Zum Inhalt springen
Startseite | Rechtsprechung | Rechtsprechung Unfallrecht | LG Koblenz – Urteil vom 19.11.07

LG Koblenz – Urteil vom 19.11.07

Zum Inhalt der Entscheidung: Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls muß den Schaden so gering wie möglich halten (Schadenminderungspflicht). Er ist daher gehalten, die Dauer des Nutzungsausfalls seines Fahrzeugs möglichst kurz zu halten. Kann er die Reparatur seines Fahrzeugs nicht aus eigenen Mitteln finanzieren, so ist es ihm zumutbar einen Kredit aufzunehmen. Wenn er sich nicht um die Aufnahme eines Kredits bemüht oder vorträgt, dass ihm kein Kredit zugänglich ist, so kann er für den Zeitraum, um den der Nutzungsausfall sich aufgrund der Verzögerung der Reparatur verlängert, keine Nutzungsausfallentschädigung beanspruchen.

Landgericht Koblenz

Urteil vom 19.11.2007

5 O 351/07

Tatbestand

Der Kläger verlangt vom Beklagten Nutzungsausfallentschädigung wegen der Beschädigung seines Pkw anlässlich eines Verkehrsunfalls vom 03.07.2006.

Mit Schreiben vom 11.08.2006 (Anlage K2, GA Bl. 11 f) ließ der Kläger den Unfall durch seine Prozessbevollmächtigten beim Beklagten anzeigen unter Hinweis auf die wegen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erfolgte Mandatierung. In diesem Schreiben bezifferte der Kläger 3 verschiedne Schadenspositionen (Fahrzeugschaden, Gutachterkosten, Schadenspauschale) im Umfang von insgesamt 2.524,62 € und behielt sich die Geltendmachung weiterer Schadenspositionen, insbesondere der Nutzungsausfallentschädigung vor. Er wies darin auf den nicht fahrbereiten Zustand des Fahrzeuges hin und kündigte für den erfolglosen Ablauf der bis zum 21.08.2006 gesetzten Zahlungsfrist die Aufnahme eines Bankkredites an, um die Reparaturkosten zu finanzieren, weil er auf die Benutzung des Fahrzeuges für den täglichen Weg zur Arbeit angewiesen sei unter Hinweis, dem Beklagten die Kreditkosten gesondert aufzugeben.

Den angekündigten Kredit nahm der Kläger nicht auf. Über die Nichtaufnahme informierte er den Beklagten auch nicht.

Da der Beklagte nur 813,45 € zahlte, verklagte der Kläger ihn und die Unfallgegnerin vor dem Amtsgericht Andernach (dortiges Az: 6 C 855/06) wegen der v. g. 3 Schadenspositionen zuzüglich 580,58 € Mietwagenkosten abzüglich der gezahlten 813,45 € auf Zahlung von 2.291,10 € zuzüglich Anwaltskosten. Nach Durchführung der Beweisaufnahme mittels Zeugenvernehmung verurteilte das Amtsgericht die dortigen Beklagten am 12.01.2007 antragsgemäß zur Zahlung.

Nach dem am 01.02.2007 erfolgten Eingang des titulierten Schadensbetrages erteilte der Kläger den Reparaturauftrag. Die Reparatur dauerte bis zum 09.02.2007.

Der Kläger trägt vor:

Er habe gegen den Beklagten Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom 03.07.2006 bis zum 09.02.2007 (200 Tage) abzüglich der 9 Tage für die Benutzung des Mietwagens, d. h. für 191 Tage zu einem Tagessatz von 29,00 €, mithin in Höhe von insgesamt 5.539,00 €.

Wegen der gegenüber dem Beklagten mit Schriftsatz vom 24.01.2007 erfolgten erfolglosen Fristsetzung habe er zudem Anspruch auf Verzugszinsen aus diesem Betrag ab dem 08.02.2007 und auf Zahlung von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 546,69 €.

Der Kläger vertritt die Ansicht zur Reparatur des beschädigten Kfz unter Vorstreckung der Kosten, d. h. vor Zahlung des Fahrzeugschadensbetrages/Vorschusses durch die Schädigerseite nicht verpflichtet zu sein.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zu zahlen

1. 5.539,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2007 und

2. außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 546,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2007.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet die Klageforderung nach Grund und Höhe, insbesondere wegen der monatelang nicht veranlassten Reparatur den Nutzungswillen und das Nutzungserfordernis des Klägers in Bezug auf das Kfz und trägt vor:

Da der Kläger vor dem Amtsgericht in der Klagebegründung ausgeführt habe, dass er dort restlichen Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallereignis geltend mache, habe er auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche dort verzichtet, diese aber zumindest verwirkt.

Wegen des Mitverschuldens der Führerin des Klägerfahrzeuges am Unfall, sei ohnehin nur von einer Haftung des Beklagten in Höhe von 50 % auszugehen.

Da der Kläger nur im Schreiben vom 11.08.2006 auf eine beabsichtigte Bankkreditaufnahme zur Finanzierung der Reparaturkosten hingewiesen und danach keinen Hinweis auf die nicht erfolgte Kreditaufnahme gegenüber dem Beklagten mehr erteilt habe, habe sich dieser nicht auf eine andere Schadensregulierung einstellen und nach der vorprozessual erfolgten Zahlung wegen der Formulierung der beim Amtsgericht eingereichten Klage von der Erledigung dieser Sache ausgehen können.

Außerdem habe der Kläger gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, indem er den avisierten Kredit, soweit er überhaupt erforderlich gewesen sei, nicht aufgenommen und den Beklagten hierüber nicht informiert habe.

Die Akte des Amtsgerichts Andernach 6 C 855/06 war zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die hiermit zu den Gerichtsakten gereichten Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung wegen der Beschädigung seines Kfz bei dem Verkehrsunfall vom 03.07.2006 und der deshalb bis zu seiner Reparatur nicht erfolgten Nutzung einschließlich Zinsen und vorprozessualer Rechtsanwaltskosten nicht zu, insbesondere auch nicht aus §§ 3 Abs. 1 Pflichtversicherungsgesetz i.V.m. §§ 7, 17, 18 StVG, 249, 286 ff, 291 sowie 280 Abs. 1 und 2, 286, 249 Abs. 1 BGB i. V. m. 2 Abs. 2, 13 RVG, Nr. 2400, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG. Damit hatte die Klage der Abweisung zu unterliegen.

Der geltend gemachte Anspruch scheitert aber nicht bereits an dem abgeschlossenen amtsgerichtlichen Verfahren und des deshalb vom Beklagten eingewandten Anspruchsverzichts bzw. der Verwirkung.

Bei verständiger Würdigung des zwischen den Parteien vor dem Amtsgericht geführten Verfahrens hat der Kläger dort letztlich nur eine (verdeckte) Teilklage erhoben, weil er vermeintliche, damals nicht konkret im Raum stehende Nutzungsausfallschadensersatzansprüche dort nicht geltend gemacht hat. Denn waren im vorangegangenen Prozess nur andere Schadenspositionen geltend gemacht worden, so erfasst die Rechtskraft des Urteils nur diese Positionen und erstreckt sich nicht auf den nicht eingeklagten weiteren Anspruch des hier streitgegenständlichen Nutzungsausfallschadens (vgl. hierzu auch BGHZ 34, 337, 339; 36, 365, 367; 93, 330, 334; 135, 178). Das gilt auch dann, wenn der Kläger im Vorprozess eine sogenannte verdeckte Teilklage verfolgt hat, ohne sich weitergehende Ansprüche vorzubehalten (BGHZ 135, 178). Eines förmlichen Vorbehalts bedurfte es weder aus prozessualen noch aus materiell-rechtlichen Gründen. Grundsätzlich braucht ein Kläger, der einen bezifferten Anspruch geltend macht oder mehrere bezifferte Ansprüche verfolgt, nicht zu erklären, er behalte sich die darüber hinausgehenden Ansprüche vor, denn das ergibt sich schon daraus, dass die Rechtskraft eines Urteils nur den im Prozess geltend gemachten Anspruch ergreift, der gemäß § 308 ZPO durch den Klageantrag beschränkt wird. Die Rechtskraft eines Urteils erstreckt sich nicht auf den nicht eingeklagten Rest eines teilbaren Anspruchs oder auf andere Ansprüche aus dem gleichen Sachverhalt, selbst wenn sich das Urteil darüber auslässt (BGHZ 135, 178 m.w.N.).

Damit geht auch der Einwand des Beklagten fehl, der vom Kläger im Vorprozess unterlassene Vorbehalt einer Nachforderung könne als Verzicht auf weitergehende Ansprüche aufzufassen sein. Denn es fehlt an einer tragfähigen Begründung dafür, woraus sich der Verzichtswille des Klägers hinsichtlich der Mehrforderungen ergeben soll. Aus der floskelhaften Formulierung, dass der Kläger restlichen Schadensersatz aus dem Unfallereignis geltend macht, ergibt sich dieser jedenfalls nicht. Weitere Anhaltspunkte sind hierfür nicht ersichtlich.

Auch die vom Beklagten eingewandte Verwirkung greift nicht durch, dafür ist bereits der Zeitablauf zu kurz. Immerhin hat der Kläger seine anderen Ansprüche im Vorprozess nachhaltig verfolgt und unverzüglich nach Erhalt des titulierten Betrages die Reparatur des Fahrzeuges beauftragt und nach deren Ende den vermeintlichen Nutzungsausfallschadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten beziffert.

Der Nutzungsausfallanspruch setzt eine fühlbare Nutzungsbeeinträchtigung voraus.

Sie liegt nicht vor, wenn der Geschädigte seinen Wagen in der Ausfallzeit aus unfallunabhängigen oder unfallabhängigen Gründen nicht nutzen konnte oder nicht nutzen wollte. Indem die Ersatzforderung vom Vorliegen eines Nutzungswillens und einer hypothetischen Nutzungsmöglichkeit abhängig gemacht wird, soll einer Ausnutzung des Unfalles zur Gewinnerzielung vorgebeugt werden. Der Geschädigte soll den Unfall nicht zum Anlass nehmen können, sich für die Vereitelung einer bloß abstrakten Nutzungsmöglichkeit eine Entschädigung zahlen zu lassen und so am Unfall zu verdienen (BGH NJW 1966, 1260 ff. und NJW 1968, 1778 ff.).

Von einer fühlbaren Nutzungsbeeinträchtigung kann trotz fehlenden weiteren konkreten Sachvortrages zugunsten des Klägers ausgegangen werden. Denn er hat nach langer Ausfallzeit sein beschädigtes Fahrzeug unverzüglich nach Erhalt des ausgeurteilten Betrages reparieren lassen und weiter genutzt.

Zu Recht beruft sich der Beklagte jedoch auf die Verletzung der dem Kläger obliegenden, aus § 254 Abs. 2 BGB folgenden Schadensminderungspflicht in Verbindung mit seinem widersprüchlichen Verhalten, die dem geltend gemachten Anspruch entgegenstehen.

Der Kläger hat nur in einem Schreiben, nämlich dem vom 11.08.2006, angekündigt, sich die Geltendmachung von Nutzungsausfallschaden vorzubehalten und dort gleichzeitig auf die beabsichtigte Aufnahme eines Kredites verwiesen für die Finanzierung der Reparaturkosten. Da der Beklagte ihm sodann (neben den Sachverständigenkosten) die ebenfalls noch nicht im Schreiben vom 11.08.2006 und damit erst nachträglich verlangten Mietwagenkosten bezahlte, durfte er in Ermangelung einer anderweitigen Erklärung der Klägerseite davon ausgehen, dass die Frage des Nutzungsausfalls des beschädigten Kfz zunächst durch die Anmietung überbrückt und der Kläger sodann die Reparatur über einen aufgenommenen Kredit bezahlt hatte bzw. bezahlen würde, sofern er sich nicht anderweitig behelfen konnte. Denn der Kläger hat auch an keiner Stelle seines Schreibens vom 11.08.2006 darauf hingewiesen, nicht zu einer solchen relativ geringen Kreditaufnahme bei einem Fahrzeug-Nettoschaden von 2.266,10 € in der Lage zu sein und auch keinen diesbezüglichen Vorschuss verlangt. Dabei ging der Beklagte in Bezug auf eine möglicherweise tatsächlich durchgeführte Kreditaufnahme seitens des Klägers auch kein großes Kostenrisiko ein, weil die Zinsen für einen Kredit nur den Bruchteil einer für einen langen Zeitraum zu zahlenden Nutzungsentschädigung ausgemacht hätten.

Der Kläger war im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten, den Schaden so gering wie möglich zu halten und die Ersatzbeschaffung innerhalb der angemessenen Zeit vorzunehmen (KG, VersR 1976, 1159). Fehlen ihm hierzu die finanziellen Mittel, kann ihm dann ein Mitverschuldensvorwurf gemacht werden, wenn er sich diese leicht hätte beschaffen können (OLG Saarbrücken, NZV, 1990, 388; OLG Düsseldorf, OLG-Report 1997, 107; OLG Naumburg, DAR 2005, 158 m.w.N.). Die Kreditaufnahme ist ein solches Beschaffungsmittel.

Vorliegend ist bereits nicht davon auszugehen, dass der Kläger sich die Mittel für die Reparatur seines Kfz nicht wie ausdrücklich gegenüber dem Beklagten angekündigt als Kredit hätte beschaffen können. Zwar trägt grundsätzlich der Schädiger die Beweislast für einen Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht und für dessen Schadensursächlichkeit. Da es aber um Umstände aus der Sphäre des Klägers geht, hätte er zumindest darlegen müssen, inwiefern er – entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung – nicht in der Lage war, einen Kredit für die Reparatur seines Pkw zu erlangen (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf, VersR 1998, 911: nicht erfolgte Kreditaufnahme für Reparatur eines beschädigten Oldtimer; OLG Naumburg, DAR 2005, 158: nicht erfolgte Kreditaufnahme für Ersatzfahrzeugbeschaffung). Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.

Der Kläger hat nicht einmal vorgetragen, sich um die angekündigte Kreditaufnahme überhaupt bemüht zu haben. Selbst wenn – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – der Kläger sich um einen Kredit bei der Hausbank bemüht und diese ihn wegen hoher anderweitiger Kreditbelastung abgelehnt haben sollte, hätte er damit allein nicht schon seiner Schadensminderungspflicht genügt. Vielmehr hätte er sich noch bei anderen Banken um die Aufnahme des relativ geringen Kredites für die Fahrzeugreparatur bemühen müssen, um seiner Pflicht zur Schadensgeringhaltung zu genügen. Dies hat er offensichtlich nicht getan und damit den Anforderungen an die ihm obliegende Schadensminderungspflicht nicht genügt.

Hätte der Kläger überhaupt einen Kredit zur Finanzierung der Reparatur aufnehmen müssen, wären Zinsen in einem deutlich niedrigeren Rahmen angefallen als die jetzt beanspruchten 5.539,00 €. Dies verdeutlicht folgende Beispielsrechung. Bei einem Kredit über den letztlich berechneten Reparatur-Rechungsbetrag von 3.092,88 € Brutto wären z. B. Zinsen für einen Konsumentenkredit z. B. je nach angenommener Verzinsung in Höhe von 10 % bis 14 % zwischen 309,29 € und 433,00 € jährlich angefallen. Allein diese Beispielsrechung zeigt, welches grobe Missverhältnis entstehen kann, wenn ein Geschädigter entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, d. h. sich später in Widerspruch zu seinem vorherigen Verhalten setzt und dann meint, dennoch die rein rechnerisch ermittelte Nutzungsentschädigung nachträglich verlangen zu können.

Mit seinem Verhalten hat der Kläger gegen die ihm obliegende, aus § 254 Abs. 2 BGB folgende Schadensminderungspflicht verstoßen. Denn er hat offensichtlich keine hinreichenden Bemühungen zur Schadensgeringhaltung unternommen und den Beklagten über eine möglicherweise geänderte Situation betreffend die zunächst avisierte Kreditaufnahme auch nicht informiert, so dass dieser sich auch nicht auf die geänderte Situation einstellen konnte. Damit aber steht dem Kläger der geltend gemachte Nutzungsentschädigungsanspruch nicht zu.

Da der Kläger Kreditzinsen nicht verlangt und ihm die Nutzungsausfallentschädigung aus den vorstehenden Gründen nicht zusteht, der Beklagte ihm für die Zeit der voraussichtlichen Reparaturdauer bereits vorprozessual die Mietwagenkosten erstattet hatte, hatte die Klage einschließlich der geltend gemachten Nebenforderungen der Abweisung zu unterliegen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

Das Gericht hat beschlossen, den Verfahrensstreitwert endgültig auf 5.539,00 € festzusetzen.