Zum Inhalt der Entscheidung: Ob das Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren einem Beweisverwertungsverbot unterliegt, wenn die Rohmessdaten trotz technischer Möglichkeit nicht gespeichert wurden und dem Betroffenen keine gleichwertigen Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.
Leitsatz des Gerichts: Divergenzvorlage zum Bundesgerichtshof zur Frage eines Beweisverwertungsverbots im gerichtlichen Bußgeldverfahren hinsichtlich eines in einem standardisierten Messverfahren gewonnenen Messergebnisses ohne Speicherung sogenannter Rohmessdaten.
Oberlandesgericht Saarbrücken
Beschluss vom 10.04.2025
Tenor:
Dem Bundesgerichtshof wird die Sache zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
Unterliegt das Ergebnis einer mittels standardisiertem Messverfahren erfolgten Geschwindigkeitsmessung aufgrund einer mit den Grundsätzen eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens i.S.v. Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 20 Abs. 3 GG unvereinbaren Beschränkung der Verteidigung im Ordnungswidrigkeitenverfahren einem Beweisverwertungsverbot, wenn die zur Messwertbildung erfassten und verarbeiteten Daten (sog. Rohmessdaten) nicht gespeichert werden, obwohl dies technisch möglich wäre und anhand der Daten die Messwertbildung und der Messwert innerhalb der Verkehrsfehlergrenze überprüft werden könnten, andere, gleichermaßen zuverlässige Verteidigungsmittel zur Überprüfung des Messwertes nicht zur Verfügung stehen und der Betroffene der Verwertung des Messergebnisses unter Hinweis auf die fehlende Möglichkeit zu dessen Überprüfung widerspricht.
Gründe:
I.
Der Senat hat über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu entscheiden, der durch Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 26. Januar 2024 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft von 100 km/h um 35 km/h zu einer Geldbuße von 250,00 Euro verurteilt wurde. Die Überzeugung von dem Geschwindigkeitsverstoß stützte das Amtsgericht auf eine mittels standardisiertem Messverfahren erfolgte Geschwindigkeitsmessung.
Am 31. Januar 2024 hat der Verteidiger zu 2. beantragt, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil zuzulassen, und die Rechtsbeschwerde nach der am 9. Februar 2024 erfolgten Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 11. März 2024 (Montag) mit der Rüge der Verletzung sowohl formellen als auch materiellen Rechts begründet. Er rügt in formeller Hinsicht die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil sich die Verurteilung des Betroffenen auf ein Messergebnis stütze, dessen Überprüfung der Verteidigung mangels Speicherung sog. Rohmessdaten und mangels anderweitiger, gleichermaßen zuverlässiger Verteidigungsmittel nicht möglich gewesen und dessen Verwertung daher in der Hauptverhandlung widersprochen worden sei.
Der Einzelrichter des Senats hat die Rechtsbeschwerde nach Einholung eines messtechnischen Gutachtens mit Beschluss vom 8. April 2025 zugelassen und die Sache gem. § 80a Abs. 3 Satz 1 und 2 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil die Nachprüfung des Urteils zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts geboten ist (zur Zulassung einer Rechtsbeschwerde, wenn mit deren Zulassung über § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG im Rahmen der Divergenzvorlage eine höchstrichterliche Entscheidung zu einer streitigen Rechtsfrage herbeigeführt werden soll, vgl. Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, juris Rn. 33).
II.
Der Senat beabsichtigt, das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 26. Januar 2024 auf die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes aufzuheben, der zufolge es an einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren fehlt, wenn es im Bußgeldverfahren bei einer Geschwindigkeitsmessung im standardisierten Messverfahren an sog. Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang fehlt und andere, gleichermaßen zuverlässige Verteidigungsmittel zur Überprüfung des Messergebnisses nicht zur Verfügung stehen (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 80 ff., 125). Dadurch würde der Senat von der vorherrschenden Rechtsprechung anderer Obergerichte abweichen, die eine Abhängigkeit der Verwertbarkeit der Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessungen im standardisierten Messverfahren von ihrer nachträglichen Überprüfbarkeit anhand von Rohmessdaten ablehnt (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 9. September 2019 – 2 Ss (OWi) 233/19 –, NdsRpfl 2019, 399; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. September 2019 – 1 Rb 28 Ss 300/19 –, ZfSch 2019, 713; OLG Köln, Beschluss vom 27. September 2019 – III-1 RbS 339/19 –, DAR 2019, 695; BayObLG, Beschluss vom 9. Dezember 2019 – 202 ObOWi 1955/19 –, NZV 2020, 322; OLG Schleswig, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – II OLG 65/19 –, SchlHA 2020, 42; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Januar 2020 – III-1 RbS 255/19 –, VRS 138, Nr. 33 (2020); OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 1 OWi 2 Ss Bs 122/19 –, DV 2020, 84; OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. März 2020 – (1 Z) 53 Ss-OWi 79/20 (48/20) –, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 2020 – IV-2 RbS 30/20 –, NStZ 2021, 112; OLG Bremen, Beschluss vom 3. April 2020 – 1 SsRs 50/19 –, NStZ 2021, 114; KG, Beschluss vom 5. April 2020 – 3 Ws (B) 64/20 –, juris Rn. 13 ff.; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. September 2020 – 1 OLG 171 SsRs 195/19 –, juris Rn. 25 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 9. November 2020 – OLG 23 Ss 620/20 (Z) –, juris Rn. 10; OLG Koblenz, Beschluss vom 17. November 2020 – 1 OWi 6 SsRs 271/20 –, juris Rn. 18 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Juni 2022 – 3 Ss-OWi 476/22 –, juris Rn. 10; entgegen dem SVerfGH vgl. auch Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Juli 2022 – VGH B 30/21 –, juris Rn. 22 ff.).
Die Sache ist daher gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.
III.
1. Der für die Vorlage maßgeblichen Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Mit Bußgeldbescheid vom 24. März 2023 setzte die Zentrale Bußgeldbehörde gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 35 km/h eine Geldbuße von 300 Euro fest. Die Feststellung der dem Betroffenen zur Last gelegten Geschwindigkeit erfolgte mittels einem mobilen Messgerät Poliscan FM 1, Softwareversion 4.4.9., des Herstellers Vitronic.
In der auf den Einspruch des Betroffenen hin anberaumten Hauptverhandlung vor der Bußgeldrichterin widersprach der Verteidiger zu 1. der Verwertung des Messergebnisses unmittelbar nach dessen Einführung in die Hauptverhandlung, weil die beim Messvorgang erzeugten und verarbeiteten Rohmessdaten nicht gespeichert worden seien und deshalb eine Überprüfung der Messwertbildung nicht möglich sei, wodurch die Verteidigung unzulässig beschränkt würde. Hinzu trete, dass die unterbliebene Speicherung der Rohmessdaten auf die Entscheidung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zurückgehe, Messgeräten, die Rohmessdaten speichern, die Zulassung zu versagen, weshalb ein Fall einer „gezielten staatlichen Beweisrekonstruktionsvereitelung“ vorliege.
Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen mit Urteil vom 26. Januar 2024 gleichwohl wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft von 100 km/h um 35 km/h zu einer Geldbuße von 250,00 Euro. Die Überzeugung von dem Geschwindigkeitsverstoß stützte das Amtsgericht unter Verzicht auf eine weitergehende Beweisaufnahme zur konkreten Überprüfung des Messergebnisses sowie unter Berücksichtigung eines dreiprozentigen Toleranzabzugs allein auf die Geschwindigkeitsmessung mit dem nach den Urteilsfeststellungen zum Zeitpunkt der Messung gültig geeichten Messgerät, die nach den Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils von einem zur Bedienung des Messgerätes geschulten Beamten des zuständigen Landespolizeipräsidiums unter Beachtung der Bedienungsvorgaben des Herstellers durchgeführt worden war (UA S. 5; soweit ein vom Senat eingeholtes messtechnisches Sachverständigengutachten zur Feststellung gelangt ist, dass bei der konkreten Geschwindigkeitsmessung im Erfassungsbereich des Messsensors ein Hindernis in Form einer Schutzplanke gewesen sein könnte [S. 35 f. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 165 f. d.A.]., kann dahinstehen, ob insoweit zwingende Vorgaben der Bedienungsanleitung missachtet worden sind, weil es sich um eine urteilsfremde Feststellung handelt, die im Rahmen sachlich-rechtlicher Prüfung unbeachtlich und verfahrensrechtlich mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht ist).
Die Verwertbarkeit des Messergebnisses trotz des dagegen erhobenen Widerspruchs begründete das Amtsgericht damit, dass die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes, der zufolge Geschwindigkeits-messergebnisse, die mangels Speicherung von Rohmessdaten und mangels anderer, gleichermaßen zuverlässiger Verteidigungsmittel nicht nachträglich überprüfbar seien, einem Beweisverwertungsverbot unterliegen sollen, sachlich und rechtlich überholt sei. Letzteres folge daraus, dass das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom 20. Juni 2023 (Az.: 2 BvR 1167/20) eine Verfassungsbeschwerde, mit der die Verletzung u.a. des Rechts auf ein faires Verfahren aufgrund der Verwertung eines ohne Speicherung von Rohmessdaten gewonnenen Messergebnisses gerügt worden war, wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen habe. In tatsächlicher Hinsicht sei die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes überholt, weil Rohmessdaten nach einschlägigen Stellungnahmen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zur Überprüfung eines geeichten Messwertes nicht geeignet seien. Danach sei auch nicht davon auszugehen, dass mit der Nichtspeicherung bzw. Löschung von Rohmessdaten eine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses verhindert werden solle. Vielmehr solle lediglich vermieden werden, dass der geeichte Messwert als gesetzliche Grundlage des Messwesens mit ungeeigneten Mitteln in Frage gestellt werde. Im Übrigen würde die Unverwertbarkeit von Messergebnissen, bei denen die zur Messwertbildung verwendeten Daten nicht gespeichert werden, dazu führen, dass die derzeit zugelassenen Messgeräte nicht verwendet werden dürften, womit eine erhebliche Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs einherginge.
2. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde rügt der Verteidiger zu 2. neben der nicht näher ausgeführten Verletzung materiellen Rechts in formeller Hinsicht die Verletzung des Betroffenen in dessen Recht auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör, weil sich die Verurteilung auf ein Messergebnis stütze, dessen Überprüfung der Verteidigung mangels Speicherung sog. Rohmessdaten und mangels anderweitiger, gleichermaßen zuverlässiger Verteidigungsmittel nicht möglich und dessen Verwertung daher in der Hauptverhandlung widersprochen worden sei.
Diese Rüge ist jedenfalls hinsichtlich der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren zulässig und – ausgehend von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes – auch begründet.
a) Die Rüge ist zulässig erhoben, weil die Rechtsbeschwerdebegründung in einer den Anforderungen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. 79 Abs. 3 Satz 1 und § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG entsprechenden Weise die den gerügten Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen mitteilt. Der Verteidiger des Betroffenen trägt schlüssig vor, dass bei der Messung mit dem Gerät Poilscan FM 1, Softwareversion 4.4.9, die zur Bildung des Messwertes erzeugten und verwendeten Daten (Rohmessdaten) nicht gespeichert werden (vgl. Rechtsbeschwerdebegründung vom 11. März 2024, S. 2 ff. = Bl. 74 ff. d.A.) und deshalb der Verwertung des Messergebnisses unmittelbar nach dessen Einführung in die Hauptverhandlung widersprochen worden sei (vgl. Rechtsbeschwerdebegründung vom 11. März 2024, S. 6 = Bl. 78 d.A.). Ebenso trägt er vor, dass eine Speicherung von Rohmessdaten technisch möglich und anhand ihrer eine Überprüfung des Messergebnisses möglich wäre (vgl. Rechtsbeschwerdebegründung vom 11. März 2024, S. 30 und S. 39 ff. = Bl. 102, 111 ff. d.A.). Soweit der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung aufgrund der vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes vorgenommenen Einschränkung, dass ein Beweisverwertungsverbot nur insoweit bestehe, als dem Betroffenen keine anderen, gleichermaßen zuverlässigen Verteidigungsmittel zur Verfügung stünden, vom Rechtsbeschwerdeführer den Vortrag verlangt, dass eine Überprüfung des Messvorgangs im Einzelfall ohne Rohmessdaten nicht möglich ist und vergeblich versucht wurde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Juli 2024 – 1 Ss (OWi) 64/24 –; vom 3. September 2024 – 1 Ss (OWi) 72/24 – und vom 25. Oktober 2024 – 1 Ss (OWi) 77/24 –, jew. n.v.), hat der Verteidiger des Betroffenen auch hierzu mit der Rechtsbeschwerdebegründung ausreichend vorgetragen. Er hat insoweit mitgeteilt, dass er versucht habe, das Messergebnis ohne die zugrundeliegenden Rohmessdaten nachträglich zu überprüfen, dies aber nicht möglich sei. Zur Begründung hat er vorgetragen, das eine nachträgliche Weg-Zeit-Berechnung nicht möglich sei, weil bei der Geschwindigkeitsmessung mit der Softwareversion 4.4.9 als Zusatzdaten lediglich zwei Positionswerte gespeichert würden, ohne dass ihnen Zeitwerte zugewiesen seien, sodass mangels Kenntnis der Zeitdifferenz zwischen den beiden Positionswerten ein Geschwindigkeitswert nicht berechnet werden könne (vgl.Rechtsbeschwerdebegründung vom 11. März 2024, S. 2 ff. und S. 33 f. = Bl. 74 ff., 105 f. d.A.). Auch eine fotogrammetrische Auswertung anhand sog. Smear-Effekte sei im konkretem Fall nicht möglich, weil das bei dem Messvorgang gefertigte Lichtbild nicht die dafür erforderlichen Merkmale aufweise (Rechtsbeschwerdebegründung vom 11. März 2024, S. 34 f. = Bl. 106 f. d.A.). Dieses Vorbringen bezieht sich, wie seiner Formulierung in der Rechtsbeschwerdebegründung hinreichend entnommen werden kann, nicht auf abstrakte Ausführungen, sondern auf die Möglichkeit der konkreten Messwertüberprüfung im Einzelfall anhand der Daten und Lichtbilder, die der Datensatz zur Messung der Geschwindigkeit des Betroffenen, der der Verteidigung durch die Bußgeldbehörde zur Verfügung gestellt wurde, umfasst.
b) Der Senat hält die Rüge auf Grundlage der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes auch für begründet.
aa) Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes fehlt es an einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren, wenn sich eine Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes wie hier nur auf das dokumentierte Messergebnis und das Lichtbild des aufgenommenen Kraftfahrzeugs und seines Fahrers stützt, es aber an Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang fehlt, andere gleichermaßen zuverlässige Möglichkeiten zur Überprüfung des Messergebnisses nicht vorhanden sind und der Betroffene sich deshalb – selbst ohne nähere Begründung – gegen das Messergebnis wendet und ein Fehlen von Rohmessdaten rügt (SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 80).
(1) Bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem hier verwendeten Messgerät Poliscan FM 1, Softwareversion 4.4.9, handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 1 OWi 2 SsBs 100/21 –, juris; zur grundsätzlichen Anerkennung von Lasermessverfahren, bei denen die Geschwindigkeitsmessung von besonders geschultem Messpersonal unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers und der Zulassungsbedingungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt durchgeführt wird, als standardisiertes Messverfahren vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1997 – 4 StR 24/97 –, juris Rn. 27). Ein standardisiertes Messverfahren ist ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (vgl. BGHSt 43, 277). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, entscheidet sich durch die Zulassung des Gerätesystems und der Messmethode oder durch eine entsprechende Konformitätsbescheinigung bzw. -erklärung, nachdem das Messverfahren geprüft und das Gerätesystem in Testreihen auch unter atypischen Szenarien auf seine Zuverlässigkeit und Störungsresistenz untersucht worden ist. Das vor der Zulassung oder der Konformitätserklärung für das Gerät durchgeführte Prüfverfahren führt zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass das geprüfte Gerätemuster innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen zuverlässige Ergebnisse erbringt; gleiches gilt für jedes in Serie produzierte baugleiche Gerät, das später von der Eichbehörde geprüft worden ist. Bei Einsatz derartiger Geräte besteht damit grundsätzlich eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass keine systemimmanenten Fehlerquellen vorliegen und eine Messung bei Einhaltung der vorgesehenen Betriebsbedingungen ein innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen zutreffendes Ergebnis liefert (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 17. Juli 2018 – 1 OWi 6 SsBs 19/18 -, juris). Das Vertrauen in die Verlässlichkeit amtlicher Messungen mit standardisierten Messverfahren findet demnach seine Rechtfertigung im gesetzlichen Messwesen, das die Messrichtigkeit und -beständigkeit gerade dann gewährleisten soll, wenn eine Messung nicht wiederholbar ist (vgl. Märtens/Wynands, NZV 2019, 338). Aufgrund der damit verbundenen hohen Gewähr dafür, dass es nur in einem Ausnahmefall zu einer Fehlmessung kommen kann, darf sich das Tatgericht bei einem standardisierten Messverfahren daher in seinen Feststellungen grundsätzlich auf die Mitteilung des verwendeten Messverfahrens, der gemessenen Geschwindigkeit und der gewährten Toleranz beschränken, wenn es sich von dem ordnungsgemäßen Einsatz eines solchen Messgeräts überzeugt hat. Eine Überprüfung der Zuverlässigkeit des Messergebnisses ist nur dann erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92 –, juris Rn. 28 u. 33; KG, Beschluss vom 5. April 2020 – 3 Ws (B) 64/20 –, juris m.w.N.).
Grundsätzlich stellen auch Lasermessverfahren standardisierte Messverfahren dar, wenn die Geschwindigkeitsmessung – wie hier vom Amtsgericht für das Rechtsbeschwerdeverfahren bindend festgestellt (UA S. 5) – von besonders geschultem Messpersonal unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers und der Zulassungsbedingungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt durchgeführt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1997 – 4 StR 24/97 –, juris Rn. 27).
(2) Diese Grundsätze erkennt der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes an (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 64 ff.). Gleichwohl nimmt er ausgehend davon, dass der Anspruch, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten verurteilt zu werden, nach den Grundsätzen des standardisierten Messverfahrens auch dann gewahrt bleibt, wenn dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet ist, das Tatgericht im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen (Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92 –, juris Rn. 27), an, dass die Gerichte des Saarlandes einen Betroffenen nicht verurteilen dürfen, ohne ihm eine effektive Verteidigung zu erlauben und ihm zu gestatten, die Validität der standardisierten Messung zu prüfen, weil Ergebnisse eines standardisierten Messverfahrens keine normativ bindende Kraft hätten (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 89 f.). Sie könnten zwar grundsätzlich als tragend zugrunde gelegt werden. Davon unberührt bleibe aber die Beachtung der verfahrensrechtlichen Grundrechte (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 70). Insoweit leitet er aus der Garantie eines fairen gerichtlichen Verfahrens, das ein Grundrecht auf wirksame Verteidigung einschließe (Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art. 20, Art. 14 Abs. 3 Verf SL), das Recht ab, sich mit den von Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden aufgeführten Beweismitteln auseinandersetzen zu dürfen und „Waffengleichheit“ zwischen Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden sowie Verteidigung einfordern zu dürfen (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 82 f.). Dieses Recht beziehe sich auch darauf, die tatsächlichen Grundlagen des erhobenen Vorwurfs auf ihr Vorliegen und ihre Validität prüfen zu dürfen, weshalb es in Fällen, in denen ein Gericht befugt sei, sich auf standardisierte Beweiserhebungen zu stützen, ohne sie anlasslos hinterfragen zu müssen, zu einer wirksamen Verteidigung gehöre, etwaige Anlässe, die Beweisführung in Zweifel zu ziehen, recherchieren zu dürfen und sich der Berechtigung der Beweiskraft der dem Gericht vorliegenden Umstände zu vergewissern (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 85). Es gehöre zu den grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verurteilung von Bürgerinnen und Bürgern, dass sie die tatsächlichen Grundlagen ihrer Verurteilung zur Kenntnis nehmen, sie in Zweifel ziehen und sie nachprüfen dürften, was nicht nur in Fällen strafrechtlicher Sanktionen, sondern stets gelte. Staatliches Handeln dürfe, so gering belastend es im Einzelfall sein möge, und so sehr ein Bedarf an „routinisierten“ Entscheidungsprozessen bestehe, in einem freiheitlichen Rechtsstaat für die Bürgerin und den Bürger nicht undurchschaubar sein; eine Verweisung darauf, dass alles seine Richtigkeit habe, würde sie zu unmündigen Objekten staatlicher Verfügbarkeit machen. Daher gehörten auch die grundsätzliche Nachvollziehbarkeit technischer Prozesse, die zu belastenden Erkenntnissen über eine Bürgerin oder einen Bürger führten, und ihre staatsferne Prüfbarkeit zu den Grundvoraussetzungen eines freiheitlich-rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 92). Im Bußgeldverfahren gebiete das Recht auf effektive Verteidigung daher die Speicherung sog. Rohmessdaten als Grundlage eines standardisiert ermittelten Messergebnisses, wenn ansonsten gleichermaßen zuverlässige Verteidigungsmittel nicht vorhanden sind (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 96 ff.). Fehle es an Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang, sei das Messergebnis wegen verfassungswidriger Beschränkung des Rechts auf eine wirksame Verteidigung unverwertbar (SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 125). Kann sich eine Verurteilung in einem solchen Fall nur auf das dokumentierte Messergebnis und das Lichtbild des aufgenommenen Kraftfahrzeugs und seines Fahrers stützen, darf der Betroffene nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs mangels fairen rechtsstaatlichen Verfahrens nicht verurteilt werden, wenn er sich – selbst ohne nähere Begründung – gegen das Messergebnis wendet und ein Fehlen von Rohmessdaten rügt (SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 80).
In dem konkreten, seiner Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes für ein Messgerät des Typs Traffistar 350S festgestellt, dass eine Speicherung von Rohmessdaten technisch möglich sei (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 100) und anhand ihrer entgegen den Verlautbarungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt auch eine Verifizierung des Messergebnisses und die Erkennung möglicher Irregularitäten einer konkreten Messung erfolgen könne (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 115 ff.), was durch eine nachträgliche Befundprüfung nicht gleichermaßen sichergestellt sei (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 113). Da zugleich im konkreten Fall gleichermaßen zuverlässige Verteidigungsmittel nicht vorhanden waren (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 96 ff.) und der Betroffene der Verwertung des Messergebnisses wirksam widersprochen hatte, nahm der Verfassungsgerichtshof an, dass das Messergebnis wegen verfassungswidriger Beschränkung des Rechts auf eine wirksame Verteidigung unverwertbar war (SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 125).
(3) Der Senat entnimmt diesen Ausführungen in der Gesamtschau mit den ihnen zugrundeliegenden, in den Entscheidungsgründen dargelegten Stellungnahmen der vom Verfassungsgerichtshof hinzugezogenen Sachverständigen, dass der Verfassungsgerichtshof eine Möglichkeit zur Überprüfung nicht bloß der Messwertbildung i.S.d. Funktionstüchtigkeit des geräteinternen Algorithmus zur Berechnung des Messwerts aus den sog. Rohmessdaten, sondern auch des Messwertes selbst hinsichtlich der hinreichend sicheren Abbildung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit verlangt. Nicht anders ist es zu verstehen, dass die Entscheidung auf Ausführungen der Sachverständigen abstellt, wonach mit Hilfe der Rohmessdaten unter sachverständiger Entwicklung eines Modells die Plausibilisierung einer konkreten Messung möglich sei und Rohmessdaten zugleich die Feststellung möglicher Irregularitäten bei der konkreten Messung und damit eine falsifizierende Plausibilitätseinschätzung erlauben sollen. Soweit in der Entscheidung hinsichtlich Art und Ausmaß der geforderten Überprüfbarkeit des Messergebnisses Begrifflichkeiten unterschiedlichen Bedeutungsgehalts verwendet werden (Rn. 89: „Validität der standardisierten Messung“, Rn. 92: „die grundsätzliche Nachvollziehbarkeit technischer Prozesse“, Rn. 94: „Nachprüfbarkeit einer auf technischen Abläufen und Algorithmen beruhenden Beschuldigung“ bzw. eine die Messung unabhängig nachvollziehende „Überprüfung“, Rn. 112: „Nachprüfung“, Überschrift e.: „Eignung (…) zur Verifizierung“, Rn. 115, 121, 122: „Plausibilisierung“ bzw. „Plausibilitätseinschätzungen“, Rn. 124: „das Ergebnis eines Messvorgangs nachzuvollziehen“), besteht für den Senat nach der gebotenen Auslegung jedenfalls kein Zweifel daran, dass andere Überprüfungsmöglichkeiten nur ausreichen können sollen, wenn sie, anders als eine vom Verfassungsgerichtshof nicht als ausreichend erachtete Befundprüfung nach § 39 MessEG, zumindest eine Plausibilisierung des Messergebnisses einschließlich der Feststellung möglicher Irregularitäten bei der konkreten Messung gleichermaßen zuverlässig erlauben, wie eine sachverständige Modellbetrachtung anhand von Rohmessdaten (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 98).
bb) Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes bindet gemäß § 10 Abs. 1 VerfGHG SL den Senat als Teil der saarländischen Gerichtsbarkeit. Die Bindungswirkung des § 10 Abs. 1 VerfGHG SL, die auch die tragenden Entscheidungsgründe umfasst (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, 63. EL Juni 2023, BVerfGG § 31 Rn. 96 ff. zur inhaltlichen Parallelregelung des § 31 Abs. 1 BVerfGG), erstreckt sich auch auf Wiederholungs- und Parallelfälle. Über den entschiedenen Fall hinaus werden die staatlichen Hoheitsträger verpflichtet, in vergleichbar gelagerten Fällen die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen verfassungsrechtlichen Maßgaben zu beachten (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, 63. EL Juni 2023, BVerfGG § 31 Rn. 75 zur inhaltlichen Parallelregelung des § 31 Abs. 1 BVerfGG).
Dem Senat sind die tatsächlichen und rechtlichen Einwände, die in Literatur (vgl. dazu zusammenfassend Merz, SVR 2020, 408-412 und 444-449; Peuker, NZV 2019, 443-445; a.A. Niehaus, StRR 2022, 35-38) und Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte (vgl. Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Juli 2022 – VGH B 30/21 –, juris) und Obergerichte (vgl. dazu OLG Oldenburg, Beschluss vom 9. September 2019 – 2 Ss (OWi) 233/19 –, NdsRpfl 2019, 399; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. September 2019 – 1 Rb 28 Ss 300/19 –, ZfSch 2019, 713; OLG Köln, Beschluss vom 27. September 2019 – III-1 RbS 339/19 –, DAR 2019, 695; BayObLG, Beschluss vom 9. Dezember 2019 – 202 ObOWi 1955/19 –, NZV 2020, 322; OLG Schleswig, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – II OLG 65/19 –, SchlHA 2020, 42; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Januar 2020 – III-1 RbS 255/19 –, VRS 138, Nr. 33 (2020); OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 1 OWi 2 Ss Bs 122/19 –, DV 2020, 84; OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. März 2020 – (1 Z) 53 Ss-OWi 79/20 (48/20) –, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 2020 – IV-2 RbS 30/20 –, NStZ 2021, 112; OLG Bremen, Beschluss vom 3. April 2020 – 1 SsRs 50/19 –, NStZ 2021, 114; KG, Beschluss vom 5. April 2020 – 3 Ws (B) 64/20 –, juris Rn. 13 ff.; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. September 2020 – 1 OLG 171 SsRs 195/19 –, juris Rn. 25 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 9. November 2020 – OLG 23 Ss 620/20 (Z) –, juris Rn. 10; OLG Koblenz, Beschluss vom 17. November 2020 – 1 OWi 6 SsRs 271/20 –, juris Rn. 18 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Juni 2022 – 3 Ss-OWi 476/22 –, juris Rn. 10) gegen die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes erhoben werden, bekannt. Dem Senat ist es nach der Verfassungsordnung indes versagt, die ihn bindende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes eigenmächtig unberücksichtigt zu lassen. Eine abweichende Entscheidung eines Bundesgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts, die die aus § 10 Abs. 1 VerfGHG SL folgende Bindungswirkung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes entfallen ließe, liegt nicht vor. Zwar ist die Prüfungskompetenz der Landesverfassungsgerichtsbarkeit von vornherein auf die Verletzung von mit dem Grundgesetz inhaltsgleichen subjektiven Landesverfassungsrechten beschränkt (vgl. BVerfGE 96, 345; BayVerfGHE 51, 49; BerlVerfGH, NVwZ 1999, 1332; BbgVerfG, LVerfGE 8, 82; HessStGH NJW 1999, 49; RpVerfGH NJW 2001, 2621; SächsVerfGH, LVerfGE 8, 301; SVerfGH, Beschluss vom 5. Juni 2003 – Lv 7/02 –; ThürVerfGH DVBl 2001, 560; ThürVBl 2007, 215). Die vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes als verletzt erachteten landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen können ihrer Schutzrichtung und ihrem Schutzumfang nach daher keinen weitergehenden Gewährleistungsgehalt vermitteln als die ihnen entsprechenden grundgesetzlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Entscheidungen eines Bundesgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts, die dem aus diesen grundgesetzlichen Garantien abzuleitenden Recht auf ein faires Verfahren einen Schutzumfang aberkennen, wie ihn der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in seiner Entscheidung vom 5. Juli 2019 (Lv 7/17) angenommen hat, liegen bislang nicht vor.
Der Senat vermag nicht anzunehmen, dass der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes Inhalt und Reichweite der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anerkennung standardisierter Messverfahren und die daraus abzuleitenden Beweiserleichterungen verkannt hat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verhält sich ausschließlich zu den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die tatgerichtliche Beweiswürdigung, nicht aber zur Frage der Beachtung davon unberührt bleibender verfahrensrechtlicher Grundrechte (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 70). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Anerkennung standardisierter Messverfahren (BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92 –, juris) ist hinsichtlich der Frage eines Beweisverwertungsverbotes unergiebig, da sich die ihr zugrundeliegende Vorlagefrage im Verfahren nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG hierauf nicht erstreckte. Gleiches gilt für die Entscheidungen vom 30. Oktober 1997 und vom 3. April 2001 in den Verfahren 4 StR 24/97 und 4 StR 507/00. Erstere verhält sich ebenfalls nur zu den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die tatgerichtlichen Feststellungen und deren Grundlage bei einer Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes auf Grundlage eines mittels Lasermessverfahren gewonnenen Messergebnisses. Die Entscheidung vom 3. April 2001 hat ausschließlich die Frage zum Gegenstand, ob der mit einem bauartzugelassenen und geeichten Atemalkoholmessgerät gewonnene Atemalkohol-Messwert für die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24a Abs. 1 StVG unmittelbar verwertbar ist oder allgemein Sicherheitsabschläge zum Ausgleich möglicher störender Einflüsse auf den Messvorgang geboten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2001 – 4 StR 507/00 -, juris Rn. 14).
Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2020 (Stattgebender Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris) war allein die Frage eines Anspruchs auf Herausgabe vorhandener Messunterlagen und -daten, nicht jedoch die eines Verwertungsverbotes bei fehlender Möglichkeit zur Überprüfung des Messergebnisses anhand von Rohmessdaten (so auch BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 – 3 C 14/21 –, juris Rn. 30).
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage nach einem Verbot der Verwertung eines ohne Speicherung von Rohmessdaten gewonnenen Ergebnisses einer Geschwindigkeitsmessung anlässlich einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage offengelassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 – 3 C 14/21 –, juris Rn. 30 f.).
Schließlich haben auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2023 (Az.: 2 BvR 1167/20) und 21. Juni 2023 (Az.: 2 BvR 1082/21 und 2 BvR 1090/21), mit denen Verfassungsbeschwerden, deren Gegenstand die Rüge eines Verstoßes gegen das Gebot eines fairen Verfahrens durch die unzureichende Speicherung von Rohmessdaten war, nicht zur Entscheidung angenommen wurden, die Bindungswirkung der landesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht entfallen lassen. Zwar binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ihrerseits nach § 31 Abs. 1 BVerfGG alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden und damit auch den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes. Entscheidungen im Sinne des § 31 Abs. 1 BVerfGG sind jedoch nur Sach- und nicht bloße Prozessentscheidungen wie Nichtannahmebeschlüsse (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungs-gerichtsgesetz, Werkstand: 63. EL Juni 2023, § 31 Rn. 83; Lechner/Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 8. Aufl., § 31 Rn. 28 und Fn. 43; BeckOK BVerfGG/von Ungern-Sternberg, 16. Edition, Stand: 01.12.2023, § 31 Rn. 35; Senatsbeschluss vom 5. Februar 2024 – 1 Ss (OWi) 29/23 –).
Vor diesem Hintergrund würde der Senat im Übrigen ungeachtet einer förmlichen Bindungswirkung identisch entscheiden, weil der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes ausdrücklich angekündigt hat, unabhängig von einer über den Einzelfall hinausgehenden Bindungswirkung seiner Entscheidung in gleich gelagerten Streitfällen – vorbehaltlich einer abweichenden späteren Entscheidung eines Bundesgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts – abweichende Entscheidungen saarländischer Instanzgerichte zu korrigieren (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 62), und weder die seitdem ergangene Rechtsprechung die Annahme rechtfertigt, dass der Verfassungsgerichtshof an seiner Rechtsauffassung nicht länger festhält, noch tatsächliche Entwicklungen die vom Verfassungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegten Annahmen als überholt erscheinen lassen. Insbesondere hat ein vom Senat eingeholtes messtechnisches Sachverständigengutachten die Annahme des Verfassungsgerichtshofs (vgl. Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 113) bestätigt, dass – ausgehend von einem rechtsstaatlich veranlassten Gebot der Möglichkeit zur nachträglichen Plausibilisierung eines Messergebnisses – eine nachträgliche Befundprüfung nach § 39 MessEG technisch ausschließlich die Feststellung ermöglicht, ob das Messgerät zum Zeitpunkt der Befundprüfung funktionsfähig ist und den Anforderungen der Eichung und Konformitätsprüfung genügt, aber weder vorübergehende, kurzfristige Störungen des Betriebes des Messgeräts in der Vergangenheit offenlegt, noch zuverlässig abbilden kann, ob die konkrete, in der Vergangenheit liegende Messung korrekt erfolgt ist oder von im Rahmen der Eichung und Konformitätsprüfung unvorhergesehenen Umständen beeinflusst wurde. Der Nachweis der Verlässlichkeit der im Streit stehenden Messung würde im Rahmen einer Befundprüfung insoweit voraussetzen, dass die Verkehrssituation und die Umweltbedingungen der Messung identisch nachgestellt werden könnten (vgl. S. 20 f. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 150 f. d.A.).
cc) Ausgehend davon unterläge das angefochtene amtsgerichtliche Urteil der Aufhebung, weil sich die Feststellung des Geschwindigkeitsverstoßes ausschließlich auf das dokumentierte Messergebnis stützt, dieses aber nach Maßgabe der Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Die bei der Messwertbildung erzeugten und verarbeiteten Daten (Rohmessdaten) wurden trotz dazu gegebener technischer Möglichkeit nicht gespeichert (1), obwohl anhand ihrer eine falsifizierende Plausibilitätsbetrachtung des Messergebnisses, wie sie der Verfassungsgerichtshof fordert, möglich wäre (2) und andere gleichermaßen zuverlässige Verteidigungsmittel nicht zur Verfügung stehen (3). Der Verwertung des Messergebnisses hat der Betroffene aus diesem Grund über seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem Tatgericht rechtzeitig widersprochen (4).
(1) Dass bei dem Messvorgang, der zu der dem Betroffenen zur Last gelegten Geschwindigkeitsmessung führte, die zur Messwertbildung erfassten und verarbeiteten Daten nicht gespeichert wurden und damit nicht zur Verfügung stehen, ist den insoweit bindenden Feststellungen des Amtsgerichts zu entnehmen (UA S. 3) und findet überdies Bestätigung in einem vom Senat eingeholten messtechnischen Sachverständigengutachten (Bl. 131 ff. d.A.). Danach stellt sich die technische Funktionsweise des Messgerätes Poliscan FM 1, Softwareversion 4.4.9, wie folgt dar (vgl. S. 3 ff. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 133 ff. d.A.):
Die Erfassung der zu messenden Fahrzeuge basiert bei dem gegenständlichen Messverfahren auf einer sog. Laserpuls-Laufzeitmessung (LIDAR – Light Detetction And Ranging), bei der ein Messkopf (Polygonspiegel) kurze Lichtimpulse in gebündeltem Strahl aussendet (ein Scan in Form eines einfachen Schwenks über die Fahrbahn führt zu 158 ausgesandten Laserimpulsen) und nach Reflexion an einem Objekt (PKW/LKW) wieder empfängt. Aus der gemessenen Signallaufzeit vom Sender zum reflektierenden Objekt und zurück wird in Verbindung mit der bekannten Lichtgeschwindigkeit die Distanz zwischen Messkopf und angestrahltem Objektpunkt berechnet. Werden auf diese Weise innerhalb eines definierten zeitlichen Abstandes, der anhand von Zeitstempeln erfasst wird, nacheinander zwei Lichtimpulse ausgesendet, die von einem Fahrzeug reflektiert werden, registriert das Messgerät nach Empfang der beiden Lichtimpulse zwei unterschiedliche Entfernungen zum Fahrzeug, aus denen mittels Weg-Zeit-Berechnung (Quotient aus der Entfernungsänderung und dem zeitlich definierten Abstand zwischen den beiden ausgesendeten Lichtimpulsen) die Geschwindigkeit berechnet werden kann, mit der sich das reflektierende Hindernis (Fahrzeug) auf das Messgerät zubewegt. Auf Grundlage dessen fertigt die Auswerteeinheit des Systems für jedes zu messende Fahrzeug ein 3D-Modell. Dem erzeugten Beweisbild wird durch das Messgerät jeweils eine xml-Textdatei beigefügt, die mithilfe eines Auswerteprogramms (Tuff-Viewer) ausgelesen werden kann.
Unter Rohmessdaten, die gesetzlich nicht definiert sind, sind dabei in Übereinstimmung mit dem Verständnis, das erkennbar die vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hinzugezogenen Sachverständigen zugrunde gelegt haben (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 53), und unter Berücksichtigung des ihnen zugesprochenen Zwecks zur Überprüfung eines Messergebnisses die Daten zu verstehen, die die Sensorik des Messgerätes während des Messvorgangs erzeugt und die nach der technisch notwendigen Filterung und Analog-Digital-Wandlung ohne weitere Selektion, Filterung oder Veränderung die Grundlage für die weitere Verarbeitung im Messgerät darstellen (vgl. PTB-Stellungnahme vom 12. Januar 2017, abzurufen über: http://dx.doi.org/10.7795/520.20161209B; Stückmann/Gratz, DAR 2024, 378). Sie erfassen demnach über die im Wege der Reflektion erfassten Positionswerte des erfassten Objekts samt den zugehörigen Zeitstempeln auch die Winkel und zugehörigen Laufzeiten der Lichtimpulse vom Zeitpunkt ihres Aussendens bis zum Wiedereintreffen der Reflektion (S. 13 des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 143 d.A.).
Diese Daten werden bei dem verfahrensgegenständlichen Messgerät nicht gespeichert. Mit der Einführung der Messgerätesoftware 4.4.9 werden in den jeweiligen xml-Textdateien lediglich noch die seitlichen Abstandwerte (y-Werte) der ersten Erfassung, der letzten Erfassung und zum Zeitpunkt der Bildauslösung gespeichert. Die Wegstreckenwerte (x-Werte) zum Beginn der Messwertbildung, zum Ende der Messwertbildung und die Einzelheiten des messwertbildenden Bereichs sind nicht hinterlegt. Aus der xml-Textdatei können lediglich die x-Werte der ersten und letzten Erfassung des Fahrzeugs sowie zum Fotozeitpunkt ausgelesen werden. Reale Zeitwerte werden mit Ausnahme der Uhrzeiten des Messreihenstarts und der Tatzeit nicht gespeichert. Vielmehr wird den wenigen als sog. Zusatzdaten erfassten Positionswerten jeweils fiktiv die Messreihenstartzeit zugeordnet (vgl. S. 13 ff., S. 37 ff. und S. 54 des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 143, 167 ff. und 184 d.A.).
Technisch wäre eine Speicherung sämtlicher Rohmessdaten indes entsprechend der Annahme des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 100) dem Grunde nach möglich (S. 3 ff. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 176 ff. d.A.).
(2) Auch die Möglichkeit, im Fall der Speicherung der Rohmessdaten im Sinne einer vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes verlangten Plausibilisierung nicht nur die Messwertbildung, sondern auch das Messergebnis auf verlässliche Abbildung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit innerhalb der Verkehrsfehlergrenze und die Feststellung möglicher Irregularitäten bei der konkreten Messung zu überprüfen, wäre gegeben.
Soweit gleichwohl von Teilen der Rechtsprechung unter der Prämisse, dass eine Abspeicherung von Daten zum Zwecke einer späteren Überprüfung erst ab dem Stadium ihrer Digitalisierung möglich ist und die so verstandenen Rohmessdaten das digitalisierte Ergebnis des eigentlichen, aus zahlreichen (analogen) Einzelschritten bestehenden Messvorgangs darstellen, angenommen wird, dass mit Rohmessdaten in aller Regel nur die rechnerische Richtigkeit des Messergebnisses plausibilisiert werden könne, nicht aber die Richtigkeit des Zustandekommens der Daten, da ein Messfehler sich regelmäßig gleichermaßen auf die Rohmessdaten wie auf das Ergebnis auswirken wird (vgl. OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 6. November 2019 – 2 Rb 35 Ss 808/19 –, juris Rn. 8; und 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –, juris Rn. 14; vgl. bestätigend auch Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Juli 2022 – VGH B 30/21 –, juris Rn. 41), ermächtigt dies den Senat nicht dazu, die abweichende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes unberücksichtigt zu lassen, weil der Verfassungsgerichtshof diese Frage ausdrücklich abweichend entschieden hat (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 115 ff.) und das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten die Möglichkeit einer Plausibilisierung nicht nur der rechnerischen Richtigkeit des Messergebnisses (Messwertbildung), sondern auch dessen annähernder Übereinstimmung mit der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen im Sinne der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs bestätigt hat (vgl. S. 7 ff., 21 f. und 52 ff. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 151 f., 182 ff. d.A.).
Zwar erfordert die Feststellung, ob sich der Geschwindigkeitswert innerhalb einer zulässigen Fehlergrenze befindet, grundsätzlich einen Vergleich mit einem geprüften Referenzmesswert, der allein anhand der Rohmessdaten einer einzelnen Messung nicht vorgenommen werden kann. Ausweislich des vom Senat eingeholten Sachverständigengutachtens kann anhand von Rohmessdaten gleichwohl i.S.d. der Annahme des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes anhand von Rohmessdaten nicht bloß die Messwertbildung als einfache Rechnung (zur Möglichkeit der mathematischen Überprüfung der Messwertbildung aus Rohmessdaten vgl. auch Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Wie verlässlich ist der nachträgliche Schätzwert („Plausibilisierung“) bei der amtlichen Geschwindigkeitsüberwachung? Stand: 23. Februar 2018, abzurufen unter: https://doi.org/10.7795/520.20171127) nachvollzogen werden, sondern es können zumindest Störeinflüsse festgestellt werden, die Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Messwertbildung haben können und durch den Auswertealgorithmus des Messgerätes nicht berücksichtigt werden (vgl. S. 7 ff., 21 f. und 52 ff. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 151 f., 182 ff. d.A.). Außerdem kann – jedenfalls in Zusammenschau mit der Konformitätsbewertung, der anhand der Überprüfung der Messreihe festzustellenden Messbeständigkeit, der Überprüfung ordnungsgemäßer Verwendung des Messgerätes sowie einer sachverständigen Plausibilitätsprüfung – auch die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit im Rahmen der Verkehrsfehlergrenze bestätigt oder – etwa durch die Feststellung von Messwertausreißern – in Frage gestellt werden (vgl. S. 7 ff., 22 ff. und 53 ff. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 152 ff., 183 ff. d.A.).
(3) Andere, im Verhältnis zu einer Überprüfung anhand von Rohmessdaten gleichermaßen zuverlässige und über eine Befundprüfung nach § 39 MessEG hinausgehende Verteidigungsmittel, wie sie der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten verlangt (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 80 ff., 125), stehen zur Überprüfung des Messergebnisses im konkreten Fall nicht zur Verfügung.
(a) Eine Überprüfung der vom Messgerät festgestellten Geschwindigkeit durch Berechnung der Momentan-Geschwindigkeit anhand der Neigung von Lichtspuren, die infolge Belichtung des Fotosensors etwa durch Scheinwerfer des erfassten Fahrzeugs entstehen können und dann im Messfoto zu erkennen sind (sog. Smear-Effekt, S. 11 des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 141 d.A.), ist ungeachtet der damit verbundenen individuellen Toleranzen (S. 37 des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 167 d.A.; zur Anerkennung der Möglichkeit zu nachträglicher Plausibilisierung eines Messergebnisses mittels Smear-Effekt vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12. September 2011 – 2 Ss-OWi 558/11 –, juris; ablehnend aufgrund großer Geschwindigkeitstoleranzbreiten vgl. hingegen Schmedding/Neidel/Reuß SVR 2012, 121 ff., 126) im konkreten Fall ausgeschlossen, weil in dem bei der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung gefertigten Lichtbild keine geeigneten Smear-Linien vorhanden sind, die eine Berechnung der Momentan-Geschwindigkeit erlauben (vgl. S. 37 und 54 des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 167 und 184 d.A.).
(b) Eine Geschwindigkeitsbestimmung durch Weg-Zeit-Berechnung anhand jedenfalls einzelner in die Messwertbildung eingeflossener Positions- und zugehöriger Zeitwerte (sog. Zusatzdaten) ist nicht möglich, weil in der Software-Version 4.4.9 – anders als noch in der Version 4.4.5 (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 5. Februar 2024 – 1 Ss (OWi) 29/23 –) – den erfassten Positionswerten keine realen Zeitwerte, sondern jeweils fiktiv die Messreihenstartzeit zugeordnet sind (vgl. S. 13 ff., S. 37 ff. und S. 54 des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 143, 167 ff. und 184 d.A.).
(c) Mittels fotogrammetrischer Auswertung anhand einer in das Messfoto einblendbaren Hilfslinie kann zwar grundsätzlich der vom Messgerät zum Zwecke der Anfertigung des Messfotos vorausberechnete Geschwindigkeitswert plausibilisiert werden (vgl. zur Funktionsweise der fotogrammetrischen Auswertung vgl. auch Stellungnahme des HMS Gutachter Sachverständigenbüro Himbert/Schwarz/Seiz GbR v. 9. August 2022, abzurufen über https://www.hms-gutachter.de/2022/08/das-messprinzip-des-vitronic-poliscan-fm1/). Diese Plausibilisierung ist aber deshalb nicht ebenso zuverlässig wie eine sachverständige Modellbetrachtung anhand von Rohmessdaten i.S.d. Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes, weil sie jedenfalls nicht die Feststellung möglicher Irregularitäten bei der konkreten Messung (vgl. dazu SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 98) erlaubt (vgl. S. 55 und S. 59 des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 185, 189 d.A.) ermöglicht und sie zudem auf die vom Messgerät gespeicherten Zusatzdaten und einen Bezugspunkt für die Auswertelinie (Kennzeichen als möglichen Reflektor) abstellt, deren Richtigkeit ohne weitere Rohmessdaten der Messung nicht überprüft werden kann (vgl. S. 45 f., S. 54 f. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 175 f., 184 f. d.A.).
(4) Durch die Sitzungsniederschrift ist belegt, dass der Verteidiger zu 1. der Verwertung des Messergebnisses unmittelbar nach dessen Einführung in die Hauptverhandlung widersprochen hat (Bl. 48, 55 f. d.A.).
3. Mit der beabsichtigten Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts würde der Senat von der Rechtsprechung anderer Obergerichte abweichen.
Soweit ersichtlich sind bislang alle Obergerichte, die über die Verwertbarkeit eines algorithmisch ermittelten Messwerts zu entscheiden hatten, bei dem die zur Messwertbildung erfassten und verwendeten Daten nicht gespeichert wurden, der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes entgegengetreten. Sie machen die Verwertbarkeit eines mittels standardisiertem Messverfahren ermittelten Ergebnisses einer Geschwindigkeitsmessung nicht davon abhängig, dass die zur Messwertbildung erfassten und verarbeiteten Daten gespeichert werden und zum Zweck der Überprüfung von Messwertbildung und Messergebnis zur Verfügung stehen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 9. September 2019 – 2 Ss (OWi) 233/19 –, NdsRpfl 2019, 399; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. September 2019 – 1 Rb 28 Ss 300/19 –, ZfSch 2019, 713; OLG Köln, Beschluss vom 27. September 2019 – III-1 RbS 339/19 –, DAR 2019, 695; BayObLG, Beschluss vom 9. Dezember 2019 – 202 ObOWi 1955/19 –, NZV 2020, 322; OLG Schleswig, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – II OLG 65/19 –, SchlHA 2020, 42; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Januar 2020 – III-1 RbS 255/19 –, VRS 138, Nr. 33 (2020); OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 1 OWi 2 Ss Bs 122/19 –, DV 2020, 84; OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. März 2020 – (1 Z) 53 Ss-OWi 79/20 (48/20) –, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 2020 – IV-2 RbS 30/20 –, NStZ 2021, 112; OLG Bremen, Beschluss vom 3. April 2020 – 1 SsRs 50/19 –, NStZ 2021, 114; KG, Beschluss vom 5. April 2020 – 3 Ws (B) 64/20 –, juris Rn. 13 ff.; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. September 2020 – 1 OLG 171 SsRs 195/19 –, juris Rn. 25 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 9. November 2020 – OLG 23 Ss 620/20 (Z) –, juris Rn. 10; OLG Koblenz, Beschluss vom 17. November 2020 – 1 OWi 6 SsRs 271/20 –, juris Rn. 18 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Juni 2022 – 3 Ss-OWi 476/22 –, juris Rn. 10) und haben hierbei Bestätigung durch andere Landesverfassungsgerichte gefunden (vgl. Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Juli 2022 – VGH B 30/21 –, juris). Sie nehmen übereinstimmend an, dass auch Messungen mit Geräten, bei denen Messdaten nicht gespeichert werden, verwertbar sind, weil die Verwertung weder gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoße, noch eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung darstelle. Ausgehend davon, dass eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren erst vorliege, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht – auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte – ergebe, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde, könne das Gebot des fairen Verfahrens unter dem Gesichtspunkt der „Parität des Wissens“ zwar verletzt sein, wenn in einem verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren nicht bei den Akten befindliche, jedoch bei der Verfolgungsbehörde vorhandene Informationen zu der erfolgten Messung mit einem standardisierten Messverfahren – z.B. gespeicherte Rohmessdaten – dem Betroffenen bzw. Verteidiger nicht zur Verfügung gestellt würden, auch wenn das Gericht diese Informationen für unerheblich halte (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 2019, 620 m.w.N.; SVerfGH NZV 2018, 275; Cierniak/Niehaus, DAR 2018, 541; DAR 2014, 2). Ein über den gleichmäßigen Zugang zu bereits existenten Beweismitteln hinausgehendes, überdies mit einem Beweisverwertungsverbot verknüpftes Recht des Betroffenen auf Schaffung neuer, bislang auch der Verfolgungsbehörde nicht zur Verfügung stehender Beweismittel lasse sich jedoch aus dem Prinzip der Waffengleichheit strukturell nicht herleiten (so etwa KG, Beschluss vom 2. Oktober 2019 – 3 Ws (B) 296/19 – 162 Ss 122/19, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –, juris Rn. 18; vgl. auch Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Juli 2022 – VGH B 30/21 –, juris Rn. 33). Ob eine Verurteilung die Erhebung bisher nicht vorhandener Beweismittel erfordere, entscheide sich vielmehr auf der Grundlage der gerichtlichen Pflicht zu zuverlässiger Wahrheitserforschung und insbesondere hinreichender Sachaufklärung, deren durch entsprechende Verfahrensgestaltung zu gewährleistende Reichweite – aus verfassungsrechtlicher Sicht – ebenfalls durch den Grundsatz des rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens bestimmt werde (vgl. BVerfGE 57, 250; 86, 288). Die fachgerichtliche Rechtsprechung trage den sich daraus ergebenden Anforderungen in Straf- und Bußgeldsachen durch die Forderung Rechnung, dass eine Verurteilung auf einer hinreichenden und nachvollziehbaren tatsächlichen Grundlage beruhen müsse (st. Rspr. des BGH, zuletzt NStZ-RR 2019, 317). Für den Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts sei dabei – auch verfassungsrechtlich (vgl. BVerfGE 45, 272) – anerkannt, dass der geringe Unrechtsgehalt einer Ordnungswidrigkeit, die kein mit einem ethischen Vorwurf verbundenes kriminelles Unrecht darstelle, sondern mit der lediglich eine nachdrückliche Pflichtenmahnung bezweckt werde (vgl. BVerfGE 8, 197; 9, 167; 27, 18; 45, 272), auch Vereinfachungen des Verfahrens rechtfertige, mit denen einer Verstopfung der Gerichte mit einer Fülle von massenhaft vorkommenden Bagatellsachen entgegengewirkt und so die mit Verfassungsrang ausgestattete Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (insoweit zum Bußgeldverfahren: BVerfG, NJW 2011, 2783) erhalten werde (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –, juris Rn. 19). Der Bundesgesetzgeber, der mit dieser Zielsetzung im Ordnungswidrigkeitenrecht u.a. Einschränkungen gegenüber dem strafprozessualen Beweisrecht (§ 77 Abs. 2 und 3, § 77a OWiG) und in Bezug auf Rechtsmittelmöglichkeiten vorgenommen (§ 80 OWiG) habe, halte eine Speicherung von (Roh-)Messdaten bei der amtlichen Verwendung von standardisierten Messverfahren rechtsstaatlich für nicht geboten, wie sich in der Regelung des § 24a Abs. 1 StVG zeige, mit der er im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs die gesetzliche Grundlage für eine „beweissichere“ (vgl. BT-Drs. 13/1439, S. 4) Atemalkoholbestimmung mittels Messgeräten geschaffen habe, deren Messergebnisse technisch nicht nachträglich überprüfbar bzw. gerichtlich aufklärbar seien. Dem entspreche die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum standardisierten Messverfahren, durch die bei Verwendung eines solchen Verfahrens nicht nur die Anforderungen an die Darlegungslast im Bußgeldurteil, sondern auch an die gerichtliche Amtsaufklärungspflicht begrenzt worden seien (so OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –, juris Rn. 20 f.). In der vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes postulierten Verfügbarkeit von Rohmessdaten liege kein rechtsstaatlich unverzichtbares Element eines fairen Bußgeldverfahrens. Standardisierte Messverfahren gewährleisteten aufgrund der einzuhaltenden strengen Vorgaben des gesetzlichen Messwesens in hohem Maße die Richtigkeit der mit ihnen erzielten Messergebnisse. Die in einem aufwändigen, mehrstufigen Kontrollverfahren umzusetzenden Vorgaben, insbesondere die erforderlichen umfassenden technischen Überprüfungen von Messgeräten durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, dienten dem Schutz der Betroffenen, indem sie die Gefahr einer unberechtigten Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit auf ein Minimum reduzierten. Das rechtfertige eine geringere Kontrollmöglichkeit im jeweiligen Einzelfall einer Messung, ohne dass die Betroffenen damit – wie es der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes annimmt (vgl. SVerfGH, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 110) – „auf Gedeih und Verderb der amtlichen Bestätigung der Zuverlässigkeit eines elektronischen Systems und der es steuernden Algorithmen ausgeliefert“ wären. Ein Betroffener sei im nicht restlos ausschließbaren Ausnahmefall einer Fehlmessung, der in der Regel dem menschlichen Faktor geschuldet sein werde, nicht rechtlos gestellt. Neben der Möglichkeit einer Befundprüfung nach § 39 MessEG stünden ihm im Bußgeldverfahren prozessuale Rechte (Akteneinsichtsrecht, Vortrags- und Fragerecht, Beweisanregungs- und -antragsrecht) zur Verfügung, die es ihm gestatten würden, eine Vielzahl denkbarer konkreter Anhaltspunkte für Messfehler geltend zu machen (vgl. Cierniak, ZfSch 2012, 664 mit Beispielen aus der Rechtsprechung), welche die Aufklärungspflicht des Gerichts auslösen und dazu führen könnten, dass die Annahme eines standardisierten Messverfahrens verworfen und eine individuelle (sachverständige) Prüfung des Messergebnisses und seiner Verwertbarkeit erfolgen müsse. Damit sei eine dem Grundsatz des fairen Verfahrens genügende Verfahrensgestaltung gegeben (so etwa Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – II OLG 65/19 -, juris Rn. 23 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –, juris Rn. 22; vgl. auch Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Juli 2022 – VGH B 30/21 –, juris Rn. 32 ff.).
In Teilen verneint die obergerichtliche Rechtsprechung jedenfalls, dass die Konsequenz eines vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes angenommenen rechtsstaatlichen Defizits in einem Verbot der Verwertung des gewonnenen Beweisergebnisses liege. Bei Zweifeln an der Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens oder einer technischen Aufzeichnung handele es sich in erster Linie um ein Problem richterlicher Sachverhaltsaufklärung. Die Frage, ob die Annahme eines Verwertungsverbots gerechtfertigt sei, sei im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht stets das Ergebnis einer Abwägung der betroffenen Belange im Einzelfall (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 2010 – 2 BvR 1046/08 –, juris Rn. 36 zur Verwertung einer entgegen § 81 a StPO damaliger Fassung gewonnenen Blutprobe), die zugunsten der Beweisverwertung auszufallen habe, da es nicht um den Vorwurf eines schweren Delikts mit für den Betroffenen einschneidenden Folgen gehe, sondern lediglich um den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung und einer sich hieraus ergebenden Ordnungswidrigkeit (so etwa Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – II OLG 65/19 –, juris Rn. 32 f.).
4. Die mit der Rüge zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage ist im Einzelfall auch entscheidungserheblich, weil sonstige verfahrensrechtliche Beanstandungen nicht vorgebracht sind und die angefochtene Entscheidung im Schuldspruch materiell-rechtlicher Prüfung auf die nicht ausgeführte Sachrüge hin standhält. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO wegen fahrlässiger Überschreitung der außerhalb einer geschlossenen Ortschaft zulässigen Geschwindigkeit und beruhen ausgehend davon, dass der Betroffene seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat, auf einer materiell-rechtlich rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Insbesondere durfte das Amtsgericht sich ausgehend davon, dass es sich bei dem Einsatz gefundenen Messverfahren um ein standardisiertes handelt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 1 OWi 2 SsBs 100/21 –, juris), das nach den insoweit im Rechtsbeschwerdeverfahren bindend zugrunde zu legenden Feststellungen des Tatgerichts im Einzelfall auch ordnungsgemäß unter Beachtung der Vorgaben des Herstellers und der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt verwendet wurde, sachlich-rechtlich auf die Mitteilung des verwendeten Messverfahrens, der gemessenen Geschwindigkeit und der gewährten Toleranz beschränken (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92 –, juris Rn. 33; KG, Beschluss vom 5. April 2020 – 3 Ws (B) 64/20 –, juris m.w.N.).
Der Entscheidungserheblichkeit steht nicht entgegen, dass der Verteidiger des Betroffenen zusätzlich geltend macht, ein das Messergebnis betreffendes Beweisverwertungsverbot folge jedenfalls daraus, dass die unterbliebene Speicherung von Rohmessdaten durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in einer Weise verschuldet sei, die eine staatliche Beweisvereitelung darstelle, soweit die Bundesanstalt mit der Anforderung PTB-A 12.05 angeordnet habe, dass Messdaten und Bilddokumente keine Merkmale mehr aufweisen dürften, die Verwechselungen und Missverständnisse provozieren können (Rechtsbeschwerdebegründung, S. 36 ff. = Bl. 108 ff. d.A.; ablehnend in der Rspr. vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 1 OWi 2 SsBs 100/21 –, juris Rn. 17 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Juni 2022 – 3 Ss-OWi 476/22 –, juris Rn. 16 f.). Darauf geht die unterbliebene Speicherung sämtlicher Rohmessdaten nicht zurück. Deren Speicherung unterblieb auch bereits vor jener Anforderung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Auf die Anforderung PTB-A 12.05 geht lediglich zurück, dass in der Software-Version 4.4.9 – anders als noch bei der Software-Version 4.4.5 – die zu den vom Messgerät gespeicherten Positionswerten (Position Very First Measurement, Position Very Last Measurement, Position First Measurement, Position Last Measurement) zugehörigen Zeitwerte (so. Zusatzdaten) nicht mehr gespeichert, sondern jeweils fiktiv mit dem Zeitstempel des Messreihenstarts versehen werden (vgl. dazu bereits unter Verweis nach oben sowie S. 17 ff. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 147 ff. d.A.). Allein durch das Unterlassen der Speicherung nunmehr auch dieser Zeitwerte zu vier einzelnen Standortdaten wird die Beweisführung nicht unlauter vereitelt, weil anhand dieser Daten – wie die Verteidigung im Übrigen selbst geltend macht (vgl. Rechtsbeschwerdebegründung, S. 33 u. 45 a.E. = Bl. 105 u. 117 d.A.) – eine falsifizierende Plausibilisierung des Messergebnisses nicht in ebenso valider Weise wie mittels einer sachverständigen Beurteilung anhand sämtlicher Rohmessdaten möglich ist und sie damit gar nicht geeignet sind, einem Betroffenen die Möglichkeit zu eröffnen, die Verlässlichkeit des geeichten Messwerts in Zweifel zu ziehen (vgl. S. 13, insbes. 16 f. sowie S. 29 f. des Gutachtens Dipl.-Ing. (FH) S. v. 25. Februar 2025 = Bl. 131, 143, 146 f., 159 f. d.A.; Wynands, Schätzwerte in der Geschwindigkeitsüberwachung, tm 2018, 85(2), 128).