Zum Inhalt der Entscheidung: Übersteigen die kalkulierten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeugs, kann eine Abrechnung auf der Basis der kalkulierten Reparaturkosten nur erfolgen, wenn das Fahrzeug fachgerecht repariert wird. Eine Teil- oder Billigreparatur genügt diesen Anforderungen nicht.
Bundesgerichtshof
Urteil vom 15.02.2005
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall, für den die Beklagten in vollem Umfang einzustehen haben.
Die für die fachgerechte und vollständige Reparatur des Fahrzeugs des Klägers erforderlichen Kosten schätzte der Kfz-Sachverständige auf 6.044,41 € ohne Mehrwertsteuer. Zum Ausgleich des Wertunterschiedes „neu für alt“ bei den Ersatzteilen sah der Sachverständige einen Abzug von 185,79 € vor. Für die voraussichtliche Reparaturdauer ging er von neun bis zehn Arbeitstagen aus. Den Wiederbeschaffungswert schätzte er auf 5.450 € inklusive Mehrwertsteuer, den Restwert des Fahrzeugs auf 1.000 €. Der Kläger ließ das Fahrzeug in einen verkehrssicheren und fahrbereiten Zustand versetzen. Dafür wendete er 1.800 € zuzüglich 288 € Mehrwertsteuer auf.
Der Kläger begehrte von den Beklagten die Reparaturkosten in Höhe von 5.858,62 € ohne Mehrwertsteuer gemäß Gutachten unter Berücksichtigung des Abzugs „neu für alt“ (6.044,41 € minus 185,79 €), die von ihm für die durchgeführte Reparatur bezahlte Mehrwertsteuer in Höhe von 288 € sowie weitere Kosten, die nicht mehr im Streit sind.
Der Kläger ist der Ansicht, daß ihm die geschätzten Reparaturkosten zu erstatten seien, da diese 130% des Wiederbeschaffungswerts nicht überstiegen und er sein Fahrzeug tatsächlich repariert habe. Eine vollständige Reparatur des Fahrzeugs sei nicht erforderlich. Die Mehrwertsteuer sei zu erstatten, da sie tatsächlich angefallen sei.
Das Amtsgericht hat einen Ersatzanspruch in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) des Fahrzeugs bejaht und dem Kläger weitere 752,73 € zuzüglich 5% Zinsen seit dem 21. Januar 2004 (dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung) zugesprochen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Zinsbeginns auf 26. Juli 2003 abgeändert und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Ersatz der geschätzten Reparaturkosten und der für die durchgeführte Reparatur gezahlten Mehrwertsteuer weiter.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Das Berufungsgericht hat dem Kläger nur den Wiederbeschaffungsaufwand zuerkannt, weil die erforderlichen Reparaturkosten für eine ordnungsgemäße Instandsetzung des Fahrzeugs über dem Wiederbeschaffungswert lägen und der Kläger weder vollständig noch fachgerecht repariert habe. Dies sei Voraussetzung für die Abrechnung von Reparaturkosten bis zu 130% des Wiederbeschaffungswerts. In Umkehrung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil BGHZ 115, 375 ff.), daß die Reparatur nicht in einen sinnvollen und einen nicht sinnvollen Teil aufgespalten werden könne, müsse bei einer nicht in vollem Umfang und nicht ordnungsgemäß durchgeführten Reparatur der Grundsatz gelten, daß der Geschädigte einen Integritätszuschlag nur für eine insgesamt wirtschaftlich sinnvolle, vollständig sach- und fachgerecht durchgeführte Reparatur verlangen könne. Der Kläger könne deshalb lediglich nach dem Wiederbeschaffungsaufwand abrechnen, denn der Restwert bleibe nur bei einer Abrechnung von Reparaturkosten bis zum Wiederbeschaffungswert außer Acht.
Allerdings könne der Kläger die in dem vom Sachverständigen geschätzten Wiederbeschaffungsaufwand enthaltene Mehrwertsteuer gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ersetzt verlangen. Diese werde zwar vom Sachverständigen mit 16% in Höhe von 613,79 € berechnet. Erwerbe der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug von einem Privatmann, der keine Mehrwertsteuer bezahle, sei deshalb der Wiederbeschaffungsaufwand um diesen Betrag zu kürzen. Da der Kläger kein neues Fahrzeug erworben habe, könne aber auf der Grundlage der Differenzbesteuerung des § 25a UStG die Mehrwertsteuer pauschal mit 2% des Wiederbeschaffungswerts auf 90 € angesetzt werden. In dieser Höhe sei Umsatzsteuer für die Kosten der Teilreparatur vom Kläger tatsächlich gezahlt worden. Deshalb könne er den Wiederbeschaffungsaufwand einschließlich der Mehrwertsteuer ersetzt verlangen. Darüber hinausgehende für die Teilreparatur aufgewendete Mehrwertsteuer könne er hingegen nicht verlangen, da die Grenze seines Ersatzanspruches der Wiederbeschaffungsaufwand sei.
II. Die Revision des Klägers bleibt erfolglos.
1. Mit Urteil vom heutigen Tag hat der erkennende Senat in der Sache VI ZR 70/04 entschieden, daß der Geschädigte Ersatz eines den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturaufwands nur dann verlangen kann, wenn die Reparaturen fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt werden, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. Davon geht das Berufungsgericht zutreffend aus. Auch seine weitere Auffassung, daß der Kläger bei fiktiver Schadensberechnung lediglich Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands – also abzüglich des Restwerts – verlangen könne, trifft im Ergebnis zu.
a) Bei der Frage, welchen Aufwand der Geschädigte für die Reparatur seines Fahrzeugs ersetzt verlangen kann, ist – wie der Senat im Urteil – VI ZR 70/04 – vom heutigen Tag (vorges. zur Veröff. in BGHZ) ausgeführt hat – zum einen das Verhältnis der Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs zu berücksichtigen (Senatsurteil, BGHZ 115, 364, 367); zum anderen ist zu bedenken, daß regelmäßig nur die Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs sein Integritätsinteresse befriedigt (vgl. Senatsurteile BGHZ 115, 364, 371; vom 8. Dezember 1998 – VI ZR 66/98 – VersR 1999, 245 f. und vom 17. März 1992 – VI ZR 226/91 – VersR 1992, 710; OLG Hamm, NZV 1991, 351, 352 = DAR 1991, 333, 334; Medicus, Jus 1973, 211, 212; Weber, DAR 1991, 11). Deshalb steht es mit den Grundsätzen des Schadensrechts im Einklang, daß dem Geschädigten, der eine Reparatur nachweislich durchführt, die zur Instandsetzung erforderlichen Kosten zuerkannt werden können, die den Wiederbeschaffungswert bis zu 30% übersteigen (Senatsurteil, BGHZ 115, aaO). Allerdings kann ein solcher Integritätszuschlag bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nur verlangt werden, wenn die Reparaturen fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt werden, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.
b) Repariert der Geschädigte – wie im Streitfall – sein Fahrzeug nicht fachgerecht oder nur unvollständig, beweist er zwar durch die Weiternutzung des unvollständig reparierten Fahrzeugs sein Interesse an der Mobilität. Dieses kann aber im allgemeinen durch die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs in vergleichbarer Weise befriedigt werden. Hingegen kommt in einem solchen Fall dem für den fraglichen Zuschlag maßgeblichen Gesichtspunkt, daß der Geschädigte besonderen Wert auf das vertraute Fahrzeug lege, weil dieses zuverlässig und gut gewartet sei, was er im Falle eines Gebrauchtwagenkaufs unter Umständen missen müßte (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1998 – VI ZR 66/98 – aaO), keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Übersteigt der erforderliche Reparaturaufwand den Fahrzeugwert, kann deshalb – nach den im Senatsurteil vom heutigen Tag (VI ZR 70/04) dargelegten Grundsätzen – Ersatz dieses Reparaturaufwands nur verlangt werden, wenn der Geschädigte durch eine qualifizierte Reparatur der oben beschriebenen Art sein Integritätsinteresse nachweist. Entspricht die Reparatur diesen Anforderungen nicht, kann eine fiktive Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nur bis zur Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands erfolgen. Ein darüber hinausgehender Schadensausgleich ließe das Gebot der Wirtschaftlichkeit und das Verbot der Bereicherung außer Acht.
aa) Insofern liegt der Sachverhalt in einem entscheidenden Punkt anders als im Senatsurteil vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02 – BGHZ 154, 395 ff.. Dort hat der Senat entschieden, daß Qualität und Umfang der Reparatur jedenfalls so lange keine Rolle spielen, als die geschätzten Reparaturkosten zwar den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert), nicht aber den Wiederbeschaffungswert übersteigen. In einem solchen Fall kann der Geschädigte nämlich grundsätzlich nach den zur Schadensbehebung erforderlichen Kosten abrechnen, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren läßt und weiter nutzt. Dann ist auch der Restwert nicht abzuziehen, weil er sich – wie in den Senatsurteilen BGHZ 154, 395 ff. und 115, 364, 371 ff. dargelegt -im Rahmen einer solchen Schadensberechnung lediglich als hypothetischer Rechnungsposten darstellt.
bb) Demgegenüber ist eine grundlegend andere Betrachtungsweise in Fällen wie dem vorliegenden geboten, in dem die für eine Schadensbehebung erforderlichen Kosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs übersteigen. Zwar steht es dem Geschädigten auch in solchen Fällen frei, in welcher Weise er den Schaden beseitigen will. Doch können dem Geschädigten Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt. Anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt.
Hiernach hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht dem Kläger nur den Wiederbeschaffungsaufwand zuerkannt.
2. Da der Kläger keine tatsächliche Ersatzbeschaffung vorgenommen hat, besteht gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB auch kein Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuer ist – entgegen der Auffassung der Revision – nur zu ersetzen, wenn sie bei einer Wiederbeschaffung tatsächlich angefallen wäre. Ohne Durchführung der Ersatzbeschaffung hat der Geschädigte hingegen nur einen Anspruch auf den Netto-Wiederbeschaffungsaufwand.
Auch der Meinung des Berufungsgerichts, daß dem Kläger ein Anspruch jedenfalls zustehe, soweit die gezahlte Mehrwertsteuer dem als Kosten der Ersatzbeschaffung geschätzten Mehrwertsteuersatz entspreche, ist nicht zu folgen. Da nur der Kläger Revision eingelegt hat, wirkt sich die Auffassung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall allerdings nicht aus. Sie steht aber in Widerspruch zu § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach die Umsatzsteuer nur zu ersetzen ist, soweit sie tatsächlich angefallen ist, wobei eine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung nicht zulässig ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 – VI ZR 361/02 – DAR 2003, 554).
Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich nichts anderes aus dem Senatsurteil vom 20. April 2004 – VI ZR 109/03 – VersR 2004, 876. In diesem Urteil hat der Senat klargestellt, daß auch im Falle des wirtschaftlichen Totalschadens die Naturalrestitution in Form der Ersatzbeschaffung in Frage kommt und nicht nur die Kompensation gemäß § 251 Abs. 1 BGB. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB bleibt im Fall der Kompensation außer Betracht, findet aber grundsätzlich Anwendung im Fall der Naturalrestitution durch Ersatzbeschaffung (vgl. Luckey, VersR 2004, 1525, 1526).
3. Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.