Zum Inhalt der Entscheidung: 1. Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0 begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses.
Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 29.01.2013
Aus den Gründen:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot unter Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ verhängt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der schon vielfach wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten belangte Betroffene am 09.05.2012 mit seinem PKW die […] in […] außerhalb geschlossener Ortschaft. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist dort auf 70 km/h begrenzt. In Höhe des Hauses […] wurde bei ihm mittels der Geschwindigkeitsmessanlage ESO ES 3.0 (Einseitensensor) eine Geschwindigkeit von 116 km/h gemessen, wobei ein Toleranzabzug von 4 km/h bereits berücksichtigt wurde.
Der Betroffene hatte vor dem Amtsgericht seine Fahrereigenschaft eingeräumt, die Ordnungsgemäßheit der Messung aber angezweifelt.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts in allgemeiner Form und erhebt drei Verfahrensrügen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
1.
Der Betroffene kann mit den erhobenen Verfahrensrügen nicht durchdringen.
Die Rüge ist aber jedenfalls unbegründet. Das Amtsgericht hat die Beweisanträge zu Recht nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt. Bei der hier verwendeten Messmethode, handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.10.2012 – 1 SsBs 12/12 –juris). Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass der Messbeamte an dem Gerät geschult war und es der Gebrauchsanweisung des Herstellers entsprechend aufgestellt hat (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.10.2011 – IV – 4 RBs 170/11 – juris). Störungen im Einsatzverlauf wurden nicht festgestellt. Das Gerät war gültig geeicht. Der Toleranzabzug wurde angegeben. Eine fehlerhafte Zuordnung des Fahrzeugs zur Fotolinie sei nach den Angaben des Messbeamten in Verbindung mit dem in Augenschein genommenen Messfoto auszuschließen. Letzteres zeige in der Nähe des Fahrzeugs des Betroffenen kein anderes Fahrzeug. Vor diesem Hintergrund erscheint die beantragte Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich, denn die weitere Beweiserhebung drängt sich weder auf, noch liegt sie nahe. Entsprechendes gilt hinsichtlich der technischen Ordnungsgemäßheit der Messung, da – so die Feststellungen des Amtsgerichts – keinerlei Anhaltspunkte für eine Störung vorliegen.
b) Soweit der Betroffene eine Verletzung der Aufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG wegen der Nichterhebung der o.g. Beweise rügt, ist diese Rüge unbegründet. Angesichts der bereits geschilderten Ausführungen im angefochtenen Urteil musste sich das Amtsgericht nicht zu einer weiteren Überprüfung der Plausibilität der Position des Fahrzeugs des Betroffenen zur Fotolinie gedrängt sehen. Auch musste es keine weiteren Ermittlungen zur genauen Funktionsweise des Messgerätes anstellen. Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0, das eine Bauartzulassung von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt erhalten hat, begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses. Die genaue Funktionsweise von Messgeräten ist den Gerichten auch in den Bereichen der Kriminaltechnik und der Rechtsmedizin nicht bekannt, ohne dass insoweit jeweils Zweifel an der Verwertbarkeit der Gutachten aufgekommen wären, die auf den von diesen Geräten gelieferten Messergebnissen beruhen. Nach welchem Prinzip das Geschwindigkeitsmessgerät funktioniert ist bekannt. Bei dem Messverfahren handelt es sich um standardisiertes Messverfahren. Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung können aber nur konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung begründen. Ohne derartige Anhaltspunkte, würde der der Tatrichter die an seine Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen überspannen, wenn er dennoch an der Zuverlässigkeit der Messung zweifelt (OLG Koblenz a.a.O. – mit diesem Urteil wurde das vom Betroffenen zitierte Urteil des AG Kaiserslautern vom 14.03.2012 – 6270 Js 9747/11.1 OWi aufgehoben). Solche Anhaltspunkte lagen hier – s.o. – nicht vor.
c) Auch die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wegen Ablehnung der Beweisanträge ist unbegründet. Das Amtsgericht hat das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis genommen und in seine Überlegungen mit einbezogen und sodann mit einer gesetzeskonformen Begründung eine weitere Beweiserhebung abgelehnt. Soweit der Betroffene meint, er habe mangels Wissen über die Funktionsweise des Messgerätes keine weitergehenden Ausführungen zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Messung machen können, überzeugt dies schon deswegen nicht, weil er nichts dazu vorträgt, welche Bemühungen er unternommen hat, z.B. vom Hersteller nähere technische Angaben zu ihn interessierenden Fragen zu erhalten oder das Messgerät (bzw. ein Messgerät dieses Typs) durch einen von ihm bestellten Sachverständigen entsprechend technisch analysieren zu lassen, um die gewünschten Informationen zu erhalten. Das Beweisantragsrecht verkümmert mitnichten. Bestehen Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion, muss das Gericht dem nachgehen (vgl. Krenberger ZfSch 2013, 52). Ansonsten hat der Betroffene zudem die Möglichkeit, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er nur vermutet oder für möglich hält, soweit es sich nicht um eine Beweisbehauptung völlig „ins Blaue hinein“ handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 04.12.2012 – 4 StR 372/12 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 244 Rdn. 20).
2.
Auch die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen lassen. Die angesichts seiner Vorbelastungen sehr maßvolle Erhöhung des Regelbußgeldsatzes nach Tabelle 1 der BKatV beschwert den Betroffenen nicht.