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OLG Stuttgart – Beschluss vom 29.02.12

Zum Inhalt der Entscheidung: 1. Die Bauartzulassung für ein Verkehrsmessgerät muß schriftlich erteilt werden (§ 19 Abs. 1 S. 1 EichO).

2. Für das Vorliegen eines standardisierten Meßverfahrens ist es unschädlich, dass die schriftliche Bauartzulassung am Tag der Ausstellung des Eichscheines noch nicht vorliegt.

 

Oberlandesgericht Stuttgart

Beschluss vom 29.02.2012

4 Ss 39/12


Aus den Gründen:

I.

Das Amtsgericht verhängte gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 80,– EUR. Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am (…) um (…) Uhr mit seinem Pkw in (…) die Straße (…) in Richtung (…).

Hierbei überschritt er fahrlässig die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h. Dies wurde mit dem Überwachungsgerät Poliscan Speed festgestellt, bei dem es sich um ein standardisiertes Messverfahren handele. Im Zeitpunkt der Messung sei das Gerät gültig geeicht gewesen. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Das Messgerät sei nicht gültig geeicht gewesen, weshalb kein standardisiertes Messverfahren vorliege. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.

Mit Beschluss vom heutigen Tage hat der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde wegen der Anwendung von anderen Rechtsnormen als denen über das Verfahren zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 OWiG) und die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80 a Abs. 3 OWiG).

II.

Das Rechtsmittel ist unbegründet.

Der Einwand des Betroffenen, es handle sich nicht um ein standardisiertes Messverfahren, da das Messgerät zur Tatzeit nicht gültig geeicht gewesen sei, greift nicht durch.

1. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts teilte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig (PTB) der Eichdirektion Hessen am 29. Juni 2010 mit, die Prüfungen der neuen Softwareversion 1.5.5 seien erfolgreich abgeschlossen, weshalb der Zulassung dieser Software seitens der PTB nichts im Wege stehe. Die Zulassung werde in den nächsten Tagen erfolgen. Die Eichdirektion erstellte am 15. Juli 2010 für das Gerät den Eichschein, mit dem die Eichung vom Vortage mit einer Eichgültigkeit bis Ende 2011 bescheinigt wurde. Die schriftliche Bauartzulassung des Messgerätes mit der neuen Softwareversion durch die PTB erfolgte am 21. Juli 2010. Das Amtsgericht geht davon aus, die Software sei vor der schriftlichen Bauartzulassung vom 21. Juli 2010 zuvor mündlich zugelassen worden, sodass der Eichschein am 15. Juli 2010 hätte erteilt werden dürfen.

Der Betroffene hält dieses Verfahren für unzulässig. Bei der innerstaatlichen Zulassung eines Messgerätes handle es sich um einen förmlichen Zulassungsakt, der nicht durch eine mündliche Mitteilung der PTB ersetzt werden könne. Die Wertung des Amtsgerichts, das Messgerät sei im Zeitpunkt der Messung gültig geeicht gewesen, weshalb ein standardisiertes Messverfahren vorliege, sei deshalb unrichtig.

2. Messgeräte, die im Verkehrswesen verwendet werden, müssen gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 EichG zugelassen und geeicht sein. Andernfalls dürfen sie für die Überwachung des Straßenverkehrs nicht verwendet werden (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EichG). Ein Gerät ist nur dann eichfähig, wenn seine Bauart durch die PTB zugelassen ist (§ 14 a Abs. 1 EichO), wobei die innerstaatliche Bauartzulassung die Zulassung von Messgerätebauarten zur innerstaatlichen Eichung darstellt (§ 16 Abs. 1 EichO). Somit setzt die Eichung des Geräts voraus, dass seine Bauart zuvor zugelassen worden ist. Genügt die Bauart den Anforderungen an die Zulässigkeitsprüfung, erteilt die PTB einen Zulassungsschein (§ 19 Abs. 1 Satz 1 EichO). Hieraus ergibt sich, dass die Bauartzulassung schriftlich zu erfolgen hat. Deshalb kann der Ansicht des Amtsgerichts, diese sei mündlich erfolgt, nicht gefolgt werden. Der Eichschein hätte nicht schon am 15. Juli 2010 ausgestellt werden dürfen, da der Zulassungsschein noch nicht vorlag.

Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass damit kein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (St 39, 291) vorliegt. Im Zeitpunkt der Erteilung des Eichscheines waren die technischen Prüfungen durch die PTB abgeschlossen. Es stand fest, dass das Überwachungsgerät mit der neuen Softwareversion zugelassen würde. Die schriftliche Zulassung erfolgte dann auch knapp eine Woche nach Ausstellung des Eichscheines. Deshalb kann es keinem Zweifel unterliegen, dass das Gerät den Anforderungen der Technik entsprach. Es ist unschädlich, dass die schriftliche Bauartzulassung am Tag der Ausstellung des Eichscheines noch nicht vorlag. Dies ergibt sich aus dem Zweck des Eichgesetzes, die Messsicherheit zu gewährleisten und das Vertrauen in amtliche Messungen zu stärken (§ 1 Nr. 2 und 3 EichG). Dieser Zweck wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Zulassungsschein erst eine Woche nach der Eichung vorlag.

Darüber hinaus hat nach h. M. (OLG Jena VRS 115, 431 [435]; OLG Köln VRS 101, 140; a. A. Böttger in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Auflage, Rn. 660) ein Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EichG nicht zur Folge, dass die Messung im Bußgeldverfahren unverwertbar ist. Vielmehr ist lediglich ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen. Dies zeigt, dass für das Bußgeldverfahren die materielle Richtigkeit der Messung maßgebend ist. Wenn schon keine Unverwertbarkeit in dem Fall angenommen wird, in dem überhaupt keine Eichung vorliegt, so kann in Fällen wie dem vorliegenden, in dem feststeht, dass die Bauart zugelassen wird, aber der Zulassungsbescheid erst wenige Tage nach der Eichung vorliegt, erst recht von einer uneingeschränkten Verwertbarkeit ausgegangen werden. Eines Sicherheitsabschlages bedarf es nicht, da die Eichung materiell richtig war. Deshalb liegt trotz des formalen Mangels bei der Eichung ein standardisierten Messverfahren vor. Im Übrigen hätte der formale Mangel mit der erneuten Erteilung eines gleichlautenden Eichscheins nach Vorliegen der schriftlichen Bauartzulassung geheilt werden können.

Anders als im Fall des OLG Bamberg (NZV 2009, 249) besteht keine Veranlassung, das Verfahren gem. § 47 OWiG einzustellen. In jenem Verfahren lag ein formaler Mangel der Nichteichbarkeit von Fahrzeugen vor, die zur Geschwindigkeitsüberwachung mit dem Messsystem ProViDa 2000 eingesetzt waren. Deshalb sei die Verwertbarkeit des Messergebnisses ernsthaft in Frage gestellt. Dies kann vorliegend jedoch in keiner Weise angenommen werden.

Das Amtsgericht ist deshalb zurecht von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen. Seine Feststellungen sind ausreichend, so dass die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen ist.

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