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Brandenburgisches OLG – Beschluss vom 25.10.12

Zum Inhalt der Entscheidung: Der Tatbestand der Nötigung setzt voraus, dass die Einwirkung auf einen anderen ziel- und zweckgerichtet erfolgt. Im Straßenverkehr stellen rücksichtsloses Verhalten und die billigende Inkaufnahme von Behinderungen anderer keine Nötigung da, wenn es dem Täter nicht darauf ankommt, jemanden zu einem bestimmten Verhalten zu nötigen.

Brandenburgisches Oberlandesgericht 

Beschluss vom 25.10.2012

(2) 53 Ss 131/12 (54/12)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 5. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. Mai 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Schuldspruch der tateinheitlich begangenen Nötigung entfällt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Aus den Gründen

I.

Das Amtsgericht Eisenhüttenstadt hat den Angeklagten durch Urteil vom 8. Februar 2011 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sieben Monaten sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Seine Berufung hiergegen hat das Landgericht Frankfurt (Oder) durch Urteil vom 22. Mai 2012 mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Bedrohung entfällt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Die zulässige Revision hat insofern einen Teilerfolg, als die tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhält.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte am Morgen des 6. September 2010 seinen Kleintransporter so dicht hinter dem Pkw der Zeugin (…) geparkt, dass diese nicht ausparken konnte und nach Rückkehr zu ihrem Fahrzeug etwa 12 Minuten auf den Angeklagten warten musste. Dies nahm der Angeklagte billigend in Kauf. Ihm war auch bewusst, dass er erst nach etwa 10 bis 15 Minuten zu seinem Fahrzeug zurückkehren würde. Bei seiner Rückkehr äußerte der Angeklagte gegenüber der Zeugin „Halt’s Maul, du doofe Votze!“, „Blöde Votze!“ und „Halt’s Maul, du doofe Schlampe, sonst kriegst du eine auf’s Maul!“. Ferner erklärte er sinngemäß, dass sie sich ein kleineres Fahrzeug anschaffen solle, wenn sie mit ihrem nicht ausparken könne. Sie habe gefälligst so lange zu warten, bis er fertig sei, und das könne Stunden dauern. Sodann setzte sich der Angeklagte in sein Fahrzeug und fuhr davon.

Das Landgericht hat darin neben einer Beleidigung (§ 185 StGB) eine tateinheitlich verwirklichte Nötigung (§ 240 StGB) gesehen, weil der Angeklagte die Zeugin mit Gewalt dazu gezwungen habe, die Parklücke über einen Zeitraum von etwa 12 Minuten nicht verlassen zu können. Dies habe er zumindest billigend in Kauf genommen, wofür auch die Äußerung spreche, sie habe gefälligst so lange zu warten, bis er fertig sei, und das könne Stunden dauern.

Abgesehen davon, dass sich die Strafkammer nicht mit der Frage der Verwerflichkeit (§ 240 Abs. 2 StGB) auseinandergesetzt hat, liegen nach den getroffenen Feststellungen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 240 Abs. 1 StGB nicht vor. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung bedarf es jedenfalls bei Behinderungen im Straßenverkehr wie im vorliegenden Fall  bezüglich des abgenötigten Verhaltens der Absicht des Täters im Sinne eines zielgerichteten Handelns: Nicht jeder vorsätzliche Regelverstoß im Straßenverkehr, der ein Nötigungselement enthält, ist als Straftat im Sinne des § 240 StGB zu qualifizieren. Voraussetzung hierfür ist vielmehr, dass die Einwirkung auf den anderen nicht bloße Folge, sondern der Zweck des verbotswidrigen Verhaltens ist. Gegen den „bloß“ rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer, der seine Ziele auf Kosten anderer eigensüchtig durchsetzt und die für diese eintretenden Folgen dabei lediglich billigend in Kauf nimmt, scheidet ein Schuldspruch wegen Nötigung aus (vgl. OLG Hamm NStZ 2009, 213f.; OLG Düsseldorf NStZ 2008, 38; Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl. § 42 Rn. 34).

So liegt der Fall auch hier. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte sein Fahrzeug nicht mit dem Ziel geparkt, die Zeugin (…) in ihrem Fortkommen zu behindern. Er hat diese Folge lediglich billigend in Kauf genommen, ohne dass es ihm hierauf ankam. Nach dem anschließenden Wortwechsel ist er – trotz seiner Äußerung, sie habe zu warten bis er fertig sei, und das könne Stunden dauern – weggefahren, ohne sie absichtlich weiter zu behindern.

Der Senat kann bei dieser Sachlage ausschließen, dass das Tatgericht noch abweichende Feststellungen für eine absichtliche Verkehrsbehinderung treffen könnte, so dass der Schuldspruch hinsichtlich der tateinheitlichen Nötigung der Aufhebung unterliegt. Darüber hinaus ist ebenfalls auszuschließen, dass das Landgericht für die allein verwirklichte Beleidigung angesichts der schwerwiegenden Ehrverletzungen gegenüber der Zeugin auf eine noch niedrigere Geldstrafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann insoweit Bestand haben.

2. Im Übrigen erweist sich die Revision als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, weil die Überprüfung des Urteils keine weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht.

Zwar hat das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich des Tatgeschehens vom 6. September 2010 insbesondere auch darauf gestützt, dass die Zeugin den Angeklagten „wie bereits in der Hauptverhandlung erster Instanz (…) sicher und zuverlässig als den damaligen Täter identifiziert“ hat, ohne den Wiedererkennungsakt nachvollziehbar in den Urteilsgründen darzustellen und auf den nur beschränkten Beweiswert eines wiederholten Wiedererkennens einzugehen. Da dies erforderlich gewesen wäre (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschl. vom 20. April 2004 – 2 Ss 594/03, zit. nach Juris, m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs), weist die insoweit nur lückenhafte Beweiswürdigung Rechtsfehler auf. Da die Strafkammer das Beweisergebnis jedoch zusätzlich auf weitere tragfähige Umstände – wie die bewiesene Haltereigenschaft des Angeklagten, die zweifelsfrei gegebene Identität des blauen Transporters mit der Aufschrift (…) und das (ausweislich der zu den Vorstrafen getroffenen Feststellungen) dem Angeklagten nicht wesensfremde Tatgeschehen – gestützt hat, kommt eine abweichende Beurteilung hinsichtlich der Täterschaft des Angeklagten nicht ernstlich in Betracht. Der Senat kann somit ausschließen, dass das Urteil auf dem Mangel bei der Würdigung des Wiedererkennens beruht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.