Leitsatz des Gerichts: Hätte sich im Ordnungswidrigkeitenverfahren der Fahrer eines Tatfahrzeugs, mit dem ein erheblicher Verkehrsverstoß begangen worden ist, aufgrund eines brauchbaren Frontfotos und der Halterangaben im Abgleich mit Fotos aus einer Google-Bildsuche leicht ermitteln lassen können, liegt keine Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne des § 31a StVZO vor.
Verwaltungsgericht Berlin
Urteil v. 26.06.2024
Tenor
Der Bescheid vom 8. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2021 wird aufgehoben.Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage.
Am 18. Mai 2019 wurde der firmeneigene PKW Audi Quattro mit dem Kennzeichen (…) um 9.54 Uhr bei einer Verkehrskontrolle in Berlin Marzahn/Hd Alt-Biesdorf 58 Richtung Alt-Friedrichsfelde mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h (nach Toleranzabzug) erfasst. Am Tatort ist eine Geschwindigkeit von 50 km/h zulässig. Die Geschwindigkeitskontrolle wurde mit einem Messgerät Poliscan FM 1 durchgeführt.
Auf das Anhörungsschreiben der Polizei im Ordnungswidrigkeitenverfahren teilte der die Klägerin online am 3. Juli 2019 mit, dass der Verkehrsverstoß nicht zugegeben werde. Es müsse sich um eine Verwechselung handeln, da sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Messfotoaufnahme 350 m entfernt befunden habe. Angaben zu dem Fahrzeugführer wurden nicht gemacht.
Ein Ermittlungsgesuch, den Geschäftsführer und Kommanditisten (Herrn F…) der Klägerin vorzuladen und anzuhören, verlief ergebnislos. Eine Mitarbeiterin der Klägerin konnte am 26. Juli 2019 keine Hinweise zu dem Führer des Fahrzeugs geben. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO am 26. Juli 2019 eingestellt.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 gab die Straßenverkehrsbehörde des Beklagten der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage an.
Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – i. F. die Zulassungsbehörde – ordnete mit Bescheid vom 8. November 2019 gegenüber der Klägerin an, für das o. g. Kraftfahrzeug oder für ein zu bestimmendes Ersatzfahrzeug für die Dauer eines Jahres ab Unanfechtbarkeit dieses Bescheides ein Fahrtenbuch zu führen. Ferner setzte es eine Verwaltungsgebühr von 100,- Euro fest. Der Bescheid wurde am 13. November 2019 zugestellt.
Die Klägerin legte am 29. November 2019 Widerspruch ein und begründete ihn mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Januar 2020. Es liege kein Verkehrsverstoß vor, weil hierzu keine rechtsstaatlich verwertbaren Belege und Messergebnisse vorlägen. Das Messverfahren mit dem Messgerät Vitronic Poliscan FM 1 und der Software 4.4.5 sei kein standardisiertes Messverfahren. Es fehlten maßgebliche Rohmessdaten und Unterlagen, in die sie Akteneinsicht beantrage. Das Messfoto selbst sei nicht tauglich, eine exakte Einhaltung der Betriebsanleitung für das Messgerät insbesondere bezüglich des Selbsttests, ergebe sich nicht aus dem Messprotokoll. Auch sei fraglich, ob das Messgerät gültig geeicht sei. Dem Schriftsatz lag ein Gutachten der Olaf Neidel SV-Gesellschaft vom 6. Januar 2020 bei, das nach Eingang weiterer Messdaten mit Stellungnahme vom 1. September 2020 ergänzt worden ist.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2021 zurückgewiesen und der Klägerin am 14. Mai 2021 zugestellt.
Die Klägerin hat am 4. Juni 2021 Klage erhoben und wiederholt im Wesentlichen ihre Argumente aus dem Verwaltungsverfahren.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid vom 8. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Es liege durchaus ein erheblicher Verkehrsverstoß vor. Hierzu verweist sie auf eine Stellungnahme der Polizeiakademie Berlin-Spandau vom 2. Februar 2021.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2023 hat die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte und des die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgangs des Beklagten sowie der Bußgeldakte Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung den Rechtsstreit entscheiden, nachdem die Beteiligten im Termin der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2024 auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO, und der verfahrensbeendende Vergleich seitens des Beklagten widerrufen worden ist.
Die Anfechtungsklage ist begründet, denn der angefochtene Bescheid vom 8. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein Fahrzeug oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Der Beklagte hat eine Tatbestandsvoraussetzung dieser Vorschrift rechtsirrig bejaht.
Die Feststellung des Fahrzeugführers war nämlich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht unmöglich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Behörde des Ordnungswidrigkeitenverfahrens nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter des Verkehrsverstoßes zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung richtet sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Zu den gebotenen Ermittlungsmaßnahmen gehört regelmäßig in erster Linie die kurzfristig, d.h. möglichst innerhalb von zwei Wochen, erfolgende Benachrichtigung des Halters des mit dem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes, damit der Betreffende die Frage, wer zur Tatzeit das Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und – bei eigener Täterschaft – gegebenenfalls Entlastungsgründe vorbringen kann (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 1978 – BVerwG VII C 77.74 und 49.77 –, juris Rn. 15 und 18 bzw. 12 und 15; Beschluss vom 25. Juni 1987 – BVerwG 7 B 139.87 –, juris Rn. 2). Art und Umfang ihrer Ermittlungstätigkeit darf die Behörde an den Erklärungen des Halters ausrichten, denn es ist ihr nicht zuzumuten, von sich aus wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 1971 – BVerwG VII C 66.70 –, juris Rn. 20, und vom 17. Dezember 1982 – BVerwG 7 C 3.80 –, juris Rn. 7).
Daran gemessen hat der Beklagte nicht die ihr zumutbaren Ermittlungen vorgenommen. Angesichts des Fahrzeugtyps und der Haltereigenschaft der Klägerin als juristische Person des Zivilrechts sowie des guten Frontfotos wäre eine Google-Recherche zu erwarten gewesen. Dem erkennenden Einzelrichter ist es nämlich ohne großen Aufwand, insbesondere ohne Anlegung gesonderter Accounts in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Xing, möglich gewesen, den Geschäftsführer der Klägerin als Fahrzeugführer zu identifizieren. Es ist schlechterdings nicht vermittelbar, dass die Berliner Polizei bei Ermittlung von Personen nicht diese naheliegende Erkenntnisquelle nutzt, zumal die Verwertbarkeit der Information als allgemein zugängliche Quelle, deren Inhalte regelmäßig konform zur Datenschutzgrundverordnung verfügbar sind, unproblematisch ist. Im vorliegenden Fall konnte schon allein anhand des Firmennamens und des Namens des Geschäftsführers über die Google-Bildsuche der Fahrer identifiziert werden. So wurde beim ersten Zugriff ein Foto aus dem Xing-Konto des Besagten bereits in der Google-Trefferliste sowie Bilder der Website des Unternehmens eingeblendet, aus denen sich diese Erkenntnis ergab.
Soweit sich der Behördenvertreter in der mündlichen Verhandlung in der Weise einließ, dass es gerade bei Firmenfahrzeugen und angesichts der fehlenden Bereitschaft der Halterin an der Aufklärung mitzuwirken, uferlos sei, weitere Recherchen anzustellen, geht dies fehl. Gerade, weil diese Recherche nach dem Stand der Technik so gut wie keinen Aufwand und keine besonderen Kenntnisse erfordert und vorliegend aufgrund des Fahrzeugtyps Audi Quattro insbesondere der Geschäftsführer als Fahrer in Betracht zu ziehen war, drängte sich diese Aufklärungsmaßnahme auf.
Würde hingegen die Überlegung des Beklagten zutreffen, dass allein die fehlende Mitwirkung zu einer Einstellung der weiteren Ermittlungstätigkeiten im Ordnungswidrigkeitenverfahrens berechtigte, würde dies den vorgeschriebene Untersuchungsgrundsatz nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 160 Abs. 1 und 2 StPO unterlaufen und wird der geschriebenen tatbestandlichen Voraussetzung der Ermächtigungsnorm des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO für eine Fahrtenbuchauflage nicht mehr gerecht (Unmöglichkeit der Ermittlung des Fahrzeugführers). Aus rechtsmethodischer Sicht ist nämlich schon die oben referierte weitgehende traditionelle Auslegung dieser Norm, die sich kaum mehr an der Wortlautgrenze orientiert, um so Verkehrssünder, deren Sanktionierung im Bußgeldverfahren misslingt, „zumindest“ mit einem Fahrtenbuch beauflagen zu können, nicht unproblematisch.
Hierbei ist auch in Erinnerung zu rufen, dass der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eine präventive und keine strafende Funktion zukommt. Sie setzt tatbestandlich nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 7. Juni 2023 – 1 B 51/23 –, juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2023 – 8 A 464/23 –, juris Rn. 7; OVG des Landes Schleswig-Holstein, Urteil vom 8. Dezember 2022 – 5 LB 17/22 –, juris Rn. 28). Die oben erwähnte Praxis steht im Widerspruch hierzu, da sie die Fahrtenbuchauflage – infolge fehlender Mitwirkung des Halters – als sanktionierendes Korrektiv zum ergebnislosen Ausgang des Ordnungswidrigkeitenverfahrens versteht.
Dabei ist zu betonen, dass die grundsätzliche Überlegung, dass sich Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit an den Erklärungen des Halters ausrichten darf, durch die vorliegende gegebene Pflicht zur Internetrecherche nicht in Frage gestellt wird. Vielmehr stellt sie ein nach dem Stand der Technik und Ausrüstung der Polizeidienststellen in Berlin naheliegendes Aufklärungsmittel dar, dessen Einsatz sich bei vorliegenden Halterdaten und einem brauchbaren Frontfoto aufdrängt.
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte im Übrigen zurecht von einem erheblichen Verkehrsverstoß mit dem o.g. Fahrzeug ausgegangen ist.
Mit dem Fahrzeug der Klägerin wurde eine „Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften“ in Form einer Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 3 Nr. 4, § 41 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in Verbindung mit der laufenden Nummer 49 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO begangen. Die am 18. Mai 2019 mit dem Fahrzeug der Klägerin begangene Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h ist zur vollen Überzeugung des Gerichts (vgl. § 108 VwGO) belegt.
Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit wurde mithilfe eines standardisierten Messverfahrens mit einer bis Ende 2020 geeichten (vgl. Bl. 6 der Ermittlungsakte) Geschwindigkeitsüberwachungsanlage des Typs POLISCAN FM1 ermittelt. Gemessen wurde ein Wert von 83 km/h (Bl. 3 EA). Zum Ausgleich etwaiger Messungenauigkeiten wurde ordnungsgemäß ein Toleranzwert von 3 km/h abgezogen. Messfehler sind auf Grundlage des Messprotokolls (Bl. 5 EA) weder von der Klägerin konkret vorgetragen noch sonst für das Gericht ersichtlich.
Soweit die Klägerin die Ordnungsgemäßheit der Messung pauschal bestreitet und hierfür auf ein Sachverständigengutachten verweist, dringt sie damit nicht durch. Wird eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt, muss das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung von Amts wegen nur überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 – 3 C 14/21 –, juris Rn. 24; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 21. Juni 2023 – 2 BvR 1090/21 –, juris Rn. 32 f. m.w.N.). Die Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt bietet nämlich bei Verwendung des Messgeräts im Rahmen der Zulassungsvorgaben nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich eine ausreichende Gewähr dafür, dass die Messung bei Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen für den Einsatz auch im Einzelfall ein fehlerfreies Ergebnis liefert (vgl. BVerfG, a.a.O.). Dem Umstand, dass auch bei standardisierten Messverfahren eine absolute Genauigkeit hinsichtlich der Feststellung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit nicht möglich ist, wird durch die Berücksichtigung einer Messtoleranz zugunsten der Autofahrenden – im vorliegenden Fall ausweislich des Messprotokolls 3 km/h – Rechnung getragen (ebd.). Das Tatgericht ist nur dann gehalten, das Messergebnis zu überprüfen und sich von der Zuverlässigkeit der Messung zu überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion oder eine unsachgemäße Bedienung vorliegen (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 33). Pauschale Behauptungen ins Blaue hinein, die Messung sei fehlerhaft gewesen, das Messgerät habe nicht funktioniert, die Gebrauchsanweisung sei nicht eingehalten worden oder es seien nachträglich Eingriffe an dem Gerät vorgenommen worden, sind nicht geeignet, das Gericht zu weiterer Aufklärung anzuhalten (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 36 m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Messergebnisse auch nicht unverwertbar, weil keine ordnungsgemäße und vollständige Speicherung bzw. Dokumentation der Rohmessdaten erfolgt sei und sein Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren verletzt werde, wenn die Rohmessdaten einer Geschwindigkeitskontrolle nicht zur nachträglichen Plausibilitätskontrolle zur Verfügung stünden. Ungeachtet der Frage, ob dieser Einwand schon deshalb ins Leere geht, weil das hier in Rede stehende Messgerät des Typs Poliscan FM 1, Softwareversion 4.4.5, die Rohmessdaten speichert (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 – 3 C 14/21 –, juris Rn. 31; OVG Saarlouis, Urteil vom 6. Oktober 2021 – 1 A 8/21 –, juris Rn. 66, 68), sind Messergebnisse – jedenfalls in einem die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs betreffenden Verwaltungsverfahren – nicht deshalb unverwertbar, weil die Rohmessdaten der Geschwindigkeitsmessung zur nachträglichen Kontrolle nicht zur Verfügung stehen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 4. Januar 2021 – 8 B 1781/20 –, juris Rn. 14 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. September 2020 – 12 ME 130/20 –, juris Rn. 9; a. A. für das Ordnungswidrigkeitenverfahren VerfGH des Saarlandes, Urteil vom 05. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 80 ff.; ablehnend dazu: KG Berlin, Beschluss vom 05. April 2020 – 3 Ws [B] 64/20 –, juris Rn. 14 ff.). Das Fehlen von Rohmessdaten erlangt – allenfalls – dann Bedeutung, wenn konkrete Zweifel an der Geschwindigkeitsmessung bestehen, zu deren Klärung auf die Rohmessdaten zurückgegriffen werden müsste (vgl. OVG Münster, a.a.O., Rn. 26 ff.). Das ist hier nicht der Fall.
Es handelte sich bei der Geschwindigkeitsüberschreitung von 30 km/h auch um einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht (so schon BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 1980 – 7 B 82/79 – juris Rn. 7). Von einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann nur bei einem Verkehrsverstoß von einigem Gewicht ausgegangen werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 – 11 C 12.94 – BVerwGE 98, 227 <229>; Urteil vom 2. Februar 2023 – 3 C 14.21 – Rn. 20). Ein solches Gewicht ist u. a. dann zu bejahen, wenn die Zuwiderhandlung nach dem Fahreignungsbewertungssystem mit mindestens einem Punkt im Fahreignungsregister zu bewerten ist (so BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023, a. a. O.; Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 31a StVZO Rn. 19). So liegt es hier, vgl. Anlage 13 zu dem § 40 Fahrerlaubnisverordnung 2.2.3 i. V. m. § 1 Abs. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung und Anlage 1 – 11 und Tabelle 1 zum Anhang 132.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.
BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf
4.800,00 Euro festgesetzt.