Zum Inhalt der Entscheidung: Die Dauer der Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis richtet sich danach, wie lange die aus der Anlasstat erwiesene Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen voraussichtlich andauern wird. Dabei müssen die Umstände des Einzelfalls und die Persönlichkeit des Täters umfassend gewürdigt werden (Geppert a.a.O. § 69a Rdn. 16). Dies gilt insbesondere, wenn die gesetzliche Mindestsperrfrist deutlich überschritten wird.
Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 29.07.2013
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben, soweit die Verwaltungsbehörde angewiesen worden ist, dem Angeklagten vor Ablauf von noch einem Jahr und sieben Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.
Der Tenor des angefochtenen Urteils wird dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte wegen „vorsätzlichen“ Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Aus den Gründen:
I.
Das Amtsgericht Hamm hatte den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln und einem Verstoß gegen § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von einer Einbeziehung der Strafe aus der Entscheidung des Amtsgerichts Hamm vom 12.04.2012 – Az. 52 Cs 246 Js 513/12 – 268/12 -, bei der es sich um eine Verurteilung zu einer „Geldstrafe von 70 Tagessätzen“ wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln handelte, hat es abgesehen. Gleichzeitig hat es eine Sperrfrist von zwei Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.000 Euro angeordnet.
Auf die Berufung des Angeklagten, welche in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist, hat das Landgericht das angefochtene Urteil dahingehend abgeändert, dass es die Gesamtfreiheitsstrafe auf zwei Jahre und vier Monate und die Sperrfrist auf noch ein Jahr und sieben Monate reduzierte.
Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts in allgemeiner Form. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg.
1.
Soweit gegen den Angeklagten eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a StGB von einem Jahr und sieben Monaten festgesetzt hat, leidet das Urteil an einem durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten. Die Begründung zu Anordnung und Dauer der Sperre genügt weder den Begründungsanforderungen des § 267 Abs. 6 StPO noch materiell rechtlichen Begründungsanforderungen. Dies ist auf die Sachrüge hin beachtlich (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 267 Rdn. 37).
Zur Begründung der Anordnung und Dauer der Sperrfrist führt das Landgericht lediglich aus, dass es „unter Berücksichtigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und der seit dem amtsgerichtlichen Urteil nun verstrichenen Zeit“ die Sperrfrist mit noch einem Jahr und sieben Monaten bemesse. Daraus ergeben sich keine hinreichenden Gründe für Anordnung und Bemessung der Maßregel, welche dem Revisionsgericht eine rechtliche Überprüfung ermöglichten.
Die Festsetzung einer selbständigen (isolierten) Sperrfrist ist geboten, wenn die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis gegeben sind, der Täter jedoch keine solche besitzt (Geppert in LK-StGB, 12. Aufl., § 69a Rdn. 2). Das bedeutet, dass der Tatrichter darlegen muss, warum er dafürhält, dass sich aus der Tat ergibt, dass der Angeklagte zu Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet ist (vgl. § 69 Abs. 1 S. 1 StGB). „Aus der Tat” kann sich die charakterliche Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen für den Strafrichter nur dann ergeben, wenn die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen (BGH NStZ-RR 2005, 503, 504). Allerdings liegt ein solcher Rückschluss bei einem Pflichtenverstoß nach § 69 Abs. 1 S. 1 3. Alt. StGB regelmäßig nahe (BGH a.a.O.). Ob es hier, angesichts des zweimaligen Verstoßes des Angeklagten gegen § 21 StVG, keiner weiteren Begründung bzgl. des „Obs“ einer Sperrfrist bedurft hätte, kann der Senat aber dahinstehen lassen. Jedenfalls die Begründung zur Dauer der Sperrfrist ist unzureichend. Nach § 69a Abs. 1 S. 1 StGB beträgt die Sperrfrist zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Für eine erhöhte Mindestsperrfrist i.S.v. § 69a Abs. 3 StGB geben die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte. Jedenfalls angesichts der deutlichen Überschreitung der Mindestsperrfrist hätte es hier einer eingehenderen Begründung bedurft. Die Dauer der Sperrfrist richtet sich danach, wie lange die aus der Anlasstat erwiesene Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen voraussichtlich andauern wird. Dabei müssen die Umstände des Einzelfalls und die Persönlichkeit des Täters umfassend gewürdigt werden (Geppert a.a.O. § 69a Rdn. 16). Anlasstat war hier das vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis. Auch wenn es sich – ausweislich der Urteilsgründe – insoweit um eine Wiederholungstat handelte, versteht sich die Festsetzung einer Sperre in dieser Höhe nicht von selbst. Das Landgericht hat sich z.B. nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Angeklagte bei seinen Einfuhrfahrten – jedenfalls auf deutschem Staatsgebiet – nicht selbst Fahrzeugführer gewesen ist und er damit möglicherweise zu erkennen gegeben hat, dass er seine Nichtberechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Grundsatz anerkennt. Auch hat sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt, dass die Gefährlichkeit der aus der Anlasstat möglicherweise resultierenden Ungeeignetheit wegen bloßen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bei Personen, die grundsätzlich in der Lage sind, ein Kraftfahrzeug zu führen, geringer einzustufen ist, als bei Personen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie in berauschtem Zustand ein Kraftfahrzeug führen.
Da die Möglichkeit besteht, dass der neue Tatrichter eine Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges überhaupt nicht mehr feststellen kann, war die Sperrfristanordnung insgesamt aufzuheben und die Sache insoweit an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).
2.
Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Strafzumessungserwägungen zu den Einzelstrafen sind zwar äußerst knapp, aber noch ausreichend. Soweit die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe lediglich mit einer „gebotenen Abwägung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ begründet worden ist, erscheint zweifelhaft, ob dies den Begründungsanforderungen nach § 267 Abs. 3 S. 1 StPO bzw. den weitergehenden materiellrechtlichen Begründungsanforderungen noch genügt. Allerdings kann der Senat ausschließen, dass bei umfassenderer Begründung auf eine noch niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt worden wäre, da die verhängten Einzelstrafen äußerst straff zusammengezogen worden sind, so dass ein Beruhen des Urteils auf einem etwaigen Rechtsfehler in diesem Bereich ausgeschlossen werden kann.
3.
Der Senat hat den Tenor des angefochtenen Urteils wie geschehen ergänzt, da bei Delikten, die sowohl fahrlässig als auch vorsätzlich begangen werden können, die Schuldform in den Tenor aufzunehmen ist. Dass das Landgericht nicht etwa die vom Amtsgericht festgestellte Schuldform (Vorsatz) trotz Rechtskraft des Schuldspruches abändern wollte, ergibt sich aus der rechtlichen Würdigung in den Urteilsgründen. Insoweit liegt bei der Formulierung des Tenors unter Auslassung der Schuldform ein offensichtlicher Fehler vor, der vom Revisionsgericht korrigiert werden kann (vgl. Wiedner in: Graf, StPO, 2. Aufl. § 354 Rdn. 31 m.w.N.).