulässigen Revision kann auf die Sachrüge ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht versagt bleiben. Auf die in zulässiger Weise erhobene Verfahrensrüge kommt es deshalb nicht an.
1. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
a) Sie belegen das Tatbestandsbestandsmerkmal der konkreten Gefährdung nicht.
Der objektive Tatbestand des § 315c StGB setzt den Eintritt einer konkreten Gefährdung voraus. Eine solche ist anzunehmen, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund objektiv nachträglicher Prognose die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache von bedeutendem Wert durch das Verhalten des Täters so stark beeinträchtigt ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob die Rechtsgutverletzung eintritt oder nicht (Senat, 2 OLG 4 Ss 18/16 v. 17.03.2016, juris Rn. 16; 2 Ss 12/00 v. 10.02.2000 mwN). Zur Verhinderung einer ausufernden Anwendung der Vorschrift sind dabei an die tatrichterlichen Feststellungen strenge Anforderungen zu stellen. Das Vorliegen einer hochgradigen Existenzkrise für die bedrohten Rechtsgüter ist präzise und nachvollziehbar zu belegen; „inhaltsleere“ und eher wertende Begriffe wie z.B. „Notbremsung“, „Vollbremsung“ oder „scharfes Abbremsen“ sind im Hinblick auf die ungenügende Aussagekraft zu vermeiden. Nachvollziehbar beschrieben werden kann die Gefahrenlage indes durch möglichst konkrete Angaben zum Fahrverhalten des Fahrzeugs, zu Reaktionen des Fahrers und zu wahrnehmbaren Veränderungen des verkehrstypischen Geschehensablaufs, wozu bei einem starken Bremsvorgang etwa quietschende Reifen, Ausbrechen, Schlingern oder Schleudern des Fahrzeugs, das Umherfliegen von Gegenständen im Fahrzeuginneren oder das Ansprechen von Sicherheitsgurten gehören können (Senat a.a.O.; 2 Ss 232/98 v. 02.09.1998; 2 Ss 286/97 v. 09.11.1997; 2 Ss 231/96 v. 13.08.1996; 2 Ss 24/95 v. 28.03.1995; OLG Koblenz, 1. Strafsenat, 1 Ss 167/08 v. 23.10.2008). Eine zahlenmäßig präzise Festlegung von Entfernungen, Geschwindigkeiten und Bremsverzögerungen ist für die Annahme des Tatbestandsmerkmals nicht unabdingbar; vielmehr können hierzu bei sorgfältiger Beweiswürdigung auch ungefähre Angaben und wertende Angaben der gehörten Zeugen hinreichen, wenn sich daraus ein Bild der fraglichen Verkehrssituation erschließt (BGH NJW 1995, 3131, 3132; 4 StR 324/13 v. 24.09.2013, juris Rn. 5).
An diesem Maßstab gemessen hat die Strafkammer das Vorliegen einer hochgradigen Existenzkrise, bei der der Eintritt eines Unfalls nur noch vom Zufall abhing, nicht in ausreichender Weise ausgeführt. Die Urteilsfeststellungen beschränken sich diesbezüglich im Kern darauf, dass der mit einem Pkw überholende Angeklagte bei Ansichtigwerden des Gegenverkehrs sein Fahrzeug nach rechts auf die Fahrspur des Überholten gelenkt und diesen dabei geschnitten habe; der Überholte sei deshalb gezwungen gewesen, sein Fahrzeug weiter nach rechts zu steuern und auf etwa 30 km/h abzubremsen, um dem Angeklagten ein Einscheren zu ermöglichen, weil es ansonsten zu einem Zusammenstoß sowohl mit dem entgegenkommenden Fahrzeug, als auch dem überholten Fahrzeug gekommen wäre. Letzteres erweist sich als bloße Bewertung, die einer hinreichenden Tatsachengrundlage entbehrt (vgl. BGH, 4 StR 324/13 v. 24.09.2013, juris Rn. 5; Senat, 2 OLG 4 Ss 18/16 v. 17.03.2016, juris Rn. 19). An einer nachvollziehbaren Beschreibung der Verkehrssituation fehlt es bereits, weil die Beschaffenheit der B 53 am Tatort nur unzureichend dargestellt wird. Es fehlen insbesondere Ausführungen zur Straßenbreite am konkreten Tatort, der Anzahl der Fahrspuren und des etwaigen Vorhandenseins von Seitenstreifen. Ob der Überholte tatsächlich nach rechts ausweichen musste, und falls das der Fall war, ob es sich um ein im Bereich einer verkehrsüblichen Reaktion liegendes Brems- und Ausweichmanöver handelte, das der Annahme einer konkreten Gefährdung entgegenstünde (vgl. OLG Hamm, 4 RVs 111/14 v. 11.09.2014, Rn. 17), kann deshalb nicht beurteilt werden. Die fehlenden Feststellungen werden auch nicht durch den Verweis „auf zu den Akten gereichte Übersichtsaufnahmen von der Strecke“ (UA S. 4) ersetzt. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO gestattet lediglich wegen der Einzelheiten eine Bezugnahme auf Abbildungen. Die Schilderung des wesentlichen Aussagegehalts der Abbildung darf aber nicht, wie es hier der Fall ist, ganz entfallen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 267 Rn. 10 mwN). Hinzukommt, dass keine Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO vorliegt. Diese muss deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck kommen und sich auf konkret bezeichnete, in der Akte befindliche Abbildungen beziehen (BGH, 3 StR 425/15 v. 28.01.2016, juris Rn. 15; NStZ-RR 2016, 178; Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 8 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Der Tatrichter überlässt es vielmehr dem Revisionsgericht, sich die passende Abbildung aus der Akte herauszusuchen. An einer nachvollziehbaren Beschreibung der Verkehrssituation fehlt es aber auch deshalb, weil Angaben zur ungefähren Entfernung der drei involvierten Fahrzeuge beim Einscheren des Angeklagten, zu den Geschwindigkeiten der Fahrzeuge in dieser Situation und dem weiteren Fahrverhalten des entgegenkommenden Fahrzeugs fehlen (Ausweichen und/oder Abbremsen) fehlen.
b) Auch das Tatbestandsmerkmal der groben Verkehrswidrigkeit erscheint zumindest zweifelhaft, weil nähere Ausführungen zu der gegen § 5 Abs. 6 Satz 1 StVO verstoßenden Beschleunigung des überholten Fahrzeugs fehlen. Es wird weder mitgeteilt, auf welche Geschwindigkeit das überholte Fahrzeug beschleunigt wurde, noch ob seine Geschwindigkeit weiter erhöht wurde, nachdem der Angeklagte mit dem von ihm gesteuerten Fahrzeug auf gleicher Höhe war.
2. Auch die Beweiswürdigung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Will sich das Gericht dem Ergebnis eines zu einer bestimmten Frage eingeholten Sachverständigengutachtens ohne Angabe eigener Erwägungen anschließen, müssen in den Urteilsgründen zumindest die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergegeben werden, damit das Revisionsgericht die Schlüssigkeit des Gutachtens, insbesondere seine Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der Wissenschaft prüfen kann (vgl. BGHSt 34, 29, 31; BGH NStZ RR 1996, 258; OLG Koblenz, 2 SsBs 100/09 v. 02.10.2009; 1 Ss 225/07 v. 17.01.2008; 1 Ss 255/02 v. 12.12.2002; Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 267 Rn. 13; speziell für Gutachten zum Hergang eines Verkehrsgeschehens: OLG Düsseldorf VRS 78, 125; BayObLG, 1St RR 169/93 v. 29. 11. 1993 und 2St RR 19/96 v. 09.02.1996, juris). Die Wiedergabe der wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Sachverständigengutachtens fehlt hier völlig. Die Beweiswürdigung ist deshalb lückenhaft.
b) Darüber hinaus besteht ein Widerspruch zwischen Feststellungen und Beweiswürdigung. Während die einsehbare Strecke am Ort des Ausscherens in den Urteilsfeststellungen mit „maximal 250 m“ (UA S. 4) angegeben wird, soll sie nach den Ausführungen des Sachverständigen ab dem Zeichen 278, nach dessen Passieren der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen unmittelbar zum Überholen angesetzt haben soll, maximal 150 – 200 m betragen (UA S. 12). Es handelt sich insoweit – isoliert betrachtet – zwar nicht um einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Aufgrund des Widerspruchs lassen sich aber die zur Sichtweite getroffenen Feststellungen auf keine Beweisgrundlage mehr zurückführen.
Darüber hinaus ist die Beweiswürdigung im genannten Punkt auch deshalb lückenhaft, weil jegliche Ausführungen dazu fehlen, ob es sich um die Sichtverhältnisse bei Tageslicht oder bei Dunkelheit handelt, wie sie zur festgestellten Tatzeit geherrscht haben muss. Das darf nicht offen bleiben, weil bei Dunkelheit das Scheinwerferlicht entgegenkommender Fahrzeuge trotz des vor dem Scheitelpunkt der Kurve vorhandenen Pflanzenbewuchses am rechten Straßenrand sichtbar gewesen sein kann.
c) Die Beweiswürdigung erweist sich aber auch deshalb als lückenhaft, weil sich die Strafkammer mit einem naheliegenden Motiv für eine etwaige Falschaussage des Zeugen A nicht auseinandersetzt. Da er nach den Urteilsfeststellungen während des Überholvorgangs des Angeklagten entgegen dem Verbot nach § 5 Abs. 6 Satz 1 StVO beschleunigt hat, bestand für ihn selbst die Gefahr einer Strafverfolgung wegen Straßenverkehrsgefährdung (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 315c Rn. 6a a.E.).
Hinzu kommt, dass die Strafkammer dem Zeugen einmal „keine erhebliche Belastungstendenz“ (UA S. 10), an anderer Stelle „keinerlei Belastungstendenz“ (UA S. 10) bescheinigt. Die Bewertung ist mithin nicht frei von Widersprüchen.
d) Auch die innerhalb der Ausführungen zur rechtlichen Würdigung vorgenommene Beweiswürdigung zur Rücksichtslosigkeit des falschen Überholens ist rechtsfehlerhaft.
Nach der Rechtsprechung handelt rücksichtslos im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB, wer sich zwar seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer bewusst ist, sich aber aus eigensüchtigen Gründen darüber hinwegsetzt, oder wer sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seiner Fahrweise darauf losfährt (BGHSt 5, 392; Senat, 2 OLG 4 Ss 18/16 v. 17.03.2016, juris Rn. 12 mwN). Betrifft das Merkmal der groben Verkehrswidrigkeit im Wesentlichen die objektive Seite des Verkehrsverstoßes, bezieht sich die Voraussetzung der Rücksichtslosigkeit mehr auf die subjektive Tatseite (Senat aaO mwN). In subjektiver Hinsicht darf die Rücksichtslosigkeit des Täters nicht allein aus dem äußeren Tatgeschehen geschlossen werden (Senat aaO mwN). Bedeutung gewinnen können insoweit der Grad der objektiven Verkehrswidrigkeit, vorangehendes oder nachfolgendes Verhalten des Täters und der Ausschluss entlastender subjektiver Faktoren, wie ein mögliches Augenblicksversagen, Schreck, Eile aus nachvollziehbaren Gründen (Senat aaO; 2 Ss 110/08 v. 04.08.2008; OLG Koblenz, 1. Strafsenat, 1 Ss 95/13 vom 08.11.2013; Groeschke, in: Münchener Kommentar, StGB, 1. Aufl., § 315c Rn. 27; Zieschang, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 315c Rn. 35).
Die Strafkammer hat zwar bedacht, dass die Rücksichtslosigkeit nicht allein aus dem äußeren Tatgeschehen hergeleitet werden darf. In ihre wertende Gesamtschau hat sie aber zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung einbezogen. Es kann hier offen bleiben, ob das in der Beweiswürdigung zu subjektiven Tatbestandsmerkmalen ebenso unzulässig ist, wie es regelmäßig bei der Strafzumessung (vgl. dazu BGH, 4 StR 532/12 v. 29.01.2013, juris Rn. 7, NStZ-RR 2013, 170; BGH, 5 StR 453/12 v. 09.10.2012, juris Rn. 2; 3 StR 219/10 v. 06.07.2010, juris Rn. 5, NStZ 2010, 692) und der Anordnung der Sicherungsverwahrung (vgl. dazu BGH, 1 StR 320/14 v. 21.08.2014, juris Rn. 7 mwN, NStZ-RR 2015, 9; 1 StR 64/12 v. 20.03.2012) der Fall ist. Jedenfalls bietet zulässiges Verteidigungsverhalten keine verlässliche Grundlage für die Bewertung des Charakters eines Angeklagten. Stehen die Grundlagen für eine Schlussfolgerung nur in einer so losen Beziehung zur Tat, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind, so ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, NStZ 1986, 373; 3 StR 302/85 v. 07.08.1985, juris Rn. 2; OLG Koblenz, 1 Ss 113/99 v. 29.06.1999, juris Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 261 Rn. 38).
Die von der Strafkammer angestellte Charakterstudie erweist sich im Übrigen als widersprüchlich. Während ihm innerhalb der Ausführungen zur Rücksichtslosigkeit bescheinigt wird, dass er „bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine eigenen Interessen, wie schnelleres Fortkommen, … über die Interessen anderer Verkehrsteilnehmer setzt“ (UA S. 17), hat die Strafkammer ihm beim Absehen vom Fahrverbot nach § 44 StGB zugutezuhalten, er nehme seit der drei Jahre zurückliegenden Tat „offensichtlich unbeanstandet am Straßenverkehr teil“ (UA S. 18).
3. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils und der getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 1 und 2 StPO). Da nicht ausgeschlossen erscheint, dass Feststellungen zu dem Geschehensablauf getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 315c StGB tragen, bedarf die Sache insgesamt neuer tatrichterlicher Überprüfung (§ 354 Abs. 2 StPO).
Sollte eine erneute Beweisaufnahme nach den genannten Maßstäben den gegen den Angeklagten erhobenen verkehrsstrafrechtlichen Vorwurf nicht bestätigen, wird der Angeklagte freizusprechen sein. Denn eine Ahndung der Tat als Ordnungswidrigkeit kommt infolge Verjährung nicht in Betracht. Die erste Unterbrechung der dreimonatigen Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 3 StVG fand am 20. März 2014 durch Bekanntgabe des Tatvorwurfs gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statt (vgl. Graf in KK-OWiG, 4. Aufl., § 33 Rn. 28). Die nächste zur Verjährungsunterbrechung geeignete Handlung liegt in der Erhebung der öffentlichen Klage durch Eingang der unter dem 11. Juni 2014 gefertigten Anklageschrift bei Gericht (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 OWiG). Diese ist erst am 20. Juni 2014 bei dem Amtsgericht Trier eingegangen. An diesem Tag war die dreimonatige Verjährungsfrist bereits abgelaufen. Sie endete am 19. Juni 2014. Denn die Verjährungsfrist läuft mit Ende des Tages ab, der im Kalender dem Anfangstag vorangeht (KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl., OWiG § 31 Rn. 35 mwN).