Zum Inhalt der Entscheidung: Bei einer Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes müssen die Urteilsgründe Feststellungen darüber enthalten, an welcher Ampel sich der Verstoß ereignet hat, wie dieser Bereich verkehrstechnisch gestaltet ist und welchen Verkehrsbereich die Anlage schützt, ebenso ob der Betroffene überhaupt in den geschützten Bereich eingefahren ist. Außerdem müssen beim Einsatz eines standardisierten Messverfahrens zudem der konkret verwendete Gerätetyp und das gewonnene Messergebnis sowie ein etwa zu beachtender Toleranzwert angegeben werden. Daneben müssen die wesentlichen Anknüpfungstatsachen, wie Abstand zwischen Haltelinie und der Induktionsschleifen sowie die Rotlichtzeiten bei Überfahren der Induktionsschleifen angegeben werden.
Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss vom 07.05.2024
Tenor:
- Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 2. Februar 2024 mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Konstanz zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit Urteil vom 02.02.2024 wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichtes einer Wechsellichtzeichenanlage am 28.02.2023 um 16:21 Uhr am (…) in (…)zu einer Geldbuße von 200,00 Euro verurteilt. Ferner wurde ihm unter Anwendung der Vier-Monats-Regel für die Dauer von einem Monat untersagt, Kraftfahrzeuge aller Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Er beanstandet insbesondere fehlende bzw. fehlerhafte Feststellungen im Urteil sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung und Fehler bei der Rechtsfolgenbemessung.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 02.04.2024 beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Zu der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 09.04.2024 eine Gegenerklärung abgegeben und klargestellt, dass die Verletzung formellen Rechts nicht gerügt werde.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils und die ihnen zugrundeliegende Beweiswürdigung sind unzureichend. Sie tragen schon den Schuldspruch wegen eines Rotlicht-verstoßes nicht.
Bei einer Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO müssen die Urteilsgründe zunächst Feststellungen darüber enthalten, an welcher konkreten Wechsel-lichtzeichenanlage sich der Verstoß ereignet hat, wie dieser Bereich verkehrstechnisch gestaltet ist (Fußgängerüberweg, Kreuzungs- oder Einmündungsbereich, Anzahl und ggf. nähere Ausgestaltung der Fahrstreifen) und welchen Verkehrsbereich die Anlage schützt (Fußgängerfurt und/oder Kreuzungsbereich mit Querverkehr), ebenso ob der Betroffene überhaupt in den geschützten Bereich (Fahrstreifen und Fahrtrichtung des Betroffenen) eingefahren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juli 2020 – IV-4 RBs 46/20 -, juris, Rn. 13). Für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO müssen beim Einsatz eines standardisierten Messverfahrens – ein solches ist auch das im vorliegenden Fall eingesetzte Verfahren Traffiphot III (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 19. Oktober 2009 – 2 SsBs 38/09 -, Rn. 5, juris) – zudem der konkret verwendete Gerätetyp und das gewonnene Messergebnis sowie ein etwa zu beachtender Toleranzwert angegeben werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 1 Rb 34 Ss 9/22 -, Rn. 17, juris). Daneben müssen zumindest die wesentlichen Anknüpfungstatsachen, wie Abstand zwischen Haltelinie und der Induktionsschleifen sowie die Rotlichtzeiten bei Überfahren der Induktionsschleifen angegeben werden, denn ohne diese Darlegungen lässt sich für das Rechtsbeschwerdegericht die Berechnung der Rotlichtdauer beim Überfahren der Haltelinie nicht nachvollziehen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Februar 2022, aaO, Rn 13). Etwas Anderes gilt lediglich für den Fall, dass die Induktionsschleife in der Haltelinie selbst angebracht wäre. Dann wären Messzeit und der Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie identisch. Aber auch in diesem Falle wäre der Tatrichter gehalten, sowohl die Messzeit als auch den Lageort der Induktionsschleife im Urteil darzulegen (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 2. April 2014 – 1 Ss OWi 59/14 -, Rn. 5, juris).
Gemessen hieran wird durch die Gesamtheit der Urteilsgründe (UA S. 3 unten) und die zulässige Verweisung auf die Skizze AS. 59 die Tatörtlichkeit hinsichtlich der Wechsellichtzeichenanlage und der verkehrstechnischen Gestaltung des geschützten Verkehrsbereiches hinreichend konkret beschrieben.
Allerdings enthalten die Urteilsgründe keine Erörterungen über die Lage der Haltelinie und der Induktionsschleife. Auch aus den Lichtbildern AS. 13 und der Skizze des Ampelschaltplans, auf die im Urteil Bezug genommen wird, ergeben sich diese Umstände nicht.
Ohne diese erforderlichen Feststellungen lässt sich für das Rechtsbeschwerdegericht die Berechnung der Rotlichtdauer beim Überfahren der Haltelinie nicht nachvollziehen.
Aufgrund des aufgezeigten Darstellungsmangels können der Schuldspruch und damit auch der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Konstanz zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).