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OLG Karlsruhe – Urteil vom 18.01.13

Zum Inhalt der Entscheidung: Die Kraftfahrtversicherung ist keine Einheitsversicherung, sondern eine in einem Versicherungsschein nur formell zusammengefasste Mehrzahl von selbständigen Versicherungsverträgen. Daraus folgt, dass Gefahrerhöhungen, Anzeigepflicht- und Obliegenheitsverletzungen für die jeweilige Sparte getrennt zu prüfen sind.

 

Oberlandesgericht Karlsruhe

Urteil vom 18.01.2013

12 U 117/12

 

Aus den Gründen:
     
I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Vollkaskoversicherung in Anspruch.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen die AKB mit Stand vom 1.7.2009 zugrunde. Der Ehemann der Klägerin verursachte am 24.10.2010 in alkoholbedingt absolut fahruntüchtigem Zustand mit dem versicherten Fahrzeug einen Unfall, bei dem er und sein Beifahrer verletzt wurden und an dem Fahrzeug Totalschaden entstand.

Mit Email vom 24.10.2010 zeigte die Klägerin das Unfallereignis bei der Beklagten an. Die in dem von der Beklagten übersandten Fragebogen enthaltenen Fragen nach der Person des Fahrzeugführers sowie dessen Alkoholkonsum 24 Stunden vor dem Unfall beantwortete die Klägerin am 2.11.2010 mit Nichtwissen. Die Haftpflichtabteilung der Beklagten wies mit Schreiben vom 16.2.2011 die Klägerin auf ihre Aufklärungsobliegenheit hin und forderte sie zu ergänzenden Informationen auf.

Nach vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis des Ehemanns, der beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen war, gab die Klägerin mit Schriftsatz vom 2.3.2011 wahrheitswidrig über ihren Prozessbevollmächtigten im Ermittlungsverfahren die Erklärung ab, selbst Fahrerin des Unfallfahrzeugs gewesen zu sein und in einer Schockreaktion den Unfallort verlassen zu haben. Der an die Staatsanwaltschaft gerichtete Schriftsatz wurde von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch der Beklagten unter Bezugnahme auf deren Haftpflichtschadensnummer zugeleitet. Im Ermittlungsverfahren konnte mittels einer DNA-Analyse des Fahrerairbags der Ehemann als Fahrer des Unfallfahrzeugs identifiziert werden. Dieser akzeptierte in der Folge einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und Entziehung der Fahrerlaubnis mit angeordneter Sperrfrist. Aus der Regulierung des Haftpflichtschadens des Beifahrers machte die Beklagte Regressansprüche gegen die Klägerin und ihren Ehemann geltend.

Mit Schriftsatz vom 5.5.2011 nahm die Klägerin die Beklagte aus der Vollkaskoversicherung wegen ihres Fahrzeugschadens in Höhe von 39.895,31 EUR in Anspruch. Mit Schreiben vom 19.05.2011 wurde seitens der Beklagten mitgeteilt, dass man die Sache an die Kaskoabteilung weitergeleitet habe. Diese hat sich auf Leistungsfreiheit wegen arglistiger und vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung der Klägerin berufen und eine Regulierung abgelehnt.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Angaben in dem Fragebogen vom 2.11.2010 zutreffend gewesen seien, da sie zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis vom Unfallhergang und der Fahrereigenschaft ihres Ehemannes gehabt habe. Die Falschangaben im Schriftsatz vom 2.3.2011 seien erfolgt, um den Ehemann vor strafrechtlichen Konsequenzen und dem endgültigen Entzug der Fahrerlaubnis zu bewahren. Der Beklagten sei infolge der Falschangaben kein Nachteil entstanden. Die Klägerin hat das Vorliegen von Arglist bestritten. Sie habe die Beklagte in keiner Weise finanziell schädigen wollen. Weiterhin hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aus Treu und Glauben gehindert, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen, da die Falschangaben noch vor Geltendmachung des Kaskoschadens richtig gestellt worden seien.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 39.895, 31 nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2011 zu bezahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.741,21 nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe sowohl in der Schadensmeldung vom 2.11.2010 als auch im Schriftsatz vom 2.3.2011 vorsätzlich und arglistig in Kenntnis der Fahrereigenschaft ihres Mannes und dessen Alkoholisierung unwahre und unvollständige Angaben gemacht, um auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten in ihrem Interesse Einfluss zu nehmen. Im Übrigen habe die Klägerin eine Erkundigungspflicht getroffen. Der Ehemann sei als Repräsentant der Klägerin zu betrachten und dessen Fehlverhalten der Klägerin zuzurechnen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme zur Repräsentantenstellung des Ehemanns mit Urteil vom 22.6.2012, auf das wegen der weiteren Feststellungen verwiesen wird, die Klage abgewiesen, da die Klägerin ihre Aufklärungsobliegenheiten arglistig verletzt habe und die Beklagte daher leistungsfrei geworden sei. Bereits bei der Beantwortung der Fragen im Fragebogen vom 2.11.2011 habe die Klägerin die Beklagte bewusst im Unklaren über die Eigenschaft ihres Ehemannes als Fahrzeugführer gelassen, obwohl sich ihr dies nach den gesamten Umständen aufgedrängt habe. Mit ihren Falschangaben im Schriftsatz vom 2.3.2011 habe die Klägerin einen Nachteil des Versicherers billigend in Kauf genommen. Das Berufen der Beklagten auf Leistungsfreiheit sei auch nicht treuwidrig. Auf die Kausalität der Pflichtverletzung oder eine Repräsentantenhaftung komme es nicht an.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ihre Klageanträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Ergänzend trägt die Klägerin vor, der Nachweis eines arglistigen Verhaltens der Klägerin sei nicht geführt worden, nachdem in erster Instanz unstreitig davon auszugehen gewesen sei, dass die Klägerin die Falschangaben gemacht habe, um ihrem Ehemann zu helfen, was der Annahme von Arglist entgegenstehe. Anhaltspunkte für eine Schädigungsabsicht der Klägerin oder der billigenden Inkaufnahme eines Nachteils für den Versicherer seien nicht ersichtlich. Sie habe sich in einer Konfliktlage befunden, da der von ihr verfolgte Zweck, ihren Ehemann vor den strafrechtlichen Folgen der Trunkenheitsfahrt zu schützen, nur habe erreicht werden können, indem gleichlautende Falschangaben gegenüber den Ermittlungsbehörden und der Beklagten abgegeben werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22.06.2012 – Aktenzeichen: 5 O 464/11 – aufzuheben und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 39.895,31 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.5.2011 zu bezahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.741,21 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie auch bei grundsätzlicher Selbständigkeit des Kaskoversicherungs- vom Haftpflichtvertrag berechtigt sei, wegen der arglistigen Obliegenheitsverletzung der Klägerin die Regulierung des Kaskoschadens zu verweigern. Die Täuschung über den Versicherungsfall sei aufgrund der Identität des Haftpflicht- und Kaskoversicherers als einheitlicher Lebenssachverhalt zu betrachten. Im Übrigen sei nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme davon auszugehen, dass das Fahrzeug im Alleineigentum des Ehemanns stehe. Eine Eigentumsvermutung zugunsten der Klägerin bestehe nicht. Da sich das Landgericht mit den Eigentumsverhältnissen an dem Fahrzeug nicht auseinandergesetzt habe, sei zudem die Beweisaufnahme zu wiederholen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Strafakte im Ermittlungsverfahren gegen den Ehemann war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte nach § 1 Satz 1 VVG i.V.m. A.2.1.1 AKB 2009, § 83 VVG ein Anspruch auf Leistungen aus der Vollkaskoversicherung in Höhe von 19.947,66 EUR zu.

1. Bedingungsgemäßer Versicherungsschutz der Klägerin aus dem Kaskoversicherungsvertrag ist nicht wegen – im Haftpflichtverhältnis zweifelsfrei vorliegender – vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit ausgeschlossen, § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG i.V.m. Ziffer E. 1.3, E.6.1 AKB 2009. Nach Ziffer E.1.3 AKB 2009 ist der Versicherungsnehmer verpflichtet alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Sinn der Aufklärungspflicht ist es, den Versicherer in die Lage zu versetzen, sachgemäße Entschließungen über die Behandlung des Versicherungsfalles zu treffen (BGH VersR 2006, 258), aber auch Verdachtsmomenten nachzugehen, die gegen die Berechtigung der geltend gemachten Forderung sprechen könnten (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AKB E Rdnr. 21). Hierfür benötigt der Versicherer Auskünfte über den Schadenseintritt, über dessen Verlauf sowie über das Ausmaß des Schadens. Die Aufklärungsobliegenheit gilt für alle Zweige der Kraftfahrtversicherung (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AKB 2008 E Rdnr. 21). Eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung liegt nicht vor.

a. Eine solche liegt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht in den Angaben im Fragebogen vom 2.11.2010. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass die Klägerin beim Unfall anwesend war. Sie hat auch nicht belegt, dass die Klägerin anderweit von der Person des Fahrers bzw. dessen Alkoholisierung Kenntnis erlangt hatte. Sie hat wahrheitsgemäß angegeben, dass der Unfall polizeilich aufgenommen worden war. Mutmaßungen über die Person des Fahrers waren ihr nicht abverlangt. Entgegen der Annahme der Beklagten stellt zudem das von der Beklagten eingeforderte vollständige Ausfüllen des Fragebogens, der auch allein für die Abwicklung des Kaskoschadens erforderliche Daten betrifft (Kontonummer, Vorsteuerabzug), keine Geltendmachung der Kaskoleistung dar.

b. Die Klägerin hat ihren Fahrzeugschaden gegenüber der Beklagten als Kaskoversicherer erstmals mit Schriftsatz vom 5.5.2011 geltend gemacht. Eine unzutreffende Darstellung des Unfallherganges oder sonst ein Verhalten, das eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit darstellen könnte, enthält das Anspruchsschreiben nicht und wird seitens der Beklagten auch für die nachfolgende Zeit nicht geltend gemacht. Der Unfallhergang war zu diesem Zeitpunkt vielmehr bereits aufgeklärt und der Beklagten als Kaskoversicherer bekannt.

Die Obliegenheitsverletzung der Klägerin im Haftpflichtverhältnis ergreift nicht auch den Kaskoversicherungsschutz. Die Kraftfahrtversicherung ist keine Einheitsversicherung, sondern eine in einem Versicherungsschein nur formell zusammengefasste Mehrzahl von selbständigen Versicherungsverträgen. Daraus folgt, dass Gefahrerhöhungen, Anzeigepflicht- und Obliegenheitsverletzungen für die jeweilige Sparte getrennt zu prüfen sind (Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, Vor A AKB 2008, Rdnr. 3). Die Zusammenfassung der Verträge in einem Versicherungsschein führt lediglich dazu, dass die Kenntnis des Versicherers für alle Sparten gilt, obwohl sie nur im Rahmen einer Sparte erlangt worden ist (Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, Vor A AKB 2008, Rdnr. 3).

Die Angaben der Klägerin in der Schadensanzeige vom 2.11.2010 und im Anwaltsschriftsatz vom 2.3.2011 sind lediglich im Rahmen der Abwicklung des Haftpflichtfalls erfolgt. Der insoweit vorgelegte Schriftverkehr ist jeweils zwischen der Klägerin und der Haftpflichtabteilung der Beklagten geführt worden. Aufgrund der Selbständigkeit der Vertragsverhältnisse beschränken sich die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung auf das jeweilige Vertragsverhältnis, in dem die Obliegenheiten zu erfüllen sind. Nachdem die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Angaben vom 2.11.2010 und 2.3.2011 Ansprüche aus der Kaskoversicherung noch nicht geltend gemacht hat, kommt eine Aufklärungsobliegenheitsverletzung in diesem Vertragsverhältnis durch unzutreffende Angaben zum Unfallverlauf nicht in Betracht.

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits im Rahmen der Abwicklung des Haftpflichtschadens Einfluss auf die Regulierung des Kaskoschadens nehmen wollte, bestehen nicht. Einen Bezug zur Regulierung des Kaskoschadens weisen die Mitteilungen nicht auf. Vielmehr ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 2.3.2011, dass sich die Klägerin allein deshalb als Fahrerin des Unfallwagens ausgegeben hat, um ihren Ehemann vor führerscheinrechtlichen Maßnahmen zu bewahren und die Regulierung des dem Beifahrer entstandenen Schadens nicht zu behindern, wobei es für die Abwicklung des Haftpflichtfalls durch die Beklagte hinsichtlich der Ansprüche des Geschädigten nur teilweise von Belang war, ob die Klägerin oder ihr Ehemann gefahren war. Ebenso wird deutlich, dass die anwaltlich beratene Klägerin mit dieser Täuschung nicht auch ihren Kaskoanspruch befördern wollte. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, weshalb sie mit dessen Geltendmachung solange zuwartete.

2. Eine Anspruchskürzung hat die Klägerin jedoch nach § 47 VVG hinzunehmen.

Gegenstand der Kaskoversicherung ist das Eigentümerinteresse an der Erhaltung des unter Versicherungsschutz stehenden Fahrzeugs (BGH r+s 1988, 255; BGHZ 30, 40, 42; BGH VersR 1964, 479). Die Kaskoversicherung kann auch als Fremdversicherung genommen werden, wenn das versicherte Fahrzeug ganz oder teilweise nicht im Eigentum des Versicherungsnehmers steht (Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, A.2.1 AKB 2008, Rdnr. 1). Soweit das Fahrzeug im (Mit)eigentum eines Dritten steht, handelt es sich um eine Versicherung fremder Interessen nach § 47 VVG (Fremdversicherung). Dabei ist unerheblich, ob dem Versicherer bei Abschluss der Kaskoversicherung bekannt gewesen ist, dass es sich um ein (auch) fremdes Fahrzeug handelt. Die Erklärungen der Parteien in einem Kaskovertrag sind nach der Verkehrssitte dahin aufzufassen, dass die Interessen versichert werden sollen, die nach der objektiven Rechtslage als Gegenstand der Versicherung in Betracht kommen (BGH r+s 1988, 255; OLG Stuttgart r+s 1992, 331; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AKB F Rdnr. 4).

Der Kaskoversicherungsvertrag umfasst hier neben der Eigenversicherung zugunsten der Klägerin (Ziffer A.2.1.1 AKB 2009) die davon zu trennende Fremdversicherung ihres Ehemannes (Ziffer A.2.4 AKB 2009), da sich der Unfallwagen im Miteigentum beider Eheleute befunden hat, § 1008 BGB. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass das Unfallfahrzeug in ihrem und ihres Ehemanns gemeinsamen Eigentum stand. Insoweit ist gemäß § 742 BGB mangels anderer Anhaltspunkte von einem hälftigen Miteigentum der Eheleute auszugehen. Umstände, die einen höheren Anteil des Ehemanns oder dessen Alleineigentum belegen, hat die Beklagte nicht dargetan. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist das Unfallfahrzeug sowohl von der Klägerin als auch von ihrem Ehemann als Familienfahrzeug angeschafft und genutzt worden. Beide verfügten über einen Fahrzeugschlüssel. Die Klägerin und ihr Ehemann waren daher Mitbesitzer, so dass nach § 1006 Abs. 1 BGB Miteigentum beider Ehegatten an dem Fahrzeug vermutet wird (Bassenge in Palandt, BGB, 72. Aufl., 2013, § 1006 Rdnr. 1). Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. Einer Wiederholung der Beweisaufnahme zur Beurteilung der Eigentumsverhältnisse bedarf es nicht. Tatsachen, die eine andere rechtliche Bewertung begründen, hat die Beklagte schon nicht vorgetragen. Ohne Bedeutung für die Beurteilung der Eigentumslage ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagten insbesondere, dass der Ehemann den Kaufvertrag abgeschlossen hat und der Kaufpreis von seinem Konto abgebucht worden ist. Dies schließt nicht aus, dass der Ehemann bei der Übereignung auch namens der Klägerin gehandelt hat, § 164 Abs. 1 BGB. Selbst wenn das Fahrzeug zum Zeitpunkt seines Erwerbs allein an den Ehemann übereignet worden wäre (§ 929 Satz 1 BGB), spricht die Verwendung als Familienfahrzeug dafür, dass dieser seiner Ehefrau Miteigentum an dem Fahrzeug verschafft hat (§ 929 Satz 2 BGB).

Im Umfang der von der Klägerin abgeschlossenen Fremdversicherung ist die Beklagte allerdings gegenüber dem versicherten Fremdinteresse des Zeugen Grund nach § 81 Abs. 2 VVG von der Leistung frei geworden. Nach § 47 VVG erfolgt eine Zurechnung von Risikoausschlüssen und Obliegenheitsverletzungen des Mitversicherten, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich bei dem Mitversicherten um einen Repräsentanten des Versicherungsnehmers handelt (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AHB 2008 F, Rdnr. 13 und 18).

§ 81 Abs. 2 VVG stellt einen subjektiven Risikoausschluss dar (BGH VersR 1986, 696; VersR 1984, 25; Halbach in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, § 81 VVG, Rdnr. 1). Danach ist der Versicherer berechtigt, bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Der Ehemann der Klägerin hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, indem er in absolut fahruntüchtigen Zustand das Fahrzeug geführt hat. Auch im Versicherungsvertragsrecht gilt, dass ein Kraftfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille absolut fahruntüchtig ist (BGH VersR 1991, 1367 – Tz. 7). Das Führen eines Fahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand ist grundsätzlich als objektiv und subjektiv grob fahrlässig zu betrachten (BGH VersR 1989, 469; BGH NJW 2011, 3299, 3300). Zudem spricht nach der Rechtsprechung der Beweis des ersten Anscheins für den Kausalzusammenhang zwischen absoluter Fahruntüchtigkeit und Unfall (BGH VersR 1991, 1367 – juris Tz. 17). Die bislang in der Rechtsprechung kontrovers diskutierte Frage, ob auch im Fall der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles eine Leistungskürzung auf Null möglich ist, hat der Bundesgerichtshof bejaht (BGH NJW 2011, 3299, 3303). Allerdings ist eine derart weitreichende Leistungskürzung des Versicherers auf besondere Ausnahmefällen beschränkt. Ein solcher Ausnahmefall kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Versicherungsfall im Zustand absoluter, alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit herbeigeführt wird, da sich derartige Fälle im Grenzgebiet zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz bewegen. Das Führen eines Fahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand gehört zudem zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt (BGH NJW 1989, 161; BGH NJW 1985, 2648; BGH NJW 2011, 3299, 3303). Eine Leistungskürzung auf Null darf jedoch nicht pauschal in jedem Fall absoluter Fahruntüchtigkeit vorgenommen werden. Hat der Versicherungsnehmer entlastende Umstände vorgetragen, die den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit jedenfalls im subjektiven Bereich in milderem Licht erscheinen lassen und kann der Versicherer diese nicht ausräumen, so kommt nur eine anteilige Kürzung und keine vollständige Leistungsfreiheit in Betracht (BGH NJW 2011, 3299, 3303). Das Vorliegen solcher entlastender Momente ist nicht ersichtlich und ist von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden. Die damit grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den mitversicherten Miteigentümer hat zur Folge, dass die Beklagte dem Miteigentümer gegenüber nach § 81 Abs. 2 VVG von der Leistung frei geworden ist, § 47 VVG (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AKB F Rn. 18).

3. Im Hinblick auf die Versicherung des eigenen Interessens der Klägerin kommt eine Zurechnung des Fehlverhaltens ihres Ehemannes nicht in Betracht, da dieser nicht als ihr Repräsentant zu betrachten ist.

Mitversicherte Personen haben die vertraglichen (Kapitel D und E AKB 2009) und gesetzlichen Obliegenheiten (§§ 23 ff. VVG) ebenso zu beachten wie der Versicherungsnehmer selbst. Auch ihnen gegenüber sind die Risikoausschlüsse (§ 81 VVG) anwendbar (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AKB 2008 F.1, Rdnr. 6). In der Kaskoversicherung hat sich der Versicherungsnehmer, soweit es sich um die Versicherung des eigenen Interesses handelt, das Fehlverhalten Dritter (Obliegenheitsverletzungen, Risikoausschlüsse) allerdings nur zurechnen zu lassen, soweit es sich dabei um einen Repräsentanten handelt (Prölss/Klimke in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, § 47 Rdnr. 11 und 12; Maier in Stiefel Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AKB 2008 F Rdnr. 57).

Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (BGH VersR 1996, 1229; BGH VersR 1993, 321). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzuzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen (BGHZ 122, 250, 252; BGH VersR 1996, 1229, 1230; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, § 28 Rdnr. 65; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl. 2010, AKB 2008 F, Rdnr. 54). Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der Ehemann weder als Fahrzeugführer noch als Ehegatte Repräsentant der Klägerin.

Die Repräsentantenstellung des Kraftfahrzeugführers setzt voraus, dass ihm das Fahrzeug zur eigenverantwortlichen Nutzung anvertraut worden ist und er auch für die Unterhaltung und Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs zu sorgen hat (BGH VersR 1996, 1229; OLG Frankfurt r+s 2003, 146). Davon kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, da das Fahrzeug überwiegend von der Klägerin genutzt worden sein soll, die auch die Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen veranlasst habe. Gegenteiliges hat die Beklagte nicht dargetan.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Ehegatte des Versicherungsnehmers als solcher niemals Repräsentant, sondern lediglich dann, wenn er die besonderen Voraussetzungen des Repräsentantenbegriffs erfüllt, für deren Vorliegen allerdings keine tatsächliche Vermutung spricht (Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, § 28 Rdnr. 83). Im Streitfall ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle der Klägerin als Versicherungsnehmerin getreten ist und daher als ihr Repräsentant zu betrachten wäre.

4. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung des ihrem versicherten Interesse entsprechenden Anteils an den Versicherungsleistungen in Höhe von 19.947,66 EUR.

a. Gemäß Ziffer A.2.6.1 AKB 2009 kann die Klägerin die Hälfte des Wiederbeschaffungsaufwandes des Fahrzeugs (Wiederbeschaffungswertes abzüglich Restwertes) und damit 19.333,50 EUR von der Beklagten erstattet verlangen.

b. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Erstattung der Hälfte der Abschleppkosten in Höhe von 614,16 EUR.

Zwar sehen die AKB 2009 eine Erstattung von Abschleppkosten nur im Fall der Beschädigung des Fahrzeugs vor (Ziffer A.2.7.2 AKB 2009), nicht jedoch bei einer Abrechnung auf Totalschadensbasis. Die Abschleppkosten sind von der Beklagten aber unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes nach § 83 Abs. 1 VVG zu erstatten. Danach kommt ein Ersatz der Abschleppkosten auch beim Totalschaden in Betracht, wenn das Abschleppen in eine Werkstatt der Verwertung des Restwerts dient, weil er nur durch Entfernen vom Unfallort und Verbringung nach dort erzielbar ist. Dann handelt es sich um Kosten, die der Geringhaltung des Schadens dienen, die Voraussetzung dafür sind, dass überhaupt ein Restwert, wie vorliegend gegeben, realisiert werden kann (Meinecke in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AKB 2008 A.2.7 Rdnr. 21).

5. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin unter Verzugsgesichtspunkten nach § 286 BGB ersetzt verlangen. Anspruch hat die Klägerin dabei lediglich auf die nicht nach Nr. 1800 VV-RVG erhöhte, einfache Geschäftsgebühr aus Nr. 2300 VV-RVG.

Zinsen stehen der Klägerin nach §§ 288 Abs. 1, 291 Abs. 1, 187 Abs. 1 ZPO zu.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da ihre Voraussetzungen nicht gegeben sind (§543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).