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AG Calw – Urteil vom 05.11.24

Leitsätze des Gerichts: 1. Die vorsätzlich falsche Anzeige einer angeblich bevorstehenden Trunkenheitsfahrt eines anderen bei der Polizei über deren Festnetzanschluss ist allenfalls als Beleidigungsdelikt verfolgbar.
2. Gegenstand der falschen Verdächtigung gem. §164 Abs. 1 StGB muss eine bereits unternommene Straftat bzw. entsprechende Amtspflichtverletzung sein.
3. Ein missbräuchlicher Notruf im Sinn von §145 StGB setzt entweder einen entsprechenden Kommunikationsinhalt oder seine Absetzung über einen Notrufanschluss nach §164 TKG und NotrufV voraus
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Amtsgericht Calw

Urteil vom 05.11.2024

8 Cs 32 Js 18114/24

Tenor:

Die Angeklagte wird auf Kosten der Staatskasse, die auch ihre notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft hat der Angeklagten folgenden Sachverhalt zur Last gelegt:

„Am … um …:53 Uhr teilten Sie fernmündlich, vermutlich von Ihrer Wohnadresse … unter dem auf Sie lautenden Anschluss … dem Polizeirevier Calw mit, dass der Zeuge … stark alkoholisiert und im Begriff sei, mit dessen zwei Kindern von dem Vereinheim des … mit dem Auto nach Hause zu fahren. Dabei gaben Sie Ihren früheren Nachnamen … und das der Alkoholfahrt zuzuordnende amtliche Kennzeichen … an und wussten, dass der Zeuge … weder alkoholisiert noch unmittelbar im Begriff war, Auto zu fahren. Wie von Ihnen beabsichtigt, verlegten die anzeigeaufnehmenden Polizeibeamten des Polizeireviers Calw an die … Vereinsgaststätte, um wegen des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt gegen den Zeugen … zu ermitteln.

Sie werden daher beschuldigt, einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen,

strafbar als falsche Verdächtigung gemäß §164 Abs. 1 StGB.“

Das Gericht hat zusätzlich festgestellt, dass die Angeklagte das Polizeirevier Calw nicht über eine bekannte Kurzwahlnummer für Notfälle (namentlich 110 oder 112) sondern über die normale Festnetznummer anrief, in ihren Äußerungen gegenüber den Polizeibeamten in nichts zum Ausdruck brachte, dass bereits die Fahrt unter Alkoholeinfluss auf öffentlichen Straßen unternommen worden sei, und dass der von ihr Angezeigte sich die Stellung eines Strafantrags vorbehalten hat, jedoch die Frist ohne weitere dahingehende Äußerung von ihm verstrichen ist.

II.

Die Angeklagte war aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da ihr entsprechend festgestelltes Verhalten nicht den Straftatbestand des §164 StGB oder sonst eines Strafgesetzes erfüllt.

  1. Der Tatbestand des §164 StGB war nicht erfüllt.

a) Vorliegend kommt nur die Alternative der Verdächtigung einer rechtswidrigen Tat in Betracht. Dies setzt bei gebotener Auslegung zwingend voraus, dass der Inhalt der Bezichtigung eine (vermeintlich) bereits begangene und nicht bloß bevorstehende Straftat ist (vgl. ohne nähere Begründung BGH, Beschluss vom 14. März 2003 – 2 StR 7/03 , StraFo 2003, 320 f.), wobei deren weitere Modalitäten hier ohne Relevanz sind.

aa) Der Wortlaut des §164 Abs. 1 StGB ist insoweit nicht eindeutig, da nach ihm nur „einer rechtswidrigen Tat verdächtigt“ werden muss, ohne dass gesetzgeberisch klargestellt wäre, dass die ausdrückliche (oder wohl auch konkludent-indirekte) kommunikative Erklärung des verdächtigenden Täters sich auf eine bereits angeblich bzw. mutmaßlich begangene Tat als historisch fassbares Geschehen beziehen muss. Die letztere enge Interpretation liegt allerdings sprachlich näher, da eine „Tat“, also naheliegend etwas (zumindest angeblich existierendes) „Getanes“, Gegenstand der vermittelten Verdächtigung sein muss.

bb) Systematisch auffallend ist zunächst die Stellung direkt hinter den Delikten zum Schutz vor falschen Aussagen in gerichtlichen (oder gleichgestellten) Verfahren. Weiter ergibt sich nicht nur ausdrücklich der Verweis auf §11 Abs. 1 Nr. 5 StGB, dass die rechtswidrige Tat den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen muss. In diesem Zusammenhang ist auch §344 StGB zu erkennen sowie, sozusagen in verschiedene Dimension spiegelbildlich, §§258 f. StGB und §126 Abs. 2 StGB.

Vor allem nahe liegt neben der ausdrücklichen Verbindung in §154e StPO der klare sprachliche Verweis auf den Verdacht im Sinne der StPO, mithin (vgl. etwa §§81a Abs. 2 S. 2, 81g Abs. 1 S. 1, 81h Abs. 1 S. 1, 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 S.1, 95a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, 97 Abs. 2 S. 2 StPO, 112 Abs. 1 S.1, 131 Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 2, StPO usw.) auf eine mutmaßlich begangene Straftat (vgl. allerdings vereinzelt anders, wie etwa §§104 Abs. 1 Nr. 4, 127 Abs. 1 S. 1, 138a Abs. 1 StPO) sowie namentlich §160 Abs. 1 StPO. Die genannten Vorschriften konkretisieren Beeinträchtigungen für den Betroffenen und Ermittlungsaufwand und knüpfen diese, namentlich die Einleitung eines Strafverfahrens nach dem Legalitätsgrundsatzes an den Verdacht gerade einer Straftat, welcher wiederum aus nachvollziehbarer Schlussfolgerung aus vorhandenen Anknüpfungstatsachen herzuleiten ist (vgl. Fahrner, Kriminalistik 74 (2020), S. 548 ff.).

Dazuhin muss §145d StGB als ergänzende Vorstufe gleichermaßen des §164 Abs. 1 StGB und §126 Abs. 1 und 2 StGB erkannt werden. In letzteren wird ein eindeutiger in Bezug auf eine potentielle, zukünftige Straftat vorgenommen, wobei damit die Begriffe vor allem des „Androhens“ und des „Bevorstehens“ verbunden werden. Die klare Zweiteilung mutmaßlich begangener und mutmaßlich bevorstehender Taten wird in den beiden Nummern von §145d Abs. 1 bzw. 2 StGB deutlich. Hier wird auch klar, dass eine Bestrafung wegen Behauptungen zu einer (angeblich) bevorstehenden Tat nur für solche besonders gefährlichen und schwerwiegenden im Rahmen des Katalogs des §126 StGB gelten soll. Zwar ist §164 StGB gegenüber §145d StGB zusätzlich dazu gekennzeichnet, dass eine bestimmte Person bezichtigt wird, so dass daraus alleine die Abgrenzung begründet werden kann, ohne dass eine exakte Stufenfolge von §164 StGB zu §145d Abs. 1 und 2 jeweils Nr. 1 StGB zwingend wäre. Jedoch ist §145d StGB wiederum als NS-Recht 1943 als Antwort auf die Entscheidung des Reichsgerichts RGSt 70, 267 (374) ergangen, wonach §164 StGB auch nicht, wie damals gem. §2 StGB in der damaligen Fassung sonst möglich, analog anwendbar wäre, wenn keine konkrete Person einer Straftat falsch bezichtigt würde. Das Reichsgericht und der nationalsozialistische Normsetzer unterstellten mithin auch in der unklar-exzessiven Fassung von 1933 wohl, dass sich bei §164 StGB die Bezichtigung wie insoweit beim neuen §145d StGB auf eine angeblich bzw. mutmaßlich bereits begangenen strafbaren Handlung beziehen musste.

cc) Tatsächlich geht historisch gerade der Wortlaut der heutigen Fassung des §164 StGB maßgeblich auf unter nationalsozialistischer Ägide erfolgte Änderung, nämlich das bereits heute erkennbar vom nationalsozialistischen Leitgedanken unpräzisen exzessiven Pönalisierung durchgängig geprägten, der großen angestrebten Strafrechtsumschreibung vorgeschaltete „Sammel-Gesetz“ vom 26. Mai 1933 zurück. Die neue Fassung des §164 StGB sollte die ursprüngliche des RStGB vom 1.1.1872 um deren bestehenden Kern in diesem Sinn erweitern. Letztere gab erheblich klar(er) Antwort auf die vorliegende Frage des Gegenstands der Bezichtigung. Denn zu bestrafen war, wer „bei einer Behörde eine Anzeige macht, durch welche er Jemand wider besseres Wissen der Begehung einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht beschuldigt“. Ähnlich spricht das PrStGB 1851 in seinem §133 von der „Verübung einer gesetzlich strafbaren Handlung oder der Verletzung der Amtspflichten“.

Wiederum dahinter ist die Reihe des Verdachts bis zurück in das kanonische Recht zu vergegenwärtigen (vgl. etwa auch zum Zusammenhang des modernen Verdachts mit dem (technisch verstandenen) „Gerücht“ RGSt 70, 251 (252)). Der Verdacht löste dort im Straf- und Disziplinarverfahren (bzw. deren Vorläufern) die formale (An-)Klage nach dem Akkusationsverfahren als Grundlage der Ermittlungen bis zum gerichtlichen Erkenntnis ab. Die Idee der „mala fama“ reicht wiederum bis ins 9. Jh. und in das römische Recht, die Befreiung vom bösen Verdacht bezüglich der begangenen Missetat als Verfahrensgegenstand erhält etwa im Decretum Gratiani eine zentrale Bedeutung (Vgl. zur fama publica Innonzenz III, Licet Heli, 1199, CIC X 5.3.31, Eymericius III, 413 ff. zit. nach Flade, Das römische Inquisitionsverfahren in Deutschland bis zu den Hexenprozessen, Leipzig 1902, ND Aalen 1972, S.52; Ad Abolendam CIC X 5.7.9 (Liber Extra); Kelly, in: Prudlo (Hrsg.): A Companion to Heresy Inquisitions, 2019, S. 74 (S. 96 f.) unter Verweis auf das Consultum Hic est modus, (wohl von 1244); zum Ganzen etwa Trusen ZRG KA 74 (1988), 168, 179 ff. m.w.N.; Landau, Die Entstehung des kanonischen Infamiebegriffs von Gratian bis zur Glossa Ordinaria, 1966). Zur Bekämpfung des Missbrauchs der Verdächtigung bedurfte es – neben möglichen substantiellen Einschränkungen, wann diese für Verfahren und Verfahrensschritte, wie die Folter ausreichte – eines ähnlichen Mechanismus der Abschreckung für den unredlichen Verdächtiger, wie die frühere Prozessgefahr und, noch älter aber letztlich länger wirksam, spiegelnde Strafe (vgl. etwa Art. 68 CCC). Daraus entstand schließlich die gesonderte Strafbarkeit desjenigen, der einen anderen einer Straftat oder vergleichbaren begangenen, d.h. jedenfalls in ihrem Beginn vergangenen Tat, unredlich verdächtigte (vgl. PrALR II 20, 14, §§1431 ff. unter dem Untertitel „Falsche Anschuldigung und Anklage“).

Dagegen sind in der rechtsstaatlichen Vorgeschichte und Geschichte (Sanktions-)Vorschriften zum Schutz vor rein zukünftigen Gefahren im Rahmen des Polizei- und Verwaltungsrechts und zum dem der dazu berufenen Verfahren und Organen grundsätzlich gesondert geblieben. Entsprechende Zuwiderhandlungen gegen letztere waren bereits beim Erlass des RStGB landesrechtlich weiter als „Polizeistrafen“, im heutigen Sinn regelmäßig Ordnungswidrigkeiten, gefasst und sollten von diesem unangetastet bleiben (vgl. Darstellung bei RGSt 46, 85; 70, 367 (269 f.)). Erfasst wurden sie weiter während dessen Geltungsdauer vom Sammeltatbestand des groben Unfugs (§360 Abs. 1 Nr. 11 StGB a.F., vgl. BGHSt 13, 241; OLG Bremen NJW 1952, 155) Erst mit weiteren qualifizierten Merkmalen, etwa dem Schutz von Notrufen (§145 StGB), konkreter Personen (§§185 ff., 240 f., 263 StGB) oder des öffentlichen Friedens (§126 StGB) und daran anknüpfender Verfahren (§145a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB), haben sie in gesonderten Delikten nach und nach Eingang in das Strafrecht gefunden.

dd) Darin liegt auch heute der Sinn und Zweck von §164 Abs. 1 StGB. Er dient sowohl dem Schutz des Einzelnen gegen konkrete „Missgriffe irregeleiteter Behörden“ als auch, vorrangig, der staatlichen Rechtspflege und vergleichbarer Verfahren (grundlegend RGSt 23, 371 (373 f.); BGHSt 5, 66 (68); Rengier, BT2, 21. Aufl. 2021, §12 Rn. 1 m.w.N.) Seine Wurzel liegt dabei ausdrücklich als ein Vergehen gegen die Strafrechtspflege darin, diese durch Irreführung zu gefährden und eine Person eben der Verfolgung durch diese bzw. eine vergleichbare disziplinarischen auszusetzen; mithin geht es im Kern nicht um eine spezielle Form der Beleidigung in Bezug zu amtlichen Verfahren (vgl. grundlegend RGSt 23, 371 (373 f.); weiterhin etwa RGSt. 59, 34; 70, 367 (370 ff.), 374; BGH, NJW 1952, 1385).

ee) Eine solche (doppelte) Gefährdung liegt nur vor, soweit die Erklärungen tatsächlich bereits strafrechtlich relevante Sachverhalte, d.h. jedenfalls bereits teilweise verwirklichte Straftaten betreffen, die somit jedenfalls dieses Stadium, bei Strafbarkeit des Versuchs den des unmittelbaren Ansetzens, und sonst der Vollendung erreicht haben müssen.

b) Das war vorliegend nicht der Fall.

Eine danach erforderliche, angeblich bereits unternommene Straftat war nicht Gegenstand der angeklagten Äußerungen der Angeklagten gegenüber der aufnehmenden Beamtin des Polizeireviers Calw, der Zeugin POMin…. Diese hat in der Hauptverhandlung in Übereinstimmung mit der Einlassung der Angeklagten glaubhaft bekundet, dass die Angeklagte lediglich von einer bevorstehenden Trunkenheitsfahrt gesprochen habe. Dies stimmt mit dem vorgehaltenen, unmittelbar bei bzw. nach dem Telefonat aufgenommene Vermerk der Zeugin überein.

Im Raum stand somit lediglich eine Trunkenheitsfahrt gem. §316 Abs. 1 oder 2 StGB. Deren Beginn liegt nicht im Berauschen, sondern im setzt das Führen des Kraftfahrzeugs im öffentlichen Verkehr voraus (vgl. nur BGHSt 35, 390). Der Versuch des §316 Abs.1 StGB ist im Übrigen nicht strafbar, zudem läge nach dem Inhalt der Anzeige auch noch kein unmittelbares Ansetzen vor. Erst recht gilt dies für §315c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB, für den wohl eine im Raum stehende konkrete Gefahr und dahin bezogenen (angeblichen) Vorsatz zu verlangen wäre (vgl. Rengier, BT2, §44 Rn. 30 m.w.N.) woran es an der Anzeige ebenfalls fehlt. Für eine implizite Behauptung des §323a Abs. 1 StGB fehlt es ebenfalls im Erklärungsinhalt an der begangenen rechtswidrigen Tat.

Es liegt ebenfalls kein Missbrauch von Notrufen gem. §145 StGB vor. Nicht nur sind die Voraussetzungen des §145 Abs. 1 Nr. 2 StGB mangels ebenfalls behaupteten geschehenen Vorfalls bzw. gemeiner Gefahr nicht gegeben. Auch hat die Angeklagte keinen Notruf missbraucht im Sinne des §145 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

a) Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit muss der Begriff des „Notrufs“, auch in der Systematik der §§126, 145d StGB usw., präzise und damit eng ausgelegt werden.

aa) Notrufe und Notzeichen sind akustisch oder optisch wahrnehmbare Kurzäußerungen, die auf eine Not, auf das Bedürfnis nach fremder Hilfe oder auf eine erhebliche Gefahr aufmerksam machen. Sie müssen also unmissverständlich eine nicht unerhebliche Not- oder Gefahrenlage kundtun, für die das dringende Bedürfnis nach Hilfe anderer besteht (vgl. OLG Braunschweig NJW 1977, 209 m.w.N. auch zum Folgenden). Die Besonderheit des Notrufs macht sich an der außerordentlichen, besonders dringlichen Nachricht, mithin einem erwartbaren Verständnis zwischen Sender und Adressatem fest, die daher regelmäßig in ihren Voraussetzungen, ihrer Art, ihrem Inhalt, ihrer Übermittlung und ihrem Empfänger durch Gesetz, behördliche Anordnung; Vereinbarung oder Übung im Wesentlichen festgelegt sind. §145 I Nr. 1 StGB kann im Rahmen der erforderlichen Bestimmtheit nur Notrufe und Notzeichen im engeren Sinne meinen, nämlich nur solche, die unmissverständlich eine nicht unerhebliche Not- und Gefahrenlage und außerdem das dringende Bedürfnis nach fremder Hilfe zum Ausdruck bringen. Für dieses Bedürfnis reicht inhaltlich noch nicht irgendeine Gefahr, etwa im familiären Zusammenhang oder eine begangene oder bevorstehende Straftat aus, da sonst §§126, 145a StGB usw. überspielt würden.

bb) Nach zumindest ständiger Rechtsprechung und herrschender Ansicht erfüllt zwar auch ohne Rücksicht auf den Inhalt der konkreten Kommunikation das (absichtlich oder wissentlich) missbräuchliche Wählen einer anerkennten Notrufnummer, namentlich der Kurzwahlen 110 und 112, den Tatbestand des §145 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB. (BGHSt 34, 4; OLG Bamberg NStZ 2012, 156; krit etwa jeweils m.w.N. NK-StGB/Kretschmer, 6. Aufl. 2023, StGB § 145 Rn. 9; MüKoStGB/Zopfs, 4. Aufl. 2021, StGB § 145 Rn. 6; eingehend Sieme, NStZ 2007, 671).

Dabei ist indes beachtlich, dass das Telekommunikationsrecht eine gesonderte Notrufinfrastruktur voraussetzt, welche vorzuhalten ist. Auch nach der insoweit weiten h.M. unabhängig von dem Inhalt der Kommunikation als solche, kann nur sie als bestimmter Teil der umfassenden Telekommunikationsnetze gegen Missbrauch gem. §145 Abs. 1 Nr. 1 StGB geschützt sein (vgl. bereits zu einer Vorgängerregelung des §5 Abs. 8 FO eingehend BGHSt 34, 4 Rn. 12 ff. sowie auch zum Folgenden). Denn nur sie versetzt die Polizeileitstelle bei eingehenden Anrufen, auch dann, wenn sich der Anrufer nicht meldet oder sich nicht mehr verständlich machen kann, ohne weiteres in die Lage, notwendig erscheinende Hilfsmaßnahmen einzuleiten.

Notrufverbindungen in diesem Sinn sind legaldefiniert und ausgestaltet in §164 TKG. Auf Grundlage von mittlerweile §164 Abs. 5 TKG gestaltet dies die Verordnung über Notrufverbindungen vom 6. März 2009 (BGBl. I S. 481), die zuletzt durch Artikel 34 des Gesetzes vom 6. Mai 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 149) geändert worden ist (NotrufV), weiter aus. Gemäß §2 Nr. 3 NotrufV ist ein „Notrufanschluss“ der „Anschluss einer Notrufabfragestelle an ein Telekommunikationsnetz, der je nach technischer Ausgestaltung ausschließlich genutzt wird für die Entgegennahme a) von Notrufverbindungen einschließlich der zugehörigen Daten oder b) der den Notruf begleitenden Daten.“ Es muss sich mithin um eine ausschließliche Nutzung für Notfälle gesondert ausgewiesener Anschlüsse und dahinterstehender Infrastrukturen (vgl. §§3 ff. NotrufV) handeln, die etwa unentgeltlich genutzt werden können (§4 NotrufV).

b) Damit liegt ebenfalls kein Missbrauch eines Notrufs, insbesondere kein Missbrauch eines Notrufanschlusses, vor. Der von der Angeklagten gewählte, öffentlich verbreitete Telefonanschluss der örtlichen Polizeidienststelle mag zwar durchgängig erreichbar und auch zur Initiative polizeilicher Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bestimmt sein. Er ist allerdings nicht Teil der gesonderten Notrufinfrastruktur, nicht unter einer intern zugewiesenen generellen überörtlichen Nummer oder unentgeltlich erreichbar, sondern Teil der allgemeinen örtlichen Kommunikationsmöglichkeit in vielfältigsten Belangen mit der Polizei.

Wie in der Hauptverhandlung die Zeugin POMin … ebenfalls glaubhaft wie die Angeklagte selbst bekundet hat, hat die Angeklagte eben nur über einen allgemeinen örtlichen Festnetzanschluss die Polizei, der allgemein zur Erreichbarkeit in allen jedenfalls dienstlichen erkennbar geeignet und bestimmt war, kontaktiert und keine besondere objektive Notlage, sondern lediglich den Sachverhalt, wie festgestellt, gemeldet.

3. Aus den genannten Gründen ergibt sich auch keine Strafbarkeit nach §145d StGB oder §126 Abs. 2 StGB, da die angebliche bevorstehende Trunkenheitsfahrt als Straftat gem. §316 StGB nicht in den Katalog des §126 Abs. 1 StGB fällt. Für eine Verfolgung der möglicherweise ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen gem. §§185 ff. StGB fehlt es bereits an einem gem. §193 StGB zwingend erforderlichen Strafantrag.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §467 Abs. 1 StPO.