Zum Inhalt springen
Startseite | OLG Celle – Beschluss vom 22.01.08

OLG Celle – Beschluss vom 22.01.08

Zum Inhalt der Entscheidung: Läßt der Geschädigte sein Fahrzeug  im Rahmen der 130%-Grenze reparieren und verlangt er sodann eine Abrechnung auf der Basis der konkret angefallenen Reparaturkosten, so braucht er sein Integritätsinteresse nicht durch eine Weiternutzung des Fahrzeugs nachweisen. 

 

Oberlandesgericht Celle

Beschluss vom 22.01.2008

5 W 102/07

(…)

Gründe

I.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Zahlung von 5.465,60 € nebst Zinsen nach einem Verkehrsunfall vom 16. März 2007 in Anspruch genommen, für den die Beklagten unstreitig allein haften.

Die Klägerin hat das beschädigte Fahrzeug zunächst begutachten lassen. Nach dem Gutachten waren Reparaturkosten in Höhe von 9.608,99 € aufzuwenden. Der Wiederbeschaffungswert betrug 7.500 €, der Restwert 3.000 €, alle Angaben brutto. Die Klägerin hat behauptet, sie habe das Fahrzeug bei einer Fachfirma für 9.715,20 € reparieren lassen. Dazu hat sie die Auftragsbestätigung/Rechnung der Firma …….. (Bl.8 ff) vorgelegt. Die Beklagte zu 2 regulierte vorprozessual 4.250 € und vertrat dazu die Auffassung, der Geschädigte könne über dem Wiederbeschaffungswert (bis zu 30 % darüber) liegende Reparaturkosten nur dann verlangen, wenn er das Fahrzeug vollständig und fachgerecht nach den Vorgaben des Sachverständigen reparieren lasse und durch eine Weiternutzung des Fahrzeugs sein Integritätsinteresse dokumentiere. Dabei sei eine Weiternutzung von mindestens sechs Monaten, gerechnet ab dem Unfalldatum, erforderlich. Da dieser Zeitraum bei Erhebung der Klage noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei die geltend gemachte Klagforderung noch nicht (in voller Höhe) fällig gewesen.

Die Parteien haben sich (m Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hildesheim am 28. September 2007 dahin verglichen, dass die Klägerin eine aktuelle Zulassungsbescheinigung vorlege und die Beklagte zu 2 danach die Klageforderung in Höhe von 5.465.20 € bezahle. Über die. Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs soltte nach § 91 a ZPO entschieden werden.

In der Kostenentscheidung hat das Landgericht sodann die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs der Klägerin zu 17/54, den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 37/54 auferlegt und zur Begründung ausgeführt, es stehe fest, dass die Klägerin in Höhe von 2.034,80 €, nämlich den Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts, obsiegt hätte. Bezüglich des noch offenen Betrages habe die Kammer zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung nicht feststellen können, ob die Klage insoweit Erfolg gehabt hätte. Reparaturkosten in Höhe von 130 % des Wiederbeschaffungswerts könnten nur dann zugesprochen werden, wenn die Klägerin ein Integritätsinteresse behaupte und ggf. nachweise. Ein solches Interesse setze voraus, dass bei Erteilung des Reparaturauftrages der Wille bestanden habe, das Fahrzeug über einen gewissen Zeitraum weiterzufahren. Hierzu sei vor der mündlichen Verhandlung nichts vorgetragen worden. In der mündlichen Verhandlung hätten die Beklagten eine entsprechende Behauptung der Klägerin bestritten. Wie der Rechtsstreit insoweit ausgegangen wäre, könne die Kammer nicht beurteilen. Es entspräche daher billigem Ermessen, die Kosten hinsichtlich des Betrages von 3.365.40 € zwischen den Parteien hälftig zu teilen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, bei einer tatsächlich durchgeführter» Reparatur, für die die geltend gemachten Reparaturkosten auch tatsächlich angefallen seien, komme es auf ein (weiteres) Integritätsinteresse nicht an.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze und Anlagen der Parteien Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. § 91 a Abs. 2 S. 1 ZPO, und hat in der Sache Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs sind den Beklagten als Gesamtschuldnern aufzuerlegen, denn diese hätten ohne das erledigende Ereignis den Rechtsstreits verloren, § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 4 ZPO.

Die Klägerin hat den unfallbeschädigten Wagen in einer Fachwerkstatt reparieren lassen und die Reparaturkosten in voller Höhe beglichen. Diesen Vortrag der Klägerin hatten die Beklagten nicht bestritten. In einem solchen Fall ist auf ein Integritätsinteresse, das durch eine sechsmonatige Weiternutzung dokumentiert werden muss, nicht abzustellen. Die Beklagten übersehen, dass die entsprechenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Fällen ergangen sind, in denen der Geschadigte fiktive Reparaturkosten geltend gemacht hat. In den von den Beklagten genannten Fällen waren -auch wenn das Fahrzeug tatsächlich repariert worden war- nicht die Reparaturkosten tatsächlich angefallen, sondern der Geschädigte begehrte eine Abrechnung auf Gutachterbasis. Die Fälle einer fiktiven Reparaturkostenabrechnung sind jedoch anders zu beurteilen als die Fälle, in denen der Geschädigte sein Fahrzeug in einer Fachwerkstatt reparieren lässt und die Reparaturkosten in voller Höhe bezahlt. In einem solchen Fall besteht ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der Reparaturkosten, solange sie nicht den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteigen (130 %“Grenze). Sein Integritätsinteresse hat der Geschädigte in diesen Fällen dadurch dokumentiert, dass er den Wagen in einer Fachwerkstatt mit einem entsprechenden tatsächlich angefallenen Reparaturkostenaufwand hat reparieren lassen. Einer weiteren „Bestätigung“ seines Integritätsinteresses durch Weiternutzung bedarf es in diesen Fällen nicht. Anders wäre dies zu beurteilen, wenn der Geschädigte bei Erteilung des Reparaturauftrages schon den Entschtuss gefasst haben sollte, das Fahrzeug zu verkaufen. Diese Konstellation wird hier nicht vorgetragen. Auch die neueste Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem Problemkreis vom 27. November 2007 (Aktenzeichen VI ZR 56/07) besagt nichts anderes, denn auch dort hatte der Geschädigte als Schadensersatz die lediglich geschätzten, also fiktiven Reparaturkosten geltend gemacht, sein Fahrzeug jedoch in Eigenregie repariert. Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist mit dem vorliegenden Fall ebenfalls nicht vergleichbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert war auf den Betrag der anteiligen Verfahrenskosten erster Instanz festzusetzen.