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AG Reinbek – Urteil v. 15.09.08

Zum Inhalt der Entscheidung: Keine Entziehung der Fahrerlaubnis bei Trunkenheitsfahrt mit 1,29 Promille, wenn der Angeklagte eine freiwillige Verkehrstherapie besucht hat und ein positives MPU-Gutachten vorlegt.

 

Amtsgericht Reinbek

Urteil vom 15.09.2008

2 Ds 760 Js 22035/08 (257/08))

 

Aus den Gründen:

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)

I.

Der zur Tatzeit 44 Jahre alte Angeklagte ist in (…) geboren, deutscher Staatsangehöriger und ledig. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin hat er einen 12 Jahre alten Sohn. Der Angeklagte ist als kaufmännischer Angestellter im Außendienst tätig und erzielt hiermit ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 3.000,00 Euro. Seine Lebensgefährtin ist halbtags tätig. Die Miete beträgt ca. 1.000,00 Euro warm monatlich.

Nach eigenen Angaben trinkt der Angeklagte seit dem verfahrensgegenständlichen Vorfall vom 15.04.2008 überhaupt keinen Alkohol mehr. Zuvor habe bei ihm ein regelrechter „Automatismus“ bestanden, beispielsweise bei Geschäftsessen oder nach dem Sport regelmäßig Alkohol zu trinken.

Der Angeklagte ist straf- oder verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Zum Sachverhalt hat das Gericht aufgrund der Hauptverhandlung vom 15.09.2008 die folgenden Feststellungen getroffen:

Am Abend des 14.04.2008 nahm der Angeklagte an einem geschäftlichen Essen in Hamburg teil. Dabei konsumierte er erhebliche Mengen Weißwein. Der Angeklagte hatte zunächst die Absicht, sein Fahrzeug stehen zu lassen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu fahren. Gleichwohl fasste er später den Entschluss, sein Fahrzeug von einem überflutungsgefährdeten Parkplatz umzuparken. Als er dann bereits im Auto saß und ein Stück gefahren war, fasste er den Entschluss, nunmehr doch mit dem Fahrzeug nach Hause zu fahren.

So befuhr er mit dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen (…) am 15.04.2008 u.a. gegen 1.10 Uhr die Bundesautobahn A 1 Richtung Lübeck in Höhe Barsbüttel. Die ihm um 1.45 Uhr desselben Tages entnommene Blutprobe enthielt 1,29 o/oo Alkohol.

In der Zeit nach der Tat hat sich der Angeklagte intensiv mit seinem Fehlverhalten und den Ursachen hierfür auseinandergesetzt. Dabei hat er sich kritisch mit seinem Trinkverhalten auseinandergesetzt und den Alkoholkonsum vorläufig vollständig eingestellt. Er nahm freiwillig an einer verkehrstherapeutischen Gruppenmaßnahme zum Thema Alkohol im Straßenverkehr im Umfang von einer ausführlichen Eingangsberatung, 5 zweistündigen Gruppensitzungen und einem „Check up“ teil. Weiterhin unterzog er sich freiwillig einer medizinisch-psychologischen Begutachtung. Das entsprechende Gutachten vom 11.09.2008 kommt zu folgendem Ergebnis:

„Es liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums keine Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen infrage stellen. Es ist nicht zu erwarten, dass Herr (…) auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird.“

III.

Die Feststellungen zum Sachverhalt und zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen im Wesentlichen auf dessen glaubhaften Angaben. Der Angeklagte hat das Tatgeschehen eingeräumt und darüber hinaus umfassende Angaben zum Vor- und Nachgeschehen gemacht. Ergänzend wurden der Bundeszentralregisterauszug vom 11.08.2008, das Blutalkoholgutachten vom 17.04.2008 und Teile des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 11.09.2008 in der Hauptverhandlung verlesen.

IV.

Durch sein Verhalten hat sich der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB strafbar gemacht.

V.

Der Strafrahmen des § 316 StGB sieht Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe vor. Bei der Strafzumessung hat das Gericht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er geständig, einsichtig und nicht vorbestraft war. Zu seinen Lasten fiel dagegen ins Gewicht, dass dem Angeklagten bei Fahrtantritt bewusst war, dass er aufgrund der zuvor konsumierten Alkoholmenge nicht mehr hätte Auto fahren dürfen. Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat das Gericht eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen erachtet.

Die Tagessatzhöhe sowie die Möglichkeit der Ratenzahlung folgen aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten.

Von der Entziehung der Fahrerlaubnis, der Einziehung des Führerscheins und der Verhängung einer Sperrfrist gem. §§ 69, 69 a StGB konnte im vorliegenden Fall abgesehen werden. Zwar hat der Angeklagte das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB verwirklicht. Jedoch hat das Gericht die aus der Tat sprechende Vermutung der Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen als widerlegt erachtet. Ausweislich des vorgelegten medizinisch-psychologischen Gutachtens war der Angeklagte zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Hierfür spricht auch seine erfolgreiche Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.