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AG Halle-Saalkreis – Urteil v. 06.07.05

Zum Inhalt der Entscheidung: Keine Entziehung der Fahrerlaubnis bei Trunkenheitsfahrt mit 1,12 Promille bei Taxifahrer, der seit 20 Jahren über einen Personenbeförderungsschein verfügt und aufgrund der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis einen erheblichen wirtschaftlichen Einbruch erlitten hat.

Amtsgericht Halle-Saalkreis

Urteil vom 06.07.2005

320 Cs 816 Js 2076/05

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu 24,00 Euro verurteilt.

Dem Angeklagten wird für die Dauer von 3 – drei – Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
Das Fahrverbot ist durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erledigt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Aus den Gründen:

I.

Der am 22.03.1958 in Halle geborene Angeklagte ist verheiratet und Vater eines noch in der Ausbildung befindlichen erwachsenen Kindes. Von Beruf ist er selbständiger Taxiunternehmer. Im Besitz der zum Führen von Personenkraftwagen erforderlichen Fahrerlaubnis ist er seit 1976, die Berechtigung zur Fahrgastbeförderung ist dem Angeklagten seit 1986 erteilt. Bislang ist er weder strafrechtlich in Erscheinung getreten, noch sind im Verkehrszentralregister Eintragungen enthalten.

Im Jahre 2004 hatte der Angeklagte monatlich vor Steuern einen Überschuss der Einnahmen gegenüber den Ausgaben von ca. 2.500,00 Euro aus seinem Taxigewerbe erzielt.

Wegen der in dieser Sache seit 14.01,2005 erfolgten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist, da der Angeklagte seine Arbeitszeit nahezu vollständig als Fahrer verbringt, ein erheblicher Umsatzeinbruch erfolgt. Der monatliche Überschuss beträgt nunmehr noch ca. 700,00 Euro.

Nicht berücksichtigt sind hierbei die – im Regelfall sich als gewinnmindernd auswirkenden Abschlussbuchungen, wie auch die Kosten des Angeklagten für seine Krankenversicherung, wie auch die private Altersvorsorge.

II.

Am Nachmittag des 14.01.2005, einem Freitag, befuhr der Angeklagte mit seinem Pkw Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen (…), öffentliche Straßen in Halle, unter anderem die M-Straße in Richtung R-Platz. Er hatte zuvor 2 Flaschen Bier und einen Cognac getrunken. Die um 17.05 Uhr ihm entnommene Blutprobe wies einen Blutalkoholgehalt von 1,12 %o auf. Hätte der Angeklagte sich vor Fahrantritt kritisch auf seine Fahrtüchtigkeit überprüft, hätte ihm auffallen müssen, dass er infolge der vorangegangenen Alkoholaufnahme nicht mehr zum Führen eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr in der Lage war.

Am gleichen Tag wurde durch Beamte des Polizeidienstes der Führerschein des Angeklagten beschlagnahmt. Auf seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde mit Beschluss vom 26.01.2005 die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und die Beschlagnahme des Führerscheins bestätigt. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis blieb bis zum Termin der Urteilsverkündung aufrechterhalten.

III.

Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf der wirksamen Beschränkung des Einspruchs des Angeklagten auf die Rechtsfolgen, im Übrigen auf seiner eigenen geständigen Einlassung, der Bundeszentralregisterauszug, wie auch der Verkehrszentralregisterauszug wurden, wie auch die betriebswirtschaftliche Auswertung zum März 2005 verlesen.

IV.

Für die Frage der Strafzumessung hat sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Zur Anwendung kam der Strafrahmen des § 316 Abs. I – Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Zu Gunsten des Angeklagten war hier zu würdigen, dass er weder verkehrsrechtlich, noch strafrechtlich bislang in Erscheinung getreten ist, er den Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt hat und die ihm vorgeworfene Tat lediglich in fahrlässiger Handlungsweise begangen wurde. Überdies war zu Gunsten des Angeklagten der nicht unerhebliche Zeitraum von 6 Monaten zu berücksichtigen, in welchem dem Angeklagten vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen war.

Insgesamt hält das Gericht eine Geldstrafe aus dem unteren Bereich des Strafrahmens für tat- und schuldangemessen und bestimmte diese mit 35 Tagessätzen.
Die Höhe eines Tagessatzes hat das Gericht aufgrund der Angaben des Angeklagten zu seinen derzeitigen Verdienstmöglichkeiten unter Abzug eines Pauschalbetrages für die Krankenversicherung und Altersvorsorge bestimmt.

Das Gericht hat trotz Vorliegen eines Regelfalls im Sinne des § 69 Abs. 2 StGB zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung den Angeklagten nicht mehr als ungeeignet im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr angesehen. Zwar hat der Angeklagte einen Regelfall verwirklicht, was grundsätzlich zur Annahme der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB führt und was vorliegend auch jedenfalls die Annahme rechtfertigte, der Angeklagte war bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis bis zur Hauptverhandlung als ungeeignet im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB anzusehen.

Jedoch war im Rahmen der Hauptverhandlung nochmals umfassend die – zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung – zu beurteilende Frage der Geeignetheit zu prüfen. Hierbei hat das Gericht berücksichtigt, dass neben der Tatsache, dass der Angeklagte weder strafrechtlich noch verkehrsrechtlich bislang in Erscheinung trat und seit nahezu 20 Jahren über eine Personenbeförderungsberechtigung verfügt, wegen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis der Angeklagte in den letzten 6 Monaten einen ganz erheblichen wirtschaftlichen Einbruch seiner gewerblichen Tätigkeit verzeichnen musste, was – wovon sich das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung überzeugen konnte – in ganz erheblichem Maße auf den Angeklagten Wirkung entfaltete.

Nach Auffassung des Gerichts ist deshalb der Angeklagte, dem in den letzten 6 Monaten täglich der Verlust seiner Existenzgrundlage vor Augen geführt wurde, nunmehr derart geläutert, dass er zukünftig keine – alkoholbedingten – Straßenverkehrsdelikte mehr begehen wird. Aus diesem Grund ist das Gericht trotz der erheblichen Indizwirkung eines Regelbeispiel in diesem konkreten Fall davon überzeugt, dass nunmehr – zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung – der Angeklagte wieder geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr ist.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis hatte dem gemäß nicht zu erfolgen.

Da trotz Vorliegen eines Regelbeispiels ein Fahrerlaubnisentzug im Urteil nicht erfolgte, war gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 StGB ein Fahrverbot anzuordnen, was mit der Dauer von 3 Monaten als angemessen und ausreichend erachtet wird. Durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis hatte sich das angeordnete Fahrverbot zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung bereits erledigt.

(…)