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Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung: Wann droht die Verdopplung des Bußgeldes?

Vorsatz Bußgeld

Wer wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung geblitzt wird, riskiert nicht nur ein Bußgeld und Punkte in Flensburg – sondern unter Umständen sogar ein Fahrverbot. Besonders teuer wird es, wenn die Tat vorsätzlich begangen wurde: Dann verdoppelt sich in der Regel das Bußgeld.


Was bedeutet „vorsätzliches Handeln“ bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung?

Ein vorsätzliches Verhalten liegt vor, wenn der Fahrer eine Geschwindigkeitsbegrenzung kennt und bewusst missachtet. In der Praxis muss dieser Vorsatz aber nachgewiesen werden – was regelmäßig über Indizien erfolgt, etwa:

  • Eine erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit

  • Längeres Fahren mit konstanter Überschreitung

  • Aktivierter Tempomat auf zu hohem Niveau

  • Wiederholte Verstöße in kurzer Zeit


Ab wann gilt eine Überschreitung als „erheblich“?

Die obergerichtliche Rechtsprechung sieht eine Überschreitung von mehr als 40 % der zulässigen Geschwindigkeit als wichtiges Indiz für Vorsatz an. Hintergrund: Ein so erheblicher Verstoß bleibt einem durchschnittlichen Fahrer nicht verborgen – aufgrund von Motorengeräuschen, Vibrationen, der Geschwindigkeit des vorbeiziehenden Verkehrs und der sich schnell ändernden Umgebung.

Beispiel:
Bei erlaubten 100 km/h wären mehr als 140 km/h kritisch. Bei erlaubten 50 km/h liegt die Grenze bei rund 70 km/h.


Übersicht: Aktuelle Rechtsprechung zur vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung

Gericht Datum Aktenzeichen Kernaussage
BayObLG 10.07.2023 201 ObOWi 621/23 Ab 40 % Überschreitung kann der Fahrer die Missachtung der Höchstgeschwindigkeit nicht mehr unbemerkt übersehen.
KG Berlin 27.02.2023 122 Ss 16/23 Bestreitende Einlassung kann Indizwirkung entkräften – aber nur bei nachvollziehbarer Begründung.
OLG Hamm 05.12.2019 2 Rbs 267/19 Objektive Umstände wie konstant hohe Geschwindigkeit können Vorsatz indizieren.
OLG Zweibrücken 03.02.2022 1 OWi 2 SsBs 113/21 Wiederholung von Verstößen kann Vorsatz begründen.
OLG Zweibrücken 14.04.2020 1 OWi 2 SsBs 8/20 Gericht muss alle Umstände des Einzelfalls in die Würdigung einbeziehen.
OLG Celle 23.06.2017 2 Ss (Owi) 137/17 Bei mehr als 40 % Überschreitung kann regelmäßig von Wahrnehmung der Begrenzung ausgegangen werden.
BGH 19.09.2017 1 StR 436/17 Entlastende Angaben sind nicht automatisch glaubhaft – Gericht muss Plausibilität prüfen.
KG Berlin 19.02.2014 3 Ws (B) 67/14 Urteilsgründe müssen auf tragfähiger Tatsachengrundlage beruhen – bloße Vermutungen reichen nicht.
AG Eilenburg 04.06.2024 8 OWi 506 Js 73225/23 Einstellung eines Tempomats auf 90 km/h bei zulässigen 60 km/h über längere Strecke: vorsätzliche Begehung.
OLG Frankfurt a.M. 26.04.2022 3 Ss-OWi 415/22 Fahrverbot kann bei besonderer Härte entfallen – Gesamtwürdigung erforderlich.
BVerfG 24.03.1996 2 BvR 616/91 Individuelle Umstände müssen bei der Zumessung von Rechtsfolgen berücksichtigt werden.

Weitere Entscheidungen:

  • BayObLG – Beschluss vom 17.02.25: Bei einer Geschwindigkeitsmessung im Baustellenbereich einer Autobahn muss der Tatrichter die Möglichkeit, dass der Betroffene vier doppelseitig aufgestellte Verkehrszeichen übersehen haben könnte, mit denen die Geschwindigkeit sukzessive reduziert wurde (Geschwindigkeitstrichter), nur dann in den Urteilsgründen erörtern, wenn hierfür konkrete Anhaltspunkte bestehen, insbesondere wenn der Betroffene dies einwendet.
  • OLG Brandenburg – Beschluss vom 14.02.25: Überschreitet ein Kraftfahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf einer Bundesautobahn um mindestens 45 km/h, so ist regelmäßig von (zumindest) bedingtem Vorsatz auszugehen. Dass dem Betroffenen das exakte Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht bekannt war, steht der Vorsatzannahme nicht entgegen, wenn die Differenz zur erlaubten Geschwindigkeit derart erheblich ist, dass sie jedem Kraftfahrer auffallen musste.
  • Kammergericht Berlin – Beschl. v. 05.12.18: Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% ist in der Regel von Vorsatz auszugehen.
  • OLG Zweibrücken – Beschl. vom 05.11.2018: Auch bei einem Elektrofahrzeug steigen mit zunehmender Geschwindigkeit Art und Umfang der Fahr(außen)geräusche sowie der durch das Abrollen der Räder bewirkten Fahrzeugvibrationen; auch ist für den Fahrer das Maß der gefahrenen Geschwindigkeit anhand der schneller vorbeiziehenden Umgebung erkennbar.
  •  Brandenburgisches OLG – Beschluss vom 17.06.14: Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen liegt ein vorsätzlicher Verstoß umso näher, je höher die Geschwindigkeitsüberschreitung ist. Dabei wird regelmäßig von Vorsatz auszugehen sein, wenn in solchen Fällen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 40 km/h überschritten wird, bzw. wenn sonst die zulässige Höchstgeschwindigkeit um annähernd 50 % überschritten wird.
  • OLG Koblenz – Beschluss vom 07.05.14: Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 40 km/h ergibt sich schon aus den damit verbundenen sensorischen Eindrücken, hervorgerufen durch Motorgeräusch, Fahrzeugvibrationen und die Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändert, ein beweiskräftiges Indiz dafür, dass der Kraftfahrer die erlaubte Geschwindigkeit zumindest mit bedingtem Vorsatz überschreitet.