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OLG Hamm – Beschluss vom 28.06.16

Zum Inhalt der Entscheidung: Trägt der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren von den Urteilsfeststellungen abweichenden eigenen Vortrag vor (hier: bezüglich des angestrebten Absehens vom Fahrverbot), mit dem das Gericht sich nach Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers nicht ausreichend auseinandergesetzt habe, so stellt dies keine ordnungsgemäß erhobene Sachrüge dar.

 

Oberlandesgericht Hamm

Beschluss vom 28.06.2016

4 RBs 135/16

Tenor:

Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.

Die Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Wiedereinsetzungs- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.

 

Aus den Gründen:

I.

Das Amtsgericht Beckum verurteilte den Betroffenen mit Urteil vom 17.11.2015 wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 480 EUR. Zudem wurde unter Gewährung von Vollstreckungs-aufschub nach § 25 Abs. 2a StVG ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Gegen dieses Urteil, das seinem Verteidiger am 30.11.2015 zugestellt worden ist, hat der Betroffene durch Telefax seines Verteidigers vom 23.11.2015, eingegangen beim Amtsgericht Beckum am selben Tage, Rechtsbeschwerde eingelegt. Die angefochtene Entscheidung sei rechtsfehlerhaft, unter anderem wegen der Zurückweisung der Beweisanträge. Eine umfassende (weitere) Begründung solle jedoch erst nach Vorlage der schriftlichen Urteilsgründe erfolgen.

Mit Fax vom 25.01.2016 hat der Verteidiger beantragt, dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren. Gleichzeitig hat er die Rechtsbeschwerde begründet. Dieses Fax ist mit einem Eingangsstempel des Amtsgerichts Beckum vom 27.01.2016 versehen. Laut Faxbericht wurde es am 27.01.2016 um 23:56 Uhr aus der Kanzlei des Verteidigers gesendet und am 28.01.2016 um 0:00 Uhr vom Amtsgericht Beckum empfangen.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags versichert der Verteidiger anwaltlich sowie an Eides statt, dass die Gerichtsakte, die ihm zwecks Akteneinsicht zugeschickt worden sei, sowie seine Handakte ihm durch ein Versehen in seiner Kanzlei nicht vorgelegt, sondern in ein Ablagefach gelegt worden seien. Daher sei keine Begründung der Rechtsbeschwerde erfolgt, obwohl er einen entsprechenden Auftrag vom Betroffenen bereits am Tage der Urteilverkündung erhalten habe. Dieses Versehen sei erst am 20.01.2016 aufgefallen, als er durch ein Fax des Amtsgerichts Beckum vom selben Tage zur Rücksendung der Gerichtsakte aufgefordert worden sei.

Zur Begründung der Rechtsbeschwerde führt der Verteidiger aus, dass das Amtsgericht Beckum die Beweisanträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und zur Befragung weiterer Zeugen zu Unrecht abgelehnt habe. Im Hinblick auf im Bereich der Messstrecke vorhandene Straßenschilder habe die Verteidigung Bedenken bezüglich der Richtigkeit der Messung. Zudem habe sich das Gericht bei der Verhängung des Fahrverbots nicht hinreichend mit einer möglichen Existenzgefährdung des Betroffenen auseinandergesetzt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, sowohl den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

Zwar hat der Betroffene die Monatsfrist zur Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) nach gewährter Wiedereinsetzung (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 44 Satz 1 StPO) eingehalten.

Jedoch hat der Betroffene weder die Sachrüge erhoben, noch eine Verfahrensrüge den Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO entsprechend ausgeführt.

Der Verteidiger des Betroffenen hatte zwar mit Einlegung der Rechtsbeschwerde am 23.11.2015 bereits erste Ausführungen zur Begründung derselben gemacht. In diesen Ausführungen ist jedoch nicht die Erhebung der allgemeinen Sachrüge enthalten. Denn aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht eindeutig, dass die Nachprüfung des angefochtenen Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt wird. Der Verteidiger hat das angefochtene Urteil mit dem Adjektiv „rechtsfehlerhaft“ beschrieben. Damit könnte er sowohl das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen gerügt haben, als auch Verfahrensfehler oder Fehler in der materiell-rechtlichen Gesetzesanwendung. Die übrige, im Telefax vom 23.11.2015 enthaltene Begründung, in der insbesondere die fehlerhafte Behandlung von Beweisanträgen gerügt wird, lässt ebenfalls nicht den eindeutigen Schluss auf eine begehrte materiell-rechtliche Nachprüfung zu, sondern spricht eher für ein Begehren nach Überprüfung in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Im Schriftsatz vom 25.01.2016 ist eine Sachrüge ebenfalls nicht enthalten. Dieser enthält zunächst nur Ausführungen zur Wiedereinsetzung und zur angeblich rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages. Soweit weiter gerügt wird, das Gericht habe sich nicht hinreichend mit dem Vortrag des Betroffenen hinsichtlich eines Absehens vom Fahrverbot auseinandergesetzt, enthält dieser Vortrag lediglich von den Urteilsfeststellungen abweichenden eigenen Vortrag, der ergibt, dass der Betroffene in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung beanstandet, sondern die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen angreifen will (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 344 Rdn. 19).

Zur formgerechten (Verfahrens-)Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags muss der Beschwerdeführer den Antrag, den Inhalts des ablehnenden Gerichtsbeschlusses sowie die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig angeben, dass das Beschwerdegericht allein anhand der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, sollten die behaupteten Tatsachen zutreffen (vgl. KK/Senge, OWiG, 4. Auflage 2014, § 77 Rn. 51 f. m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. In der Rechtsbeschwerdebegründung hat der Verteidiger nur die Beweismittel, nicht jedoch die Beweistatsachen angegeben, insbesondere nicht, was Gegenstand der zeugenschaftlichen Wahrnehmung gewesen sein soll bzw. wozu der Sachverständige gehört werden sollte. Zudem fehlt die Wiedergabe des Inhalts des Ablehnungsbeschlusses (§ 77 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 OWiG). Ein schlichtes Anführen von Bedenken der Verteidigung bezüglich der Richtigkeit, weil sich irgendwo im Bereich der Messbereichs Straßenschilder befunden hätten, reicht weder für eine vollständige Angabe der den Mangel begründenden Tatsachen noch für das erforderliche bestimmte Behaupten dieser Tatsachen. Das Beschwerdegericht kann auch nicht etwa aufgrund einer form- und fristgerecht erhobenen Sachrüge bzgl. der Verfahrensrüge ergänzend die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils heranziehen, denn eine Sachrüge hat der Betroffene nicht erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht im Hinblick auf das Wiedereinsetzungsverfahren gem. § 473 Abs. 7 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG; bezüglich des Rechtsbeschwerde-verfahrens folgt sie aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.