Zum Inhalt der Entscheidung: Nach einem Zeitraum von zwei Jahren und drei Monaten nach der Tat kommt die Verhängung eines Fahrverbots nach § 44 StGB nicht mehr in Betracht, sofern die Verfahrensverzögerung nicht dem Angeklagten anzulasten ist.
Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 24.07.2012
Aus den Gründen:
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig, hat jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die Revision erweist sich zum – vom Senat berichtigten – Schuldspruch sowie hinsichtlich der Verhängung der Geldstrafe als offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 29. Juni 2012 Bezug genommen.
Keinen Bestand haben kann jedoch wegen des Zeitablaufs zwischen Tat und Berufungshauptverhandlung das vom Berufungsgericht verhängte einmonatige Fahrverbot gemäß § 44 StGB.
Das Fahrverbot ist als Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer vorgesehen, um den Täter vor einem Rückfall zu warnen und ihm ein Gefühl für den zeitweisen Verlust des Führerscheins und den Verzicht auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu vermitteln (vgl. BT-Drucks. IV/651 S. 12). Diese Warnungs- und Besinnungsfunktion kann das Fahrverbot – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter – aber nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Eine Fahrverbotsverhängung, die sich nach allgemeinen Strafzumessungserwägungen richtet, kommt nach einhelliger Ansicht jedenfalls für sehr lange zurückliegende Taten nicht mehr in Betracht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. Juni 2004, 2 Ss 112/04, und vom 23. Juli 2007, 2 Ss 224/07 in DAR 2007, 714; OLG Hamm, Beschlüsse vom 15. März 2005, 4 Ss 54/05 in DAR 2005, 406 und vom 7. Februar 2008, 4 Ss 21/08; BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2001, 5 StR 439/01 in ZfS 2004, 133).
Vorliegend liegen zwischen der Tat und der Berufungshauptverhandlung ca. zwei Jahre und drei Monate. Nach dieser Zeit kann aber das Fahrverbot seinen spezialpräventiven Charakter nicht mehr entfalten. Etwas anderes kann zwar dann gelten, wenn der erhebliche Zeitablauf zwischen Tat und Verhängung des Fahrverbots dem Angeklagten in verwerfbarer Weise anzulasten ist (vgl. Senatsbeschlüsse a.a.O.). Dabei ist das Ausschöpfen von Rechtsmitteln und anderen strafprozessualen Rechten durch den Angeklagten in der Regel nicht als unlauter anzusehen. Vorliegend hat der Angeklagte vorwiegend seine Verfahrensrechts wahrgenommen und das Verfahren zumindest nicht in unlauterer Weise verzögert.
Es liegen auch keine besonderen Umstände für die Annahme vor, dass zu einer nach wie vor erforderlichen erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten die Verhängung eines Fahrverbots neben der Hauptstrafe unbedingt erforderlich ist. Zwar war der Angeklagte sehr uneinsichtig und hat seinen Bruder, der eine Falschaussage nach den Feststellungen des Landgerichts getätigt hat, mit in das Strafverfahren hineingezogen, jedoch begründet dies keine besonderen Umstände, welche die Verhängung eines Fahrverbotes zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten erforderlich machen.
Trotz der grundsätzlich bestehenden Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe konnte der Senat vorliegend in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Juli 2007 a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 15. März 2005, a.a.O.; OLG Köln, DAR 2005, 697). Einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Bochum bedurfte es nicht. Es kann ausgeschlossen werden, dass eine neue Hauptverhandlung Feststellungen ergeben könnte, die in Bezug auf die Frage des Fahrverbots ein anderes Ergebnis rechtfertigen würde. Auch eine Erhöhung der Geldstrafe infolge des Wegfalls des Fahrverbotes scheidet wegen des zu beachtenden Verschlechterungsverbots aus.
(…)