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AG Münster – Urteil vom 06.05.25

Zum Inhalt der Entscheidung: Beauftragt der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall einen Kfz-Sachverständigen mit der Gutachtenerstellung und verlangt er vom Schädiger Zahlung des vollen Honorars unmittelbar an das Sachverständigenbüro – Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgriffsansprüche –, ist eine Prüfung der Angemessenheit der einzelnen Rechnungsposten entbehrlich. Der Geschädigte darf grundsätzlich auf die Üblichkeit der berechneten Kosten vertrauen und ist nicht verpflichtet, den günstigsten Anbieter zu ermitteln.

Amtsgericht Münster

Urteil vom 06.05.2025

96 C 429/25

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, an das Kfz-Sachverständigenbüro (…) 119,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2025 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgriffsansprüche gegen Kfz-Sachverständigenbüro anlässlich der Erstellung des Gutachtens vom 17.01.2025, Rechnungsnummer, über den Schaden am klägerischen Fahrzeug, amtliches Kennzeichen (…), aufgrund des Verkehrsunfalls vom 05.01.2025.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 313a Abs. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.
l.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht örtlich gemäß § 12, 17 Abs. 1 ZPO und sachlich gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 GVG zuständig. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten an das Sachverständigenbüro aus § 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG,115WG.

1.

Die Alleinhaftung des Beklagten für das streitgegenständliche Unfallereignis als
Kfz-Haftpflichtversicherung steht zwischen den Parteien nicht in Streit; streitig ist
allein die Höhe des Schadenersatzanspruchs.

2.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der vollständigen Sachverständigenkosten, wie sie vom Sachverständigen fakturiert wurden. Zu einem ersatzfähigen Schaden nach § 249 BGB gehören auch die Belastungen mit einer Verbindlichkeit. Nach § 249 Abs. 1 BGB sind die Kosten für ein Sachverständigengutachten als mit dem Schaden unmittelbar verbundene auszugleichende Vermögensnachteile zu ersetzen, soweit sie für die Geltendmachung des Schadensersatzes erforderlich und zweckmäßig sind (BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450, 1451 Rn. 11). Dass eine grundsätzliche Erforderlichkeit für ein Sachverständigengutachten bestand, wird auch vom Beklagten, der bereits anteilige Kosten reguliert hat, nicht angezweifelt. Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2016 – VI ZR 491/15, NJW 2016, 3363, 3364 Rn. 16). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Dass ein durchschnittlicher Laie das vorliegend abgerechnete Grundhonorar in Höhe von 734 EUR für die Gutachtenerstellung und die diesbezüglichen Nebenkosten als nicht abrechenbar bzw. erkennbar deutlich überhöht erkennen musste, teilt das erkennende Gericht nicht. Einem Geschädigten, der nach einem Unfall einen Sachverständigen mit der Gutachtenerstellung beauftragt, ist zuzugestehen, dass er regelmäßig keine Erfahrungen mit der Abrechnungspraxis von Kfz-Sachverständigen hat. Vergleicht man die vorliegend abgerechneten Positionen und deren Höhe mit einer Handwerker- bzw. Reparaturrechnung, wo auch – neben der beauftragten Tätigkeit an sich – Kosten für Vorbereitungsmaßnahmen, Fahrtkosten, Materialkosten bzw. Entsorgungskosten üblicherweise mindestens in dieser Größenordnung abgerechnet werden, verwundert es sich nicht, dass der Geschädigte eine weitere Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der einzelnen Abrechnungspositionen hier nicht vorgenommen hat. Er durfte vorliegend -mangels anderer Erkenntnisse – davon ausgehen, dass der Sachverständige die üblicherweise abzurechnenden Positionen bei der Abrechnung berücksichtigt.

3.

Der Anspruch belauft sich daher auf den vollen vom Sachverständigenbüro fakturierten Betrag. Dabei kann aus den oben genannten Gründen dahinstehen, ob (wofür einiges spricht) die Kostenansätze des Sachverständigenbüros überhöht sind, da der Kläger Zahlung nicht an sich, sondern an das Sachverständigenbüro verlangt.

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass der Geschädigte „sicher stellen kann, dass sich der Schädiger und nicht er selbst über unangemessene bzw. unberechtigte Rechnungsposten mit dem Sachverständigen auseinanderzusetzen hat“, wenn er (der Geschädigte, der sich auf das Sachverständigenrisiko beruft) vom Schädiger Zahlung des vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Honorars nur an den Sachverständigen und nicht an sich selbst verlangt, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen (vgl. BGH,
Urteil vom 12.03.2024-VI ZR 208/22, NJW2024,2035, 2037, Rn.18). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Geschädigte beruft sich explizit auf das „Sachverständigenrisiko“ und er fordert schlussendlich Zahlung auch nicht an sich selbst, sondern nur an das Sachverständigenbüro.

Zugleich hat er seinen Antrag entsprechend der Vorgaben des Bundesgerichtshofs als Zug um Zug-Antrag gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegen den Sachverständigen formuliert. Es dürfte dem Beklagten sicherlich zuzumuten sein – falls an der Einschätzung festgehalten wird, dass die vom Sachverständigenbüro abgerechneten Positionen teilweise gar nicht oder zumindest nicht in dieser Höhe hätten abgerechnet werden dürfen – aus abgetretenem Recht insoweit auf Rückerstattung dieser Positionen gegen das Sachverständigenbüro vorzugehen.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11,
713 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis 500,00 EUR festgesetzt.