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OLG Brandenburg – Beschluss vom 17.04.25

Zum Inhalt der Entscheidung: Wird ein zentrales Verteidigungsvorbringen – hier die Vorlage einer Bescheinigung über die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Maßnahme zur Begründung einer geringeren Geldbuße – im Urteil nicht gewürdigt, fehlt es an einer individualisierten Zumessungsentscheidung; dies stellt eine Verletzung rechtlichen Gehörs dar und führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.

Oberlandesgericht Brandenburg

Beschluss vom 17.04.2025

2 ORbs 32/25

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) vom 25. September 2024 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Lübben (Spreewald) zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 25. September 2024 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h eine Geldbuße von 115 € verhängt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der er durch seinen Verteidiger u.a. die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1, § 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG statthaft und entsprechend den §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden. Er führt zur Zulassung der Rechtsbeschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch.

Der Betroffene hat verfahrensordnungsgemäß (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) die Versagung des rechtlichen Gehörs gerügt (§ 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 OWiG) und dringt mit dieser Rüge auch durch.

Nach dem mitgeteilten Verfahrensgeschehen hat die Verteidigung geltend gemacht, im Vorfeld der Hauptverhandlung mit dem Vorsitzenden über die Möglichkeit der Reduzierung der Geldbuße bei Vorlage einer Bescheinigung über die Teilnahme an einem verkehrstherapeutischen Beratungsgespräch telefoniert zu haben. Der Vorsitzende habe signalisiert, dass es durchaus Spielraum für diese Möglichkeit gäbe, wenn der Betroffene schon von sich aus in der Verhandlung eine entsprechende Bescheinigung vorlege. Der Betroffene habe daraufhin in Absprache mit dem Verteidiger an einer verkehrspsychologischen Maßnahme teilgenommen und im Termin der Hauptverhandlung eine entsprechende Bescheinigung vorlegen lassen. Nachdem der Vorsitzende sich an ein mit dem Verteidiger geführtes Telefonat nicht erinnern konnte, darauf hingewiesen hatte, dass eine Reduzierung der Geldbuße nicht in Betracht komme und der Betroffene vom persönlichen Erscheinen entbunden war, hat der im Termin anwesenden Unterbevollmächtigte nach Rücksprache mit dem Verteidiger auf Aussetzung der Hauptverhandlung angetragen, um die aus Sicht der Verteidigung überraschende Verfahrensentwicklung mit dem Mandanten besprechen zu können. Diesen Antrag hat das Amtsgericht abgelehnt.

Dass sich die Urteilsgründe angesichts dieser Sachlage nicht zur Frage einer Reduzierung der Geldbuße verhalten, verletzt – bezogen auf die Rechtsfolgenentscheidung – das rechtliche Gehör.

Zwar verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte grundsätzlich nicht dazu, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG NJW 2014, 2563, 2565). Ferner rechtfertigt allein die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung nach der Rechtsprechung des Senats allein und für sich genommen regelmäßig noch nicht eine Reduzierung der Geldbuße (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 24. Mai 2021 – 2 OLG 53 SS-OWi 17/21; Beschl. v. 13. Februar 2025 – 2 Orbs 185/24). Da dieser Gesichtspunkt jedoch erkennbar für die Verteidigung von maßgeblicher Bedeutung war, hätte es zur Wahrung des rechtlichen Gehörs einer diesbezüglichen Würdigung im angefochtenen Urteil bedurft. Dies gilt insbesondere insoweit, als eine freiwillige verkehrspsychologische Maßnahme nicht schlechterdings ungeeignet ist, im Rahmen der Bemessung der Geldbuße Berücksichtigung zu finden, sondern dies in Betracht kommen kann, wenn weitere Umstände, die zugunsten des Betroffenen sprechen, hinzutreten und ausnahmsweise ein Abweichen vom Regelsatz rechtfertigen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. März 2023 – 1 OWi 2 SsRs 64/22 NStZ-RR 2023).

Mangels einer individuell getroffenen Zumessungsentscheidung ohne nähere Würdigung des diesbezüglichen Verteidigungsvorbringens kann in der Rechtsmittelinstanz nicht beurteilt werden, ob die angefochtene Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch rechtsfehlerfrei ergangen ist. Sie unterliegt somit diesbezüglich der Aufhebung.

Die weitergehende, den Schuldspruch betreffende Rechtsbeschwerde hingegen ist unbegründet im Sinne von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).